Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen

Titel: Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 145).
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1887, Nr. 22, Seite 276
Fassung vom: 29. Juni 1887
Bekanntmachung: 1. Juli 1887
Quelle: Scan auf Commons

(Nr. 1730.) Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 145). Vom 29. Juni 1887.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Der §. 16 des Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 14. Mai 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 145) erhält folgenden Zusatz:

Sofern in Folge polizeilicher Untersuchung von Gegenständen der im §. 1 bezeichneten Art eine rechtskräftige strafrechtliche Verurtheilung eintritt, fallen dem Verurtheilten die durch die polizeiliche Untersuchung erwachsenen Kosten zur Last. Dieselben sind zugleich mit den Kosten des gerichtlichen Verfahrens festzusetzen und einzuziehen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 29. Juni 1887.

(L. S.)  Wilhelm. 

  von Boetticher.




Deutsches Reichsgesetzblatt 1886

Deutsches Reichsgesetzblatt 1886

Textdaten
<<< 1885 1887 >>>
Autor: Amtliches Werk
Titel: Reichs-Gesetzblatt
Herausgeber: Reichsamt des Innern
Erscheinungsdatum: 1886
Erscheinungsort: Berlin
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: amtliches Gesetz- und Verkündungsblatt des Deutschen Reichs
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Reichs-Gesetzblatt.
1886.

Enthält
die Gesetze, Verordnungen u. s. w. vom 7. Januar bis 18. Dezember 1886,
sowie mehrere Verträge vom Jahre 1885.
(Von Nr. 1629 bis einschl. Nr. 1690.)
Nr. 1 bis einschl. Nr. 35.

Berlin,
zu haben im Kaiserlichen Post-Zeitungsamt.

Inhaltsverzeichnis

Chronologische Uebersicht
der im Reichs-Gesetzblatt
vom Jahre 1886
enthaltenen Gesetze, Verordnungen u. s. w.
Datum
des
Gesetzes etc.
Ausgegeben
zu
Berlin.
I n h a l t. Nr.
des
Stücks.
Nr.
des
Gesetzes etc.
Seiten.
22. Janr. 1885. 9. Juli 1886. Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Südafrikanischen Republik. 22. 1675. 209–230.
30. Janr. 1885. 6. Febr. 1886. Handels-, Schiffahrts- und Konsularvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Dominikanischen Republik. 2. 1630. 3–24.
21. März 1885. 28. April 1886. Lissabonner Zusatzabkommen zum Weltpostvertrage vom 1. Juni 1878. 11. 1651. 82–96.
21. März 1885. 28. April 1886. Lissabonner Zusatzabkommen zum Uebereinkommen vom 1. Juni 1878, betreffend den Austausch von Briefen mit Werthangabe. 11. 1652. 97–99.
21. März 1885. 28. April 1886. Lissabonner Zusatzabkommen zum Uebereinkommen vom 4. Juni 1878, betreffend den Austausch von Postanweisungen. 11. 1653. 100–103.
21. März 1885. 28. April 1886. Lissabonner Zusatzabkommen zur Uebereinkunft vom 3. November 1880, betreffend den Austausch von Postpacketen ohne Werthangabe. 11. 1654. 104–114.
21. März 1885. 28. April 1886. Uebereinkommen, betreffend den Postauftragsdienst im Weltpostvereinsverkehr. 11. 1655. 115–122.
30. Juni 1885. 21. Juni 1886. Vertrag zwischen Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz, betreffend die Regelung der Lachsfischerei im Stromgebiete des Rheins. 18. 1670. 192–202. [IV]
20. Dezbr. 1885. 18. August 1886. Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Sultan von Zanzibar. 28. 1682.
(mit Anl.)
261–284.
7. Janr. 1886. 10 Janr. 1886. Bekanntmachung, betreffend die Bestimmung der Form des Stempelzeichens zur Angabe des Feingehalts auf goldenen und silbernen Geräthen. 1. 1629. 1.
3. Febr. 1886. 5. Febr. 1886. Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Drahtziehereien mit Wasserbetrieb. 2. 1631.
(mit Anl.)
24–26.
8. Febr. 1886. 17. Febr. 1886. Gesetz, betreffend die Kontrole des Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen für das Etatsjahr 1885/86. 3. 1632. 27.
15. Febr. 1886. 17. Febr. 1886. Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen. 3. 1633. 28.
2. März 1886. 20. März 1886. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Führung der Kriegsflagge auf den Privatfahrzeugen der deutschen Fürsten. 5. 1638. 59.
8. März 1886. 13. März 1886. Gesetz, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1886/87. 4. 1634.
(mit Anl.)
29–51.
8. März 1886. 13. März 1886. Gesetz, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen. 4. 1635. 52.
15. März 1886. 20. März 1886. Gesetz, betreffend die Fürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes in Folge von Betriebsunfällen. 5. 1636. 53–57.
15. März 1886. 20. März 1886. Bekanntmachung, betreffend die Stempelmarken zur Entrichtung der Wechselstempelsteuer. 5. 1639. 60.
16. März 1886. 20. März 1886. Gesetz, betreffend die Herstellung des Nord-Ostseekanals. 5. 1637. 58–59.
17. März 1886. 23. März 1886. Gesetz, betreffend Abänderung des §. 137 des Gerichtsverfassungsgesetzes. 6. 1640. 61–62. [V]
26. März 1886. 31. März 1886. Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1886/87. 7. 1641.
(mit Anl.)
63–64.
28. März 1886. 31. März 1886. Gesetz, betreffend die Heranziehung von Militärpersonen zu den Gemeindeabgaben. 7. 1642. 65.
1. April 1886. 10. April 1886. Gesetz, betreffend die Ausprägung einer Nickelmünze zu zwanzig Pfennig. 8. 1643. 67.
1. April 1886. 10. April 1886. Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen. 8. 1645. 68.
5. April 1886. 10. April 1886. Gesetz, betreffend die Erhebung einer Schiffahrtsabgabe auf der Unterweser. 8. 1644. 67–68.
12. April 1886. 20. April 1886. Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Bleifarben- und Bleizuckerfabriken. 9. 1646. 69–74.
17. April 1886. 20. April 1886. Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 10. 1647. 75–76.
18. April 1886. 29. April 1886. Gesetz, betreffend einen Zusatz zum §. 5 des Zolltarifgesetzes vom 15. Juli 1879 / 22. Mai 1885. 12. 1656. 123–124.
20. April 1886. 28. April 1886. Gesetz, betreffend die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie, vom 21. Oktober 1878. 11. 1648. 77.
21. April 1886. 28. April 1886. Gesetz, betreffend die Abänderung des Militärpensionsgesetzes vom 27. Juni 1871. 11. 1649. 78–79.
21. April 1886. 28. April 1886. Gesetz, betreffend die Abänderung des Reichsbeamtengesetzes, und des Gesetzes, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbeamten der Civilverwaltung, vom 20. April 1881. 11. 1650. 80–81.
21. April 1886. 29. April 1886. Verordnung, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo. 12. 1658. 128. [VI]
23. April 1886. 29. April 1886. Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung. 12. 1657. 125–127.
28. April 1886. 6. Mai 1886. Gesetz, betreffend den Anspruch des Statthalters in Elsaß-Lothringen auf Gewährung von Pension und Wartegeld. 13. 1659. 129.
29. April 1886. 5. Juni 1886. Bekanntmachung, betreffend die Zulassungsfristen für ältere Waagen. 15. 1665. 180.
30. April 1886. 6. Mai 1886. Gesetz, betreffend die Ergänzung des §. 809 der Civilprozeßordnung. 13. 1660. 130.
3. Mai 1886. 12. Mai 1886. Gesetz, betreffend die Unzulässigkeit der Pfändung von Eisenbahnfahrbetriebsmitteln. 14. 1661. 131.
5. Mai 1886. 12. Mai 1886. Gesetz, betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen. 14. 1662. 132–178.
27. Mai 1886. 9. Juni 1886. Bekanntmachung, betreffend die Unfallversicherungspflicht von Arbeitern und Betriebsbeamten in Betrieben, welche sich auf die Ausführung von Bauarbeiten erstrecken. 17. 1668. 190.
30. Mai 1886. 5. Juni 1886. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. 15. 1664. 180.
1. Juni 1886. 5. Juni 1886. Verordnung, betreffend die Berechtigung der niederländischen Flagge zur Ausübung der deutschen Küstenfrachtfahrt. 15. 1663. 179.
1. Juni 1886. 8. Juni 1886. Gesetz, die Besteuerung des Zuckers betreffend. 16. 1666. 181–185.
2. Juni 1886. 11. August 1886. Uebereinkunft zwischen Deutschland und Großbritannien, betreffend den gegenseitigen Schutz der Rechte an Werken der Literatur und Kunst. 26. 1680.
(mit Anl.)
237–258.
4. Juni 1886. 21. August 1886. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Abänderung des Zinsfußes für die auf Grund des Allerhöchsten Erlasses vom 30. März 1885 aufzunehmende Reichsanleihe. 29. 1684. 287.
5. Juni 1886. 9. Juni 1886. Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in dem Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie. 17. 1667. 187–189. [VII]
16. Juni 1886. 21. Juni 1886. Verordnung, betreffend die Einfuhr und Ausfuhr von Gewächsen, sowie von sonstigen Gegenständen des Wein- und Gartenbaues. 18. 1669. 191.
16. Juni 1886. 25. Juni 1886. Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen. 19. 1672. 204.
20. Juni 1886. 25. Juni 1886. Verordnung wegen Ergänzung der Verordnung vom 23. Dezember 1875, betreffend die Pensionen und Kautionen der Reichsbankbeamten, und der Verordnung, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbankbeamten, vom 8. Juni 1881. 19. 1671. 203.
24. Juni 1886. 28. Juni 1886. Verordnung, betreffend die Inkraftsetzung des Gesetzes über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung, vom 28. Mai 1885 (Reichs-Gesetzbl. S. 159). 20. 1673. 205.
24. Juni 1886. 30. Juni 1886. Gesetz, betreffend die Begründung der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. 21. 1674. 207.
7. Juli 1886. 10. Juli 1886. Bekanntmachung, betreffend die Uebereinkunft mit Serbien wegen gegenseitigen Markenschutzes. 23. 1676. 231.
17. Juli 1886. 23. Juli 1886. Verordnung, betreffend die Errichtung einer besonderen Kommission für die Herstellung des Nord-Ostseekanals. 24. 1677. 233.
25. Juli 1886. 3. August 1886. Bekanntmachung, betreffend den Antheil der Reichsbank an dem Gesammtbetrage des steuerfreien ungedeckten Notenumlaufs. 25. 1679. 236.
27. Juli 1886. 3. Juli 1886. Verordnung, betreffend nähere Festsetzungen über die Gewährung von Tagegeldern und Fuhrkosten an die Beamten der Militär- und Marineverwaltung. 25. 1678. 235.
8. August 1886. 13. August 1886. Bekanntmachung, betreffend den Aufruf und die Einziehung der Einhundertmarknoten der Kommerzbank in Lübeck. 27. 1681. 259–260. [VIII]
11. August 1886. 18. August 1886. Bekanntmachung, betreffend die Ermäßigung des in dem Handelsvertrage mit Zanzibar erwähnten, in Zanzibar vom Taback zu erhebenden Zolles. 28. 1683. 285.
28. August 1886. 24. Septbr. 1886. Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und Spanien, betreffend die Verlängerung des deutsch-spanischen Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 12. Juli 1883. 32. 1687. 295–298.
5. Septbr. 1886. 6. Septbr. 1886. Verordnung, betreffend die Einberufung des Reichstags. 30. 1685. 289.
13. Septbr. 1886. 20. Septbr. 1886. Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in dem Schutzgebiete der Marschall-, Brown- und Providence-Inseln. 31. 1686. 291–293.
8. Novbr. 1886. 9. Novbr. 1886. Verordnung, betreffend die Einberufung des Reichstags. 33. 1688. 299.
14. Novbr. 1886. 24. Novbr. 1886. Gesetz, betreffend die Bürgschaft des Reichs für die Zinsen etc. einer egyptischen Staatsanleihe. 34. 1689.
(mit Anl.)
301–307.
18. Dezbr. 1886. 24. Dezbr. 1886. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Aufnahme einer Anleihe auf Grund der Gesetze vom 16. Februar 1882 (Reichs-Gesetzbl. S. 39), vom 31. März 1885 (Reichs-Gesetzbl. S. 79) und vom 8. März 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 52). 35. 1690. 309.



Gesetz, betreffend die Fürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes in Folge von Betriebsunfällen

Titel: Gesetz, betreffend die Fürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes in Folge von Betriebsunfällen.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1886, Nr. 5, Seite 53 – 57
Fassung vom: 15. März 1886
Bekanntmachung: 20. März 1886
Quelle: Scan auf Commons

Nr. 1636.) Gesetz, betreffend die Fürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes in Folge von Betriebsunfällen. Vom 15. März 1886.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1.

Beamte der Reichs-Civilverwaltung, des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine und Personen des Soldatenstandes, welche in reichsgesetzlich der Unfallversicherung unterliegenden Betrieben beschäftigt sind, erhalten, wenn sie in Folge eines im Dienste erlittenen Betriebsunfalls dauernd dienstunfähig werden, als Pension sechsundsechzigzweidrittel Prozent ihres jährlichen Diensteinkommens, soweit ihnen nicht nach anderweiter reichsgesetzlicher Vorschrift ein höherer Betrag zusteht.
Personen der vorbezeichneten Art erhalten, wenn sie in Folge eines im Dienste erlittenen Betriebsunfalls nicht dauernd dienstunfähig geworden, aber in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt worden sind, bei ihrer Entlassung aus dem Dienste als Pension:

1. im Falle völliger Erwerbsunfähigkeit für die Dauer derselben den im ersten Absatze bezeichneten Betrag;
2. im Falle theilweiser Erwerbsunfähigkeit für die Dauer derselben einen Bruchtheil der vorstehend bezeichneten Pension, welcher nach dem Maße der verbliebenen Erwerbsfähigkeit zu bemessen ist.
Steht solchen Personen nach anderweiter reichsgesetzlicher Vorschrift ein höherer Betrag zu, so erhalten sie diesen.
Nach dem Wegfall des Diensteinkommens sind den Verletzten außerdem die noch erwachsenden Kosten des Heilverfahrens zu ersetzen.

§. 2.

Die Hinterbliebenen solcher im §. 1 bezeichneten Personen, welche in Folge eines im Dienste erlittenen Betriebsunfalls gestorben sind, erhalten:

1. als Sterbegeld, sofern ihnen nicht nach anderweiter Bestimmung Anspruch auf Gnadenquartal oder Gnadenmonat zusteht, den Betrag des einmonatigen Diensteinkommens beziehungsweise der einmonatigen Pension des Verstorbenen, jedoch mindestens 30 Mark;
2. eine Rente. Dieselbe beträgt

a) für die Wittwe bis zu deren Tode oder Wiederverheirathung zwanzig Prozent des jährlichen Diensteinkommens des Verstorbenen, jedoch nicht unter 160 Mark und nicht mehr als 1.600 Mark;
b) für jedes Kind bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres oder bis zur etwaigen früheren Verheirathung, sofern die Mutter lebt, fünfundsiebzig Prozent der Wittwenrente, und sofern die Mutter nicht lebt, die volle Wittwenrente;
c) für Ascendenten des Verstorbenen, wenn dieser ihr einziger Ernährer war, für die Zeit bis zu ihrem Tode oder bis zum Wegfall der Bedürftigkeit zwanzig Prozent des Diensteinkommens des Verstorbenen, jedoch nicht unter 160 Mark und nicht mehr als 1.600 Mark; sind mehrere derartig Berechtigte vorhanden, so wird die Rente den Eltern vor den Großeltern gewährt.
Die Renten dürfen zusammen sechzig Prozent des Diensteinkommens nicht übersteigen. Ergiebt sich ein höherer Betrag, so haben die Ascendenten nur insoweit einen Anspruch, als durch die Renten der Wittwe und der Kinder der Höchstbetrag der Rente nicht erreicht wird. Soweit die Renten der Wittwe und Kinder den zulässigen Höchstbetrag überschreiten, werden die einzelnen Renten in gleichem Verhältnisse gekürzt.
Steht nach anderweiter reichsgesetzlicher Vorschrift den Hinterbliebenen ein höherer Betrag zu, so erhalten sie diesen.
Der Anspruch der Wittwe ist ausgeschlossen, wenn die Ehe erst nach dem Unfall geschlossen worden ist.

§. 3.

Erreicht das Diensteinkommen nicht den von der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Gemeindebehörde für Erwachsene festgesetzten ortsüblichen Tagelohn gewöhnlicher Tagearbeiter (§. 8 des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883, Reichs-Gesetzbl. S. 73), so ist der letztere der Berechnung zu Grunde zu legen.
Bleibt bei den nicht mit Pensionsberechtigung angestellten Beamten (§. 1) die nach vorstehenden Bestimmungen der Berechnung zu Grunde zu legende Summe unter dem niedrigsten Diensteinkommen derjenigen Stellen, in welchen solche Beamte nach den bestehenden Grundsätzen zuerst mit Pensionsberechtigung angestellt werden können, so ist der letztere Betrag der Berechnung zu Grunde zu legen.

§. 4.

Der Bezug der Pension beginnt mit dem Wegfall des Diensteinkommens, der Bezug der Wittwen- und Waisenrente mit dem Ablauf des Gnadenquartals oder Gnadenmonats, oder, soweit solche nicht gewährt werden, mit dem auf den Todestag des Verunglückten folgenden Tage.
Gehört der Verletzte auf Grund gesetzlicher oder statutarischer Verpflichtung einer Krankenkasse oder der Gemeinde-Krankenversicherung an, so wird bis zum Ablauf der dreizehnten Woche nach dem Eintritt des Unfalls die Pension und der Ersatz der Kosten des Heilverfahrens um den Betrag der von der Krankenkasse oder der Gemeinde-Krankenversicherung geleisteten Krankenunterstützung gekürzt. Der Anspruch auf das Sterbegeld (§. 2 Abs. 1 Ziffer 1), und vom Beginne der vierzehnten Woche ab auch der Anspruch auf die Pension und auf den Ersatz der Kosten des Heilverfahrens (§. 1) geht bis zum Betrage des von der Krankenkasse gezahlten Sterbegeldes beziehungsweise bis zum Betrage der von dieser gewährten weiteren Krankenunterstützung auf die Krankenkasse über. Als Werth der freien ärztlichen Behandlung, der Arznei und der Heilmittel (§. 6 Abs. 1 Ziffer 1 des Krankenversicherungsgesetzes) gilt die Hälfte des gesetzlichen Mindestbetrages des Krankengeldes.

§. 5.

Ein Anspruch auf die in den §§. 1 und 2 bezeichneten Bezüge besteht nicht, wenn der Verletzte den Unfall (§. 1) vorsätzlich oder durch ein Verschulden herbeigeführt hat, wegen dessen auf Dienstentlassung oder auf Verlust des Titels und Pensionsanspruchs gegen ihn erkannt oder wegen dessen ihm die Fähigkeit zur Beschäftigung in einem öffentlichen Dienstzweige aberkannt worden ist.

§. 6.

Ansprüche auf Grund dieses Gesetzes sind, soweit deren Feststellung nicht von Amtswegen erfolgt, bei Vermeidung des Ausschlusses vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei der dem Verletzten unmittelbar vorgesetzten Dienstbehörde anzumelden.
Nach Ablauf dieser Frist ist der Anmeldung nur dann Folge zu geben, wenn zugleich glaubhaft bescheinigt wird, daß die Folgen des Unfalls erst später bemerkbar geworden sind, oder daß der Berechtigte von der Verfolgung seines Anspruchs durch außerhalb seines Willens liegende Verhältnisse abgehalten worden ist.
Jeder Unfall, welcher von Amtswegen oder durch Anmeldung der Betheiligten einer vorgesetzten Dienstbehörde bekannt wird, ist sofort zu untersuchen. Den Betheiligten ist Gelegenheit zu geben, selbst oder durch Vertreter ihre Interessen bei der Untersuchung zu wahren.

§. 7.

Soweit vorstehend nichts Anderes bestimmt ist, finden auf die nach §. 1, und hinsichtlich der Berechnung des Diensteinkommens auch auf die nach §. 2 zu gewährenden Bezüge die für die Betheiligten geltenden Bestimmungen über Pension, auf die nach §. 2 zu gewährenden Renten im Uebrigen die Vorschriften über die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbeamten der Civilverwaltung, Anwendung. Jedoch erfolgt die Bestimmung über die Zahlung der Renten an Hinterbliebene einer zum Reichsheere gehörigen Person durch die oberste Militärverwaltungsbehörde des Kontingents.

§. 8.

Die in den §§. 1 und 2 bezeichneten Personen können einen Anspruch auf Ersatz des durch den Unfall (§. 1) erlittenen Schadens gegen die Betriebsverwaltung, in deren Dienst sie den Unfall erlitten haben, überhaupt nicht, und gegen deren Betriebsleiter, Bevollmächtigte oder Repräsentanten, Betriebs- oder Arbeiteraufseher nur dann geltend machen, wenn durch strafgerichtliches Urtheil festgestellt worden ist, daß diese den Unfall vorsätzlich herbeigeführt haben.
Der hiernach zulässige Anspruch ermäßigt sich um denjenigen Betrag, welcher den Berechtigten nach dem gegenwärtigen Gesetze zusteht.

§. 9.

Die in dem §. 8 bezeichneten Ansprüche können, auch ohne daß die daselbst vorgesehene Feststellung durch strafgerichtliches Urtheil stattgefunden hat, geltend gemacht werden, falls diese Feststellung wegen des Todes oder der Abwesenheit des Betreffenden oder aus einem anderen in der Person desselben liegenden Grunde nicht erfolgen kann.

§. 10.

Die dem Verletzten oder dessen Hinterbliebenen auf Grund des §. 1 des Gesetzes, betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen, vom 7. Juni 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 207) gegen Eisenbahn-Betriebsunternehmer zustehenden Ansprüche gehen auf die Betriebsverwaltung, welche dem Verletzten oder dessen Hinterbliebenen auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes oder anderweiter reichsgesetzlicher Vorschrift (§§. 1 und 2) Pensionen, Kosten des Heilverfahrens, Renten oder Sterbegelder zu zahlen hat, in Höhe dieser Bezüge und vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 8 des Gesetzes vom 20. Dezember 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 318) über.
Weitergehende Ansprüche als auf diese Bezüge stehen dem Verletzten und dessen Hinterbliebenen gegen das Reich und die Bundesstaaten nicht zu.
Die Haftung anderer, in dem §. 8 nicht bezeichneten Personen, welche den Unfall vorsätzlich herbeigeführt oder durch Verschulden verursacht haben, bestimmt sich nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Jedoch geht die Forderung des Entschädigungsberechtigten an den Dritten auf die Betriebsverwaltung insoweit über, als sie zu den im Absatz 1 gedachten Zahlungen auf Grund dieses Gesetzes verpflichtet ist.

§. 11.

Auf die in den §§. 1 und 2 bezeichneten Personen finden die reichsgesetzlichen Bestimmungen über Unfallversicherung keine Anwendung.

§. 12.

Staats- und Kommunalbeamten und deren Hinterbliebenen, für welche durch die Landesgesetzgebung oder durch statutarische Festsetzung gegen die Folgen eines im Dienste erlittenen Betriebsunfalls eine den Vorschriften der §§. 1 bis 5 des gegenwärtigen Gesetzes mindestens gleichkommende Fürsorge getroffen ist, steht wegen eines solchen Unfalls ein reichsgesetzlicher Anspruch auf Ersatz des durch denselben erlittenen Schadens nur nach Maßgabe der §§. 8 bis 10 des gegenwärtigen Gesetzes zu. Auf solche Staats- und Kommunalbeamten und deren Hinterbliebene finden die reichsgesetzlichen Bestimmungen über Unfallversicherung keine Anwendung.

§. 13.

Dies Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Dasselbe kommt in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 (Bundes-Gesetzbl. 1871 S. 9) unter III §. 5 zur Anwendung.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 15. März 1886.

(L. S.)  Wilhelm. 

  Fürst von Bismarck.




Allerhöchster Erlaß, betreffend die Führung der Kriegsflagge auf den Privatfahrzeugen der deutschen Fürsten

Titel: Allerhöchster Erlaß, betreffend die Führung der Kriegsflagge auf den Privatfahrzeugen der deutschen Fürsten.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1886, Nr. 5, Seite 59
Fassung vom: 2. März 1886
Bekanntmachung: 20. März 1886
Quelle: Scan auf Commons

(Nr. 1638.) Allerhöchster Erlaß, betreffend die Führung der Kriegsflagge auf den Privatfahrzeugen der deutschen Fürsten. Vom 2. März 1886.

Ich genehmige, daß die Souveräne der deutschen Staaten, die Prinzen Meines oder eines anderen regierenden deutschen Königlichen Hauses, sowie die ersten Bürgermeister der freien Hansestädte auf den ihnen eigenthümlich gehörigen Privatfahrzeugen die Kriegsflagge an der Gaffel oder am Flaggenstock führen können.

Berlin, den 2. März 1886.

 Wilhelm.
An den Chef der Admiralität.




Deutsches Reichsgesetzblatt 1885

Deutsches Reichsgesetzblatt 1885

Textdaten
<<< 1884 1886 >>>
Autor: Amtliches Werk
Titel: Reichs-Gesetzblatt
Herausgeber: Reichsamt des Innern
Erscheinungsdatum: 1885
Erscheinungsort: Berlin
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: amtliches Gesetz- und Verkündungsblatt des Deutschen Reichs
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Reichs-Gesetzblatt.
1885.

Enthält
die Gesetze, Verordnungen u. s. w. vom 4. Januar bis 2. Dezember 1885,
nebst einem Vertrage vom Jahre 1883, sowie zwei Verträgen und
mehreren Bekanntmachungen vom Jahre 1884.
(Von Nr. 1576 bis einschl. Nr. 1628.)
Nr. 1 bis einschl. Nr. 32.

Berlin,
zu haben im Kaiserlichen Post-Zeitungsamt.

Inhaltsverzeichnis

Chronologische Uebersicht
der im Reichs-Gesetzblatt
vom Jahre 1885
enthaltenen Gesetze, Verordnungen u. s. w.
Datum
des
Gesetzes etc.
Ausgegeben
zu
Berlin.
I n h a l t. Nr.
des
Stücks.
Nr.
des
Gesetzes etc.
Seiten.
15. Mai 1883. 8. Juni 1885. Konvention zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Madagaskar. 20. 1610.
(mit Anl.)
166–170.
9. Juli 1884. 28. Febr. 1885. Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Griechenland. 9. 1590.
(mit Anl.)
23–49.
8. Novbr. 1884. 20. Juni 1885. Uebereinkunft zwischen dem Deutschen Reich und der Internationalen Gesellschaft des Kongo. 23. 1616. 211–214.
27. Dezbr. 1884. 11 Febr. 1885. Aichordnung für das Deutsche Reich. 5. Anlagen
zu Nr.

1584.

14.
28. Dezbr. 1884. 11. Febr. 1885. Aichgebührentaxe. 5.
30. Dezbr. 1884. 11. Febr. 1885. Bekanntmachung, betreffend die Zulassungsfristen für ältere Maaße, Meßwerkzeuge, Gewichte und Waagen. 5.
30. Dezbr. 1884. 8. Janr. 1885. Bekanntmachung, betreffend den Beitritt Großbritanniens, Serbiens und Rumäniens zu der internationalen Meterkonvention. 1. 1576. 1.
4. Janr. 1885. 8. Janr. 1885. Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen. 1. 1577. 2. [IV]
22. Janr. 1885. 11. Febr. 1885. Bekanntmachung, betreffend die Unfallversicherungspflicht von Arbeitern und Betriebsbeamten in Betrieben, welche sich auf die Ausführung von Bauarbeiten erstrecken. 5. 1583. 13.
23. Janr. 1885. 31. Janr. 1885. Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1884/85. 2. 1578.
(mit Anl.)
3–4.
26. Janr. 1885. 4. Febr. 1885. Gesetz, betreffend die Kontrole des Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen für das Etatsjahr 1884/85. 3. 1580. 7.
28. Janr. 1885. 31. Janr. 1885. Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 15. Juni 1883 über die Krankenversicherung der Arbeiter. 2. 1579. 5.
29. Janr. 1885. 7. Febr. 1885. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Einführung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens hinsichtlich des Servises für Kantonnements- und Marschquartier. 4. 1582.
(mit Anl.)
9–12.
31. Janr. 1885. 4. Febr. 1885. Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen. 3. 1581. 8.
8. Febr. 1885. 23. Febr. 1885. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. 7. 1588. 19.
18. Febr. 1885. 23. Febr. 1885. Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1884/85. 7. 1587.
(mit Anl.)
17–18.
20. Febr. 1885. 20. Febr. 1885. Gesetz, betreffend die vorläufige Einführung von Aenderungen des Zolltarifs. 6. 1585. 15–16.
20. Febr. 1885. 20. Febr. 1885. Bekanntmachung, betreffend die vorläufige Einführung von Eingangszöllen auf Weizen, Roggen, Buchweizen und Gerste. 6. 1586. 16. [V]
21. Febr. 1885. 22. Febr. 1885. Bekanntmachung, betreffend die vorläufige Einführung von Eingangszöllen auf Malz, Schaumweine und Mühlenfabrikate aus Getreide etc. 8. 1589. 21.
26. Febr. 1885. 20. Juni 1885. General-Akte der Berliner Konferenz. 23. 1617. 215–246.
12. März 1885. 7. April 1885. Bekanntmachung, betreffend die Zulassung als Schiffer auf kleiner Fahrt mit Hochsee-Fischereifahrzeugen. 11. 1596. 82.
13. März 1885. 20. März 1885. Bekanntmachung, betreffend das Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen. 10. 1593. 78.
14. März 1885. 15. Juni 1885. Staatsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn wegen Herstellung der Eisenbahnverbindungen von Mittelsteine nach Ottendorf (Braunau), von Hannsdorf über Lindewiese nach Ziegenhals, von Lindewiese über Barzdorf (Heinersdorf) nach Ottmachau und von Ratibor nach Troppau. 22. 1615. 198–209.
16. März 1885. 20. März 1885. Gesetz, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1885/86. 10. 1591.
(mit Anl.)
51–73.
16. März 1885. 20. März 1885. Gesetz, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen. 10. 1592.
(mit Anl.)
74–77.
30. März 1885. 11. April 1885. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Aufnahme einer Anleihe auf Grund der Gesetze vom 16. Februar 1882 (Reichs-Gesetzbl. S. 39) und vom 16. März 1885 (Reichs-Gesetzbl. S. 74). 12. 1599. 87.
31. März 1885. 7. April 1885. Gesetz, betreffend den Beitrag des Reichs zu den Kosten des Anschlusses der freien Hansestadt Bremen an das deutsche Zollgebiet. 11. 1594. 79–80. [VI]
31. März 1885. 7. April 1885. Gesetz, betreffend Aenderungen des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874. 11. 1595. 81.
5. April 1885. 11. April 1885. Gesetz, betreffend Abänderung der §§. 12, 16 und 19 des Gesetzes, betreffend die Erhebung der Tabacksteuer (Reichs-Gesetzbl. S. 245 von 1879). 12. 1597. 83–84.
6. April 1885. 11. April 1885. Gesetz, betreffend Postdampfschiffsverbindungen mit überseeischen Ländern. 12. 1598.
(mit Anl.)
85–86.
15. April 1885. 18. April 1885. Gesetz, betreffend die Befugniß von Seefahrzeugen, welche der Gattung der Kauffahrteischiffe nicht angehören, zur Führung der Reichsflagge. 13. 1600. 89.
24. April 1885. 15. Mai 1885. Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen. 14. 1602. 92.
29. April 1885. 29. Juni 1885. Vertrag zwischen Deutschland und Belgien, betreffend die Bestrafung der auf den beiderseitigen Gebieten begangenen Forst-, Feld-, Fischerei- und Jagdfrevel. 25. 1619. 251–253.
10. Mai 1885. 19. Juni 1885. Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Spanien, betreffend einige Abänderungen des Tarifs A des deutsch-spanischen Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 12. Juli 1883. 24. 1618. 247–249.
13. Mai 1885. 15. Mai 1885. Gesetz, betreffend die Steuervergütung für Zucker, sowie die Verlängerung der Frist für die Entrichtung der im Betriebsjahre 1884/85 kreditirten Rübensteuer. 14. 1601. 91–92.
18. Mai 1885. 28. Mai 1885. Bekanntmachung, betreffend die Einlösung der Banknoten der Kommerzbank in Lübeck. 15. 1604. 108.
22. Mai 1885. 28. Mai 1885. Gesetz, betreffend die Abänderung des Zolltarifgesetzes vom 15. Juli 1879. 15. 1603. 93–107. [VII]
23. Mai 1885. 4. Juni 1885. Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1885/86. 18. 1607.
(mit Anl.)
157–158.
24. Mai 1885. 5. Juni 1885. Bekanntmachung, betreffend die Redaktion des Zolltarifgesetzes. 17. 1606.
(mit Anl.)
111–156.
26. Mai 1885. 8. Juni 1885. Gesetz, betreffend den Schutz des zur Anfertigung von Reichskassenscheinen verwendeten Papiers gegen unbefugte Nachahmung. 20. 1609. 165–166.
27. Mai 1885. 28. Mai 1885. Gesetz, betreffend die Abänderung des Zoll-Vereinigungsvertrages vom 8. Juli 1867. 16. 1605. 109.
28. Mai 1885. 6. Juni 1885. Gesetz über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung. 19. 1608. 159–164.
29. Mai 1885. 11. Juni 1885. Gesetz, betreffend Abänderung des Gesetzes wegen Erhebung von Reichsstempelabgaben vom 1. Juli 1881. 21. 1611.
(mit Anl.)
171–178.
3. Juni 1885. 11. Juni 1885. Bekanntmachung, betreffend die Redaktion des Gesetzes wegen Erhebung von Reichsstempelabgaben. 21. 1612.
(mit Anl.)
179–194.
4. Juni 1885. 15. Juni 1885. Verordnung wegen Ergänzung der Verordnung vom 16. August 1876, betreffend die Kautionen der bei der Militär- und der Marineverwaltung angestellten Beamten. 28. 1567. 213–214.
6. Juni 1885. 15. Juni 1885. Verordnung zur Ergänzung der Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetze vom 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen, vom 1. April 1876 und 18. April 1882. 22. 1614. 197.
27. Juli 1885. 12. August 1885. Bekanntmachung, betreffend die äußersten Grenzen der im öffentlichen Verkehr noch zu duldenden Abweichungen der Maaße, Meßwerkzeuge, Gewichte und Waagen von der absoluten Richtigkeit. 26. 1621. 263–269.
5. August 1885. 12. August 1885. Verordnung, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts. 26. 1620. 255–262. [VIII]
25. Septbr. 1885. 26. Septbr. 1885. Verordnung, betreffend die Inkraftsetzung des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 (Reichs-Gesetzbl. S. 69) und die theilweise Inkraftsetzung des Gesetzes über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung vom 28. Mai 1885 (Reichs-Gesetzbl. S. 159). 27. 1622. 271–272.
28. Septbr. 1885. 12. Oktbr. 1885. Verordnung, betreffend die Uebertragung landesherrlicher Befugnisse auf den Statthalter in Elsaß-Lothringen. 28. 1623. 273–276.
27. Oktbr. 1885. 28. Oktbr. 1885. Verordnung, betreffend die Einberufung des Reichstags. 29. 1624. 277.
2. Novbr. 1885. 4. Novbr. 1885. Verordnung über das Verfahren vor den auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes errichteten Schiedsgerichten. 30. 1625. 279–285.
9. Novbr. 1885. 18. Novbr. 1885. Bekanntmachung, betreffend den Beitritt Japans zu der unterm 20. Mai 1875 abgeschlossenen internationalen Meterkonvention. 31. 1626. 287.
30. Novbr. 1885. 11. Dezbr. 1885. Bekanntmachung, betreffend das Bahnpolizei-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands. 32. 1627.
(mit Anl.)
289–318.
2. Dezbr. 1885. 11. Dezbr. 1885. Bekanntmachung, betreffend Ergänzung der Vorschriften über die Prüfung der Seeschiffer und Seesteuerleute auf deutschen Kauffahrteischiffen vom 25. September 1869. 32. 1628. 319.



Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts

Titel: Verordnung, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1885, Nr. 26, Seite 255 – 262
Fassung vom: 5. August 1885
Bekanntmachung: 12. August 1885
Quelle: Scan auf Commons

(Nr. 1620.) Verordnung, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts. Vom 5. August 1885.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des §. 90 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 (Reichs-Gesetzbl. S. 69) im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths, was folgt:

I. Verfahren und Geschäftsgang im Allgemeinen.

§. 1.

Die nichtständigen Mitglieder des Reichs-Versicherungsamts und deren Stellvertreter werden für die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amts von dem Staatssekretär des Innern mittelst Handschlags an Eidesstatt verpflichtet.
Die von dem Bundesrath aus seiner Mitte gewählten Mitglieder nehmen ihre Stelle nach dem Vorsitzenden oder dessen Vertreter, also vor den übrigen Mitgliedern, in derjenigen Reihenfolge ein, welche für sie im Bundesrath besteht.

§. 2.

Die Erledigung der Geschäfte erfolgt in der Regel in den Sitzungen, welche der Vorsitzende anberaumt.
Zu diesen Sitzungen sind die in Berlin anwesenden Mitglieder unter Mittheilung der Berathungsgegenstände einzuladen.
Die Entscheidung ist, soweit nicht in dem Unfallversicherungsgesetze (§. 90) oder in dieser Verordnung ein Anderes bestimmt ist, durch die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern (einschließlich des Vorsitzenden) bedingt.
In schleunigen Fällen kann der Vorsitzende eine schriftliche Abstimmung anordnen. Ergiebt sich hierbei eine Meinungsverschiedenheit, so muß die Entscheidung auf Grund gemeinsamer mündlicher Berathung erfolgen.

§. 3.

Verfügungen, welche eine sachliche Entschließung nicht enthalten, insbesondere diejenigen, welche nur die Leitung des Verfahrens bezüglich eines anhängigen Rekurses betreffen, werden von dem Vorsitzenden oder unter dessen Mitzeichnung von demjenigen Mitgliede entworfen, welchem die Bearbeitung der Sache von dem Vorsitzenden übertragen worden ist.
Im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorsitzenden und dem gedachten Mitgliede oder im Falle des Widerspruchs eines Betheiligten gegen eine solche Verfügung entscheidet das Kollegium.

§. 4.

Die Beschlüsse werden vorbehaltlich der Bestimmung im §. 15 auf Vortrag in nichtöffentlicher Sitzung nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
Bilden sich in Beziehung auf Summen, über welche zu entscheiden ist, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die für die größte Summe abgegebenen Stimmen den für die zunächst geringere abgegebenen so lange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergiebt.
Die Stimmen werden in nachstehender Reihenfolge abgegeben:

1. von den Berichterstattern;
2. von den Mitgliedern, welche durch die Vertreter der versicherten Arbeiter gewählt sind;
3. von den Mitgliedern, welche von den Genossenschaftsvorständen gewählt sind;
4. von den beiden richterlichen Beamten;
5. von den ständigen Mitgliedern;
6. von den vom Bundesrath aus seiner Mitte gewählten Mitgliedern;
7. von dem Vorsitzenden.
Die Mitglieder des Bundesraths stimmen in der im §. 1 gedachten Reihenfolge.
Die Reihenfolge der Abstimmung der Mitglieder innerhalb der übrigen Klassen richtet sich nach dem Dienstalter dergestalt, daß das jüngste Mitglied zuerst stimmt; bei gleichem Dienstalter hat das, dem Lebensalter nach jüngere Mitglied zuerst zu stimmen.

§. 5.

Für den mündlichen Vortrag in den Sitzungen werden Berichterstatter von dem Vorsitzenden ernannt.
Die Entscheidungen (Beschlüsse und Urtheile) sind in der für die Zufertigung an die Betheiligten geeigneten Form von den Berichterstattern zu entwerfen und in der Urschrift außer von diesen von dem Vorsitzenden zu zeichnen.
Die Verfügungen und Entscheidungen ergehen unter der Bezeichnung: „Das Reichs-Versicherungsamt“ und werden in der Ausfertigung vom Vorsitzenden vollzogen.

§. 6.

Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und Berathungen in den Sitzungen, er stellt die Fragen und sammelt die Stimmen.
Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder über das Ergebniß der Abstimmung werden in Gemäßheit des §. 4 entschieden.

II. Verfahren und Geschäftsgang in den Fallen des §. 90 zu b und c des Unfallversicherungsgesetzes.

§. 7.

Das Reichs-Versicherungsamt entscheidet in den Fällen des §. 90 zu b und c des Unfallversicherungsgesetzes in der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden, sowie von zwei richterlichen Beamten. Unter den fünf Mitgliedern muß sich je ein Vertreter der Genossenschaftsvorstände und der Arbeiter befinden.
Die beiden richterlichen Beamten sowie zwei Stellvertreter für dieselben werden für die Dauer der zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Reichs- oder Staatsämter vom Bundesrath gewählt und vom Kaiser ernannt.

§. 8.

Der Vorsitzende setzt bei Beginn des Jahres – zum ersten Mal mit dem Inkrafttreten der im §. 111 Absatz 2 des Unfallversicherungsgesetzes erwähnten Kaiserlichen Verordnung – die Reihenfolge fest, in welcher die nichtständigen Mitglieder des Reichs-Versicherungsamts zu den Sitzungen einberufen werden. Gleichzeitig sind die Stellvertreter zu bezeichnen.
Die Einberufung zu den einzelnen Sitzungen muß in der Regel mindestens zwei Wochen vor denselben erfolgen.

§. 9.

Die Bestimmungen in den §§. 41 ff. der Civilprozeßordnung über die Ausschließung und Ablehnung der Richter finden auf die Mitglieder des Reichs-Versicherungsamts entsprechende Anwendung.
Ueber das Ablehnungsgesuch entscheidet das Reichs-Versicherungsamt mittelst Beschlusses (§§. 2 ff.).

§. 10.

Der Antrag auf Entscheidung des Reichs-Versicherungsamts (§. 32 des Unfallversicherungsgesetzes) sowie der Rekurs an dasselbe (§. 63 a. a. O.) muß an das Reichs-Versicherungsamt schriftlich gerichtet werden.
In dem Schriftsatze ist der Gegenstand des Anspruchs zu bezeichnen, desgleichen sind die für die Entscheidung maßgebenden Thatsachen mit Angabe der Beweismittel für dieselben anzuführen.
Für jeden Gegner ist eine Abschrift des Schriftsatzes beizufügen.

§. 11.

Das Reichs-Versicherungsamt hat die Abschrift des Antrages dem Gegner zur Einreichung einer Gegenschrift binnen einer bestimmten, von einer Woche bis zu vier Wochen zu bemessenden Frist mitzutheilen. In der Aufforderung ist zugleich die Verwarnung auszusprechen, daß, wenn die Gegenschrift innerhalb der Frist nicht eingeht, die Entscheidung nach Lage der Akten erfolgen werde. Die Frist kann auf Antrag aus wichtigen Gründen verlängert werden.
Der Gegenschrift ist eine Abschrift beizufügen, welche dem Gegner von dem Reichs-Versicherungsamt zuzustellen ist.

§. 12.

Anträge und Gegenschriften (§§. 10, 11) müssen entweder von den Betheiligten selbst oder von ihren gesetzlichen Vertretern oder von ihren Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Die Vollmacht muß schriftlich ertheilt werden.
Das Reichs-Versicherungsamt kann Vertreter, welche, ohne Rechtsanwälte zu sein, die Vertretung geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen.

§. 13.

Die Entscheidung erfolgt auf Grund mündlicher Verhandlung vor dem Reichs-Versicherungsamt. Der Termin hierzu wird von dem Vorsitzenden anberaumt. Die Betheiligten werden mittelst eingeschriebenen Briefes von dem Termin mit dem Bemerken in Kenntniß gesetzt, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten werde entschieden werden. Hält das Reichs-Versicherungsamt das persönliche Erscheinen eines Betheiligten für angemessen, so hat dasselbe die nach Lage des Falles an das Nichterscheinen sich knüpfenden Nachtheile in der Vorladung besonders zu bezeichnen.

§. 14.

Gleichzeitig mit Anberaumung des Termins (§. 13) sind von dem Vorsitzenden ein erster und ein zweiter Berichterstatter zu ernennen; der erste Berichterstatter hat, sofern dies von dem Vorsitzenden angeordnet wird, vor dem Termin eine schriftliche Sachdarstellung vorzulegen.

§. 15.

Die mündliche Verhandlung erfolgt in öffentlicher Sitzung. Die Oeffentlichkeit kann durch einen öffentlich zu verkündigenden Beschluß ausgeschlossen werden, wenn das Reichs-Versicherungsamt dies aus Gründen des öffentlichen Wohls oder der Sittlichkeit für angemessen erachtet.
Die zur Verhandlung gelangenden Sachen werden der Regel nach in der durch den Vorsitzenden bestimmten, durch Aushang vor dem Sitzungszimmer bekannt zu machenden Reihenfolge erledigt.

§. 16.

Die mündliche Verhandlung beginnt mit der Darstellung des Sachverhältnisses durch den ersten Berichterstatter, demnächst sind die erschienenen Betheiligten zu hören.
Der Vorsitzende hat jedem beisitzenden Mitgliede des Reichs-Versicherungsamts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen.

§. 17.

Die mündliche Verhandlung erfolgt unter Zuziehung eines vereidigten Protokollführers. Von demselben ist ein Protokoll aufzunehmen, welches den Gang der Verhandlung im Allgemeinen angiebt. Anerkenntnisse, Verzichtleistungen, Vergleiche und solche Anträge und Erklärungen der Betheiligten, welche von den Schriftsätzen abweichen, sowie der Tenor des Urtheils sind in das Protokoll aufzunehmen.
Dasselbe ist von dem Protokollführer und dem Vorsitzenden, in Fällen der Urtheilssprechung dagegen außer von dem Protokollführer von allen Mitgliedern zu unterzeichnen, welche an der Urtheilssprechung theilgenommen haben.

§. 18.

Die Berathung und Entscheidung des Reichs-Versicherungsamts erfolgt in nichtöffentlicher Sitzung.

§. 19.

Das Reichs-Versicherungsamt entscheidet innerhalb der erhobenen Ansprüche nach freiem Ermessen.
Die Entscheidung erstreckt sich auch auf die in dem Verfahren vor dem Reichs-Versicherungsamt den Parteien erwachsenen Kosten, und auf die Frage, welcher Kostenbetrag zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte nothwendig gewesen ist.
Bei den Entscheidungen, welche auf Grund der mündlichen Verhandlung ergehen, dürfen nur Mitglieder mitwirken, vor welchen diese Verhandlung stattgefunden hat.

§. 20.

Das Verfahren vor dem Reichs-Versicherungsamt ist kostenfrei; ein Ersatz der durch dieses Verfahren dem Reichs-Versicherungsamt verursachten baaren Auslagen durch die Parteien findet nicht statt.

§. 21.

Die Entscheidung kann ohne vorgängige Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ergehen, wenn beide Theile auf eine solche ausdrücklich verzichten.

§. 22.

Der Vorsitzende verkündet die ergangene Entscheidung in öffentlicher Sitzung durch Verlesung des Beschlusses oder der Urtheilsformel.
Wird die Verkündung der Gründe für angemessen gehalten, so erfolgt sie durch Verlesung derselben oder durch mündliche Mittheilung des wesentlichen Inhalts.
Die Verkündung der Entscheidung kann auf eine spätere Sitzung vertagt werden, welche in der Regel binnen einer Woche stattfinden soll.
In dem Falle des §. 90 zu c des Unfallversicherungsgesetzes ist dem Schiedsgericht, gegen dessen Entscheidung Rekurs eingelegt worden ist, Abschrift des Urtheils zu ertheilen.

§. 23.

Das Urtheil wird nebst Gründen von dem ersten Berichterstatter entworfen und in der Urschrift von den ständigen, den durch den Bundesrath gewählten nichtständigen und von den richterlichen Mitgliedern, welche an der Verhandlung betheiligt gewesen sind, unterzeichnet.

§. 24.

Im Eingange des Urtheils sind die Mitglieder, welche an der Entscheidung theilgenommen haben, namentlich aufzuführen; auch ist der Sitzungstag zu bezeichnen, an welchem die Entscheidung erfolgt ist.
Die Ausfertigungen der Urtheile werden mit der Ueberschrift versehen:

„Im Namen des Reichs“.
Sie enthalten neben dem Siegel des Reichs-Versicherungsamts die Schlußformel:

„Urkundlich unter Siegel und Unterschrift“

„Das Reichs-Versicherungsamt“.
Die Vollziehung erfolgt durch den Vorsitzenden.

III. Besondere Befugnisse des Vorsitzenden.

§. 25.

Dem Vorsitzenden steht die Leitung und Beaufsichtigung des gesammten Dienstes zu; er trifft die nähere Bestimmung über die Vertheilung der Geschäfte und ernennt insbesondere in den Fällen der §§. 14, 16, 27 und 88 des Unfallversicherungsgesetzes die Vertreter und Beauftragten des Reichs-Versicherungsamts.

§. 26.

Der Vorsitzende ordnet die Einrichtung der Bureaus, der Akten und Geschäftsregister; ihm steht die Verfügung in allen Verwaltungsangelegenheiten des Amts, insbesondere in denjenigen zu, welche das Etats- und Kassenwesen, das Dienstgebäude und dessen Einrichtung, die Vervollständigung der Bibliothek und sonstige Anschaffungen betreffen.

§. 27.

Mit Genehmigung des Reichskanzlers kann der Vorsitzende einen Theil seiner Befugnisse einem ständigen Mitgliede des Reichs-Versicherungsamts übertragen. Der Vorsitzende wird im Behinderungsfalle von dem nächstältesten ständigen Mitgliede vertreten.

IV. Innerer Geschäftsgang.

§. 28.

Vorladungen und Zustellungsschreiben werden durch die Unterschrift des von dem Vorsitzenden dazu bestimmten Beamten und unter Beifügung des Siegels des Reichs-Versicherungsamts beglaubigt.
In gleicher Weise erfolgen die in den §§. 14 und 16 des Unfallversicherungsgesetzes vorgeschriebenen Einladungen zu den General- und Genossenschaftsversammlungen. Dieselben können mittelst einfachen Briefes durch die Post bewirkt werden.

§. 29.

Das Reichs-Versicherungsamt führt zwei Siegel:

1. ein großes Siegel, welches dem von dem Reichsgericht geführten entspricht und nur bei förmlichen Ausfertigungen, insbesondere der Urtheile gebraucht wird;
2. ein kleineres Siegel, welches den bei den Gesandtschaften des Deutschen Reichs eingeführten Siegeln entspricht mit der Umschrift: „Reichs-Versicherungsamt“.

V. Geschäftssprache.

§. 30.

In Betreff der Geschäftssprache vor dem Reichs-Versicherungsamt finden die Bestimmungen in den §§. 186 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 entsprechende Anwendung. Eingaben, welche nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, werden nicht berücksichtigt.

VI. Geschäftsbericht.

§. 31.

Am Schlusse eines jeden Jahres hat das Reichs-Versicherungsamt dem Reichskanzler einen Geschäftsbericht einzureichen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Bad Gastein, den 5. August 1885.

(L. S.)  Wilhelm. 

  von Boetticher.




Deutsches Reichsgesetzblatt 1884

Deutsches Reichsgesetzblatt 1884

Textdaten
<<< 1883 1885 >>>
Autor: Amtliches Werk
Titel: Reichs-Gesetzblatt
Herausgeber: Reichsamt des Innern
Erscheinungsdatum: 1884
Erscheinungsort: Berlin
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: amtliches Gesetz- und Verkündungsblatt des Deutschen Reichs
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Reichs-Gesetzblatt.
1884.

Enthält
die Gesetze, Verordnungen u. s. w. vom 2. Januar bis 8. Dezember 1884,
nebst einem Vertrage vom Jahre 1882, sowie mehreren Verträgen,
einer Verordnung und einer Bekanntmachung vom Jahre 1883.
(Von Nr. 1524 bis einschl. Nr. 1575.)
Nr. 1 bis einschl. Nr. 34.

Berlin,
zu haben im Kaiserlichen Post-Zeitungsamt.

Inhaltsverzeichnis

Chronologische Uebersicht
der im Reichs-Gesetzblatt
vom Jahre 1884
enthaltenen Gesetze, Verordnungen u. s. w.
Datum
des
Gesetzes etc.
Ausgegeben
zu
Berlin.
I n h a l t. Nr.
des
Stücks.
Nr.
des
Gesetzes etc.
Seiten.
6. Mai 1882. 18. April 1884. Internationaler Vertrag, betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewässer. 11. 1536. 25–43.
4. Juni 1883. 31. März 1884. Uebereinkunft zwischen Deutschland und Luxemburg, betreffend die gegenseitige Zulassung der in den Grenzgemeinden wohnhaften Medizinalpersonen zur Ausübung der Praxis. 9. 1533. 19–20.
21. Juli 1883. 4. Juli 1884. Vertrag zwischen Deutschland und Luxemburg, betreffend die Herstellung einer Eisenbahn von St. Vith nach Ulflingen. 18. 1550. 66–68.
21. Juli 1883. 16. Juli 1884. Schlußprotokoll zu dem Vertrage zwischen Deutschland und Luxemburg, betreffend die Herstellung einer Eisenbahn von St. Vith nach Ulflingen, d. d. Berlin, den 21. Juli 1883 (Reichs-Gesetzbl. von 1884 S. 66) 20. 1555. 117–118.
26. Novbr. 1883. 4. Dezbr. 1884. Handels-, Freundschafts- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Reich und dem Königreich Korea. 32. 1572.
(mit Anl.)
221–252.
12. Dezbr. 1883. 19. August 1884. Uebereinkunft zwischen Deutschland und Belgien, betreffend den Schutz an Werken der Literatur und Kunst. 24. 1562.
(mit Anl.)
173–187. [IV]
12. Dezbr. 1883. 19. August 1884. Uebereinkunft zwischen Deutschland und Belgien, betreffend den Schutz der gewerblichen Muster und Modelle. 24. 1563. 188–190.
24. Dezbr. 1883. 2. Janr. 1884. Verordnung, betreffend die Gebührenfreiheit in dem Verfahren vor dem Reichsgericht. 1. 1524. 1–2.
29. Dezbr. 1883. 5. Janr. 1884. Bekanntmachung, betreffend die Uebersicht der Uebergangsabgaben und Ausfuhrvergütungen, welche von Staaten, wo innere Steuern auf die Hervorbringung oder Zubereitung gewisser Erzeugnisse gelegt sind, erhoben beziehungsweise bewilligt werden. 2. 1525.
(mit Anl.)
3–6.
2. Janr. 1884. 10. Janr. 1884. Bekanntmachung, betreffend den Beitritt der Niederlande zu der unterm 3. November 1881 abgeschlossenen internationalen Reblaus-Konvention. 3. 1526. 7.
21. Janr. 1884. 25. Janr. 1884. Verordnung, betreffend die Konsulargerichtsbarkeit in der Regentschaft Tunis. 4. 1527. 9.
23. Janr. 1884. 25. Janr. 1884. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. 4. 1528. 10.
31. Janr. 1884. 2. Febr. 1884. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. 5. 1529. 11.
20. Febr. 1884. 20. Febr. 1884. Verordnung, betreffend die Einberufung des Reichstags. 6. 1530. 13.
26. Febr. 1884. 29. Febr. 1884. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. 7. 1531. 15.
29. Febr. 1884. 19. April 1884. Uebereinkunft zwischen Deutschland und der Schweiz, betreffend die gegenseitige Zulassung der in der Nähe der Grenze wohnhaften Medizinalpersonen zur Ausübung der Praxis. 12. 1537. 45–46. [V]
12. März 1884. 20. März 1884. Gesetz, betreffend die Stimmzettel für öffentliche Wahlen. 8. 1532. 17.
12. März 1884. 16. April 1884. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Bezeichnung des Hauptzollamts in Hamburg. 10. 1535. 24.
12. April 1884. 16. April 1884. Gesetz, betreffend die Feststellung des Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1884/85. 10. 1534.
(mit Anl.)
21–24.
30. April 1884. 8. Mai 1884. Gesetz, betreffend die Kontrole des Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen für das Etatsjahr 1883/84. 13. 1538. 47.
30. April 1884. 8. Mai 1884. Gesetz zur Ausführung der internationalen Konvention vom 6. Mai 1882, betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewässer. 13. 1539. 48.
3. Mai 1884. 17. Mai 1884. Gesetz, betreffend die Prisengerichtsbarkeit. 14. 1540. 49.
13. Mai 1884. 17. Mai 1884. Gesetz, betreffend die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern. 14. 1541. 49–50.
24. Mai 1884. 29. Mai 1884. Bekanntmachung, betreffend den Verkehr mit Erzeugnissen und Geräthschaften des Weinbaues in den deutsch-französischen Grenzbezirken. 15. 1543. 51–52.
26. Mai 1884. 29. Mai 1884. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. 15. 1544. 52.
27. Mai 1884. 29. Mai 1884. Gesetz, betreffend die zur Erforschung der Cholera nach Egypten und Ostindien entsandte wissenschaftliche Kommission. 15. 1542. 51.
28. Mai 1884. 6. Juni 1884. Gesetz, betreffend die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878. 16. 1545. 53. [VI]
1. Juni 1884. 6. Juni 1884. Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes über die eingeschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876. 16. 1546. 54–60.
4. Juni 1884. 11. Juni 1884. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. 17. 1548. 64.
9. Juni 1884. 11. Juni 1884. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen. 17. 1547. 61–64.
9. Juni 1884. 4. Juli 1884. Bekanntmachung, betreffend den Debit von Stempelmarken und gestempelten Blankets zur Entrichtung der Wechselstempelsteuer. 18. 1551. 68.
20. Juni 1884. 3. Septbr. 1884. Uebereinkunft zwischen Deutschland und Italien, betreffend den Schutz an Werken der Literatur und Kunst. 26. 1565.
(mit Anl.)
193–210.
22. Juni 1884. 4. Juli 1884. Verordnung, betreffend die Vergütung für Dienstreisen der Marinebeamten zwischen Kiel und Friedrichsort 18. 1549. 65.
6. Juli 1884. 9. Juli 1884. Unfallversicherungsgesetz. 19. 1552. 69–111.
7. Juli 1884. 9. Juli 1884. Gesetz, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1884/85. 19. 1553.
(mit Anl.)
112–114.
11. Juli 1884. 16. Juli 1884. Gesetz, betreffend die Abänderung der Maaß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868. 20. 1554. 115–117.
12. Juli. 1884. 16. Juli 1884. Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen. 20. 1556. 118. [VII]
12. Juli 1884. 24. Juli 1884. Gesetz, betreffend den Reingewinn aus dem von dem großen Generalstabe verfaßten Werke: „Der deutsch-französische Krieg 1870/71“. 21. 1557. 119.
16. Juli 1884. 24. Juli 1884. Gesetz über den Feingehalt der Gold- und Silberwaaren. 21. 1558. 120–122.
18. Juli 1884. 31. Juli 1884. Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften. 22. 1559. 123–170.
20. Juli 1884. 2. August 1884. Gesetz, betreffend die Beschaffung eines Dienstgebäudes für das Generalkonsulat in Schanghai. 23. 1560. 171.
21. Juli 1884. 2. August 1884. Gesetz, betreffend die Einziehung der mit dem Datum vom 11. Juli 1874 ausgefertigten Reichskassenscheine. 23. 1561. 172.
24. August 1884. 28. August 1884. Bekanntmachung, betreffend den Verkehr mit Erzeugnissen und Geräthschaften des Weinbaues in den deutsch-schweizerischen Grenzbezirken. 25. 1564. 191–192.
18. Septbr. 1884. 20. Septbr. 1884. Verordnung, betreffend die Wahlen zum Reichstag. 27. 1566. 211.
29. Septbr. 1884. 8. Oktbr. 1884. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Aufnahme einer Anleihe auf Grund der Gesetzes vom 16. Februar 1882 (Reichs-Gesetzbl. S. 39), vom 2. Juli 1883 (Reichs-Gesetzbl. S. 148) und vom 12. April 1884 (Reichs-Gesetzbl. S. 21). 28. 1567. 213–214.
24. Oktbr. 1884. 1. Novbr. 1884. Bekanntmachung, betreffend den Beitritt Serbiens zu der unterm 3. November 1881 abgeschlossenen internationalen Reblaus-Konvention. 29. 1568. 215. [VIII]
30. Oktbr. 1884. 1. Novbr. 1884. Bekanntmachung, betreffend die Ausführung der Bestimmungen im §. 2 des Gesetzes vom 11. Juli 1884 über die Abänderung der Maaß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868 (Reichs-Gesetzbl. S. 115). 29. 1569. 215–216.
10. Novbr. 1884. 13. Novbr. 1884. Bekanntmachung, betreffend den Verkehr mit Erzeugnissen und Geräthschaften des Weinbaues in den deutsch-luxemburgischen Grenzbezirken. 31. 1571. 219–220.
11. Novbr. 1884. 11. Novbr. 1884. Verordnung, betreffend die Einberufung des Reichstags. 30. 1570. 217.
4. Dezbr. 1884. 5. Dezbr. 1884. Bekanntmachung, betreffend die Erweiterung der Befestigungsanlagen von Pillau. 33. 1573. 253.
8. Dezbr. 1884. 13. Dezbr. 1884. Gesetz wegen Ergänzung des §. 100e des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 18. Juli 1881 (Reichs-Gesetzbl. S. 233 ff. von 1881). 34. 1574. 255.
8. Dezbr. 1884. 13. Dezbr. 1884. Verordnung, betreffend die anderweitige Festsetzung der Kaution der Rendanten der Patentamtskasse. 34. 1575. 256.



Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen

Titel: Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1884, Nr. 17, Seite 61–64
Fassung vom: 9. Juni 1884
Bekanntmachung: 11. Juni 1884
Quelle: Scan auf Commons

(Nr. 1547.) Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen. Vom 9. Juni 1884.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1.

Die Herstellung, der Vertrieb und der Besitz von Sprengstoffen sowie die Einführung derselben aus dem Auslande ist unbeschadet der bestehenden sonstigen Beschränkungen nur mit polizeilicher Genehmigung zulässig.
Wer sich mit der Herstellung oder dem Vertriebe von Sprengstoffen befaßt, hat ein Register zu führen, aus welchem die Mengen der hergestellten, aus dem Auslande eingeführten oder sonst zum Zweck des Vertriebes angeschafften Sprengstoffe, sowie die Bezugsquellen und der Verbleib derselben ersichtlich sein müssen. Dieses Register ist der zuständigen Behörde auf Erfordern jederzeit vorzulegen.
Auf Sprengstoffe, welche vorzugsweise als Schießmittel gebraucht werden, finden vorbehaltlich abweichender landesrechtlicher Vorschriften die Bestimmungen des ersten und des zweiten Absatzes keine Anwendung. Die Bezeichnung dieser Stoffe erfolgt durch Beschluß des Bundesraths.
Insoweit Sprengstoffe zum eigenen Gebrauch durch Reichs- oder Landesbehörden von der zuständigen Verwaltung hergestellt, besessen, eingeführt oder vertrieben werden, bleiben die Vorschriften des ersten und zweiten Absatzes ebenfalls ausgeschlossen.

§. 2.

Die Zentralbehörden der Bundesstaaten erlassen die zur Ausführung der Vorschriften in dem §. 1 Absatz 1 und 2, sowie in dem §. 15 erforderlichen näheren Anordnungen und bestimmen die Behörden, welche über die Gesuche um Gestattung der Herstellung, des Vertriebes, des Besitzes und der Einführung von Sprengstoffen Entscheidung zu treffen haben.

§. 3.

Gegen die versagende Verfügung ist nur die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde innerhalb 14 Tagen zulässig. Dieselbe hat keine aufschiebende Wirkung.

§. 4.

Die Ertheilung der nach §. 1 Absatz 1 erforderlichen Erlaubniß erfolgt in widerruflicher Weise. Wegen der Beschwerde gegen die Zurücknahme gilt die Vorschrift des §. 3 des gegenwärtigen Gesetzes.

§. 5.

Wer vorsätzlich durch Anwendung von Sprengstoffen Gefahr für das Eigenthum, die Gesundheit oder das Leben eines Anderen herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft.
Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren, und wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein.
Ist durch die Handlung der Tod eines Menschen herbeigeführt worden und hat der Thäter einen solchen Erfolg voraussehen können, so ist auf Todesstrafe zu erkennen.

§. 6.

Haben Mehrere die Ausführung einer oder mehrerer nach §. 5 zu ahndender strafbarer Handlungen verabredet oder sich zur fortgesetzten Begehung derartiger, wenn auch im einzelnen noch nicht bestimmter Handlungen verbunden, so werden dieselben, auch ohne daß der Entschluß der Verübung des Verbrechens durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung enthalten, bethätigt worden ist, mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.

§. 7.

Wer Sprengstoffe herstellt, anschafft, bestellt, oder in seinem Besitze hat, in der Absicht, durch Anwendung derselben Gefahr für das Eigenthum, die Gesundheit oder das Leben eines Anderen entweder selbst herbeizuführen oder andere Personen zur Begehung dieses Verbrechens in den Stand zu setzen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
Der gleichen Strafe verfällt, wer Sprengstoffe, wissend, daß dieselben zur Begehung eines in dem §. 5 vorgesehenen Verbrechens bestimmt sind, an andere Personen überläßt.

§. 8.

Wer Sprengstoffe herstellt, anschafft, bestellt, wissentlich in seinem Besitze hat oder an andere Personen überläßt unter Umständen, welche nicht erweisen, daß dies zu einem erlaubten Zweck geschieht, wird mit Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Gefängniß nicht unter einem Jahre bestraft. Diese Bestimmung findet auf die gemäß §. 1 Absatz 3 vom Bundesrath bezeichneten Stoffe nicht Anwendung.

§. 9.

Wer der Vorschrift in dem ersten Absatz des §. 1 zuwider es unternimmt, ohne polizeiliche Ermächtigung Sprengstoffe herzustellen, vom Auslande einzuführen, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst an Andere zu überlassen, oder wer im Besitze derartiger Stoffe betroffen wird, ohne polizeiliche Erlaubniß hierzu nachweisen zu können, ist mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Gleicher Strafe verfällt, wer die Vorschriften des §. 1 Absatz 2, die von den Zentralbehörden in Gemäßheit des §. 2 getroffenen Anordnungen oder die bereits bestehenden oder noch zu erlassenden sonstigen polizeilichen Bestimmungen über den Verkehr mit Sprengstoffen, auf welche §. 1 Absatz 1 Anwendung findet, übertritt.

§. 10.

Wer öffentlich vor einer Menschenmenge oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen, oder wer in Schriften oder anderen Darstellungen zur Begehung einer der in den §§. 5 und 6 bezeichneten strafbaren Handlungen oder zur Theilnahme an denselben auffordert, wird mit Zuchthaus bestraft.
Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung der im Absatz 1 gedachten strafbaren Handlungen insbesondere dadurch anreizt oder verleitet, daß er dieselben anpreist oder als etwas Rühmliches darstellt.

§. 11.

In den Fällen der §§. 5, 6, 7, 8 und 10 kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. In den Fällen der §§. 5, 6, 7, 8 und in dem Falle einer Anwendung der Strafvorschriften des §. 9 ist auf Einziehung der zur Zubereitung der Sprengstoffe gebrauchten oder bestimmten Gegenstände, sowie der im Besitze des Verurtheilten vorgefundenen Vorräthe von Sprengstoffen zu erkennen, ohne Unterschied, ob dieselben dem Verurtheilten gehören oder nicht.

§. 12.

Die Bestimmungen im §. 4 Absatz 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich finden auch auf die in den §§. 5, 6, 7, 8 und 10 dieses Gesetzes vorgesehenen Verbrechen Anwendung.

§. 13.

Der in dem §. 139 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich angedrohten Strafe verfällt, wer von dem Vorhaben eines im §. 5 vorgesehenen Verbrechens oder von einer im §. 6 vorgesehenen Verabredung oder von dem Thatbestande eines im §. 7 des gegenwärtigen Gesetzes unter Strafe gestellten Verbrechens in glaubhafter Weise Kenntniß erhält und es unterläßt, der durch das Verbrechen bedrohten Person oder der Behörde rechtzeitig Anzeige zu machen.

§. 14.

Die §§. 1, 2, 3, 4, 9 dieses Gesetzes treten drei Monate nach dessen Verkündigung, die übrigen Bestimmungen desselben mit dem Tage der Verkündigung in Kraft.

§. 15.

Auf Personen, welche bei dem Inkrafttreten der §§. 1, 2, 3, 4, 9 dieses Gesetzes sich bereits im Besitze von Sprengstoffen befinden oder sich bis zu diesem Tage gewerbsmäßig mit der Herstellung oder mit dem Vertriebe von Sprengstoffen beschäftigt haben, finden die Vorschriften des §. 9 Absatz 1 erst zwei Wochen nach dem Inkrafttreten der gedachten Paragraphen, und wenn seitens dieser Personen innerhalb dieser Frist ein Gesuch um Ertheilung der nach §. 1 Absatz 1 erforderlichen polizeilichen Genehmigung bei der zuständigen Behörde eingereicht worden ist, erst eine Woche nach Behändigung des ablehnenden Bescheides letzter Instanz (§. 3) Anwendung.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 9. Juni 1884.

(L. S.)  Wilhelm. 

  Fürst von Bismarck.




Deutsches Reichsgesetzblatt 1883

Deutsches Reichsgesetzblatt 1883

Textdaten
<<< 1882 1884 >>>
Autor: Amtliches Werk
Titel: Reichs-Gesetzblatt
Herausgeber: Reichsamt des Innern
Erscheinungsdatum: 1883
Erscheinungsort: Berlin
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: amtliches Gesetz- und Verkündungsblatt des Deutschen Reichs
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Reichs-Gesetzblatt.
1883.

Enthält
die Gesetze, Verordnungen etc. vom 3. Januar bis 18. Dezember 1883,
nebst einem Vertrage vom Jahre 1880 und zwei Verträgen
vom Jahre 1882.
(Von Nr. 1483 bis einschl. Nr. 1523.)
Nr. 1 bis einschl. Nr. 28.

Berlin,
zu haben im Kaiserlichen Post-Zeitungsamt.

Inhaltsverzeichnis

Chronologische Uebersicht
der im Reichs-Gesetzblatt
vom Jahre 1883
enthaltenen Gesetze, Verordnungen u. s. w.
Datum
des
Gesetzes etc.
Ausgegeben
zu
Berlin.
I n h a l t. Nr.
des
Stücks.
Nr.
des
Gesetzes etc.
Seiten.
12. Mai 1880. 11. Septbr. 1883. Auslieferungsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem orientalischen Freistaat Uruguay. 22. 1516. 287–301.
30. Septbr. 1882. 16. Mai 1883. Uebereinkunft zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn, betreffend die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnhaften Medizinalpersonen zur Ausübung der Praxis. 7. 1492. 39–40.
5. Dezbr. 1882. 6. August 1883. Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Mexiko. 18. 1509. 247–262.
3. Janr. 1883. 10. Janr. 1883. Verordnung, betreffend den Verkehr mit Honigpräparaten. 1. 1483. 1.
6. Janr. 1883. 4. Juni 1883. Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Serbien. 8. 1493.
(mit Anl.)
41–61.
6. Janr. 1883. 4. Juni 1883. Konsularvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Serbien. 8. 1494. 62–71.
27. Febr. 1883. 8. März 1883. Bekanntmachung, betreffend die Einlösung der Banknoten der Chemnitzer Stadtbank. 2. 1485. 4.
5. März 1883. 8. März 1883. Verordnung, betreffend die Außerkraftsetzung der §§. 2 und 3 der Verordnung vom 1. Mai 1882 über die Verwendung giftiger Farben. 2. 1484. 3. [IV]
2. März 1883. 13. März 1883. Gesetz, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1883/84. 3. 1486.
(mit Anl.)
5–28.
2. März 1883. 13. März 1883. Gesetz, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen. 3. 1487. 29.
3. März 1883. 13. März 1883. Gesetz, betreffend die Kontrole des Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen für das Etatsjahr 1882/83. 3. 1488. 30.
6. März 1883. 14. März 1883. Verordnung, betreffend das Verbot der Einfuhr von Schweinen, Schweinefleisch und Würsten amerikanischen Ursprungs. 4. 1489. 31.
18. April 1883. 30. April 1883. Verordnung, betreffend die Kautionen der Beamten und Unterbeamten der Reichs- Post- und Telegraphenverwaltung und der Reichsdruckerei. 6. 1491. 35–38.
19. April 1883. 13. August 1883. Uebereinkunft zwischen Deutschland und Frankreich, betreffend den Schutz an Werken der Literatur und Kunst. 20. 1513.
(mit Anl.)
269–284.
21. April 1883. 25. April 1883. Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen. 5. 1490. 33.
4. Mai 1883. 1. Juli 1883. Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Italien. 11. 1498.
(mit Anl.)
109–123.
28. Mai 1883. 3. Juni 1883. Bekanntmachung, betreffend die Uebergangsabgabe und die Steuerrückvergütung für Branntwein in Baden. 8. 1495. 72.
15. Juni 1883. 21. Juni 1883. Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter. 9. 1496. 73–104.
19. Juni 1883. 29. Juni 1883. Gesetz, betreffend die Reichs-Kriegshäfen und die Feststellung eines Nachtrages zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1883/84. 10. 1497. 105–108.
1. Juli 1883. 18. Juli 1883. Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung. 15. 1504. 159–176.
1. Juli 1883. 18. Juli 1883. Bekanntmachung, betreffend die Redaktion der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich. 15. 1505.
(mit Anl.)
177–240. [V]
2. Juli 1883. 10. Juli 1883. Gesetz, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1884/85. 12. 1499.
(mit Anl.)
125–147.
2. Juli 1883. 10. Juli 1883. Gesetz, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen. 12. 1500. 148.
3. Juli 1883. 11. Juli 1883. Gesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit. 13. 1501. 149–152.
4. Juli 1883. 11. Juli 1883. Verordnung, betreffend das Verbot der Einfuhr und der Ausfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Wein- und Gartenbaues. 13. 1502. 153–155.
7. Juli 1883. 12. Juli 1883. Gesetz, betreffend die Steuervergütung für Zucker. 14. 1503. 157–158.
8. Juli 1883. 18. Juli 1883. Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1883/84. 16. 1506. 241.
12. Juli 1883. 18. Juli 1883. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr und die Ausfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Wein- und Gartenbaues. 16. 1507. 242–243.
12. Juli 1883. 24. Oktbr. 1883. Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Spanien. 24. 1518.
(mit Anl.)
307–333.
12. Juli 1883. 24. Juli 1883. Bekanntmachung, betreffend Abänderung der allgemeinen polizeilichen Bestimmungen über die Anlegung von Dampfkesseln, vom 29. Mai 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 122). 17. 1508. 245–246.
24. Juli 1883. 9. August 1883. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Zahlungsanweisung der Vergütungen für die durch Truppenübungen entstehenden Flurschäden. 19. 1511.
(mit Anl.)
264–267.
27. Juli 1883. 9. August 1883. Gesetz, betreffend die Konsulargerichtsbarkeit in Tunis. 19. 1510. 263.
2. August 1883. 9. August 1883. Bekanntmachung, betreffend die Uebereinkunft mit Luxemburg wegen gegenseitigen Markenschutzes. 19. 1512. 268.
21. August 1883. 21. August 1883. Verordnung, betreffend die Einberufung des Bundesraths. 21. 1514. 285. [VI]
21. August 1883. 21. August 1883. Verordnung, betreffend die Einberufung des Reichstags. 21. 1515. 286.
10. Septbr. 1883. 13. Septbr. 1883. Gesetz, betreffend die Ertheilung der Indemnität für die durch die Bekanntmachung vom 9. August 1883 angeordneten Zollermäßigungen, sowie die Verallgemeinerung der Zollermäßigungen in den Tarifen A zu dem deutsch-italienischen und dem deutsch-spanischen Handels- und Schiffahrtsvertrage. 23. 1517.
(mit Anl.)
303–305.
20. Oktbr. 1883. 24. Oktbr. 1883. Verordnung, betreffend die Ausdehnung der Zollermäßigungen in den Tarifen A zu dem deutsch-italienischen und dem deutsch-spanischen Handels- und Schiffahrtsvertrage. 24. 1519. 334.
1. Novbr. 1883. 3. Novbr. 1883. Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. 25. 1520. 335.
26. Novbr. 1883. 4. Dezbr. 1883. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Aufnahme einer Anleihe auf Grund der Gesetze vom 16. Februar 1882 (Reichs-Gesetzbl. S. 39) und vom 2. März 1883 (Reichs-Gesetzbl. S. 29). 26. 1521. 337–338.
8. Dezbr. 1883. 12. Dezbr. 1883. Bekanntmachung, betreffend die Uebereinkunft mit den Vereinigten Staaten von Venezuela wegen gegenseitigen Markenschutzes. 27. 1522. 339.
18. Dezbr. 1883. 22. Dezbr. 1883. Bekanntmachung, betreffend die Veränderung des Uebergangsabgabensatzes für braunes Bier in Württemberg. 28. 1523. 341.



Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung

Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung

Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1883, Nr. 15, Seite 159 – 176
Fassung vom: 1. Juli 1883
Bekanntmachung: 18. Juli 1883

(Nr. 1504.) Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung. Vom 1. Juli 1883.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Artikel 1.

An die Stelle des §. 6 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 6.

Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung auf die Fischerei, die Errichtung und Verlegung von Apotheken, die Erziehung von Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen, die advokatorische und Notariats-Praxis, den Gewerbebetrieb der Auswanderungsunternehmer und Auswanderungsagenten, der Versicherungsunternehmer und der Eisenbahnunternehmungen, die Befugniß zum Halten öffentlicher Fähren und die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaften auf den Seeschiffen. – Auf das Bergwesen, die Ausübung der Heilkunde, den Verkauf von Arzneimitteln, den Vertrieb von Lotterieloosen und die Viehzucht findet das gegenwärtige Gesetz nur insoweit Anwendung, als dasselbe ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält.
Durch Kaiserliche Verordnung wird bestimmt, welche Apothekerwaaren dem freien Verkehr zu überlassen sind.

Artikel 2.

Dem §. 21 der Gewerbeordnung wird als neue Ziffer hinzugefügt:

5. Die Oeffentlichkeit der Sitzungen kann unter entsprechender Anwendung der §§. 173 bis 176 des Gerichtsverfassungsgesetzes ausgeschlossen oder beschränkt werden. [160]

Artikel 3.

Hinter §. 30 der Gewerbeordnung wird eingeschaltet:

§. 30a.

Der Betrieb des Hufbeschlaggewerbes kann durch die Landesgesetzgebung von der Beibringung eines Prüfungszeugnisses abhängig gemacht werden. Das ertheilte Prüfungszeugniß gilt für den ganzen Umfang des Reichs.

Artikel 4.

I. Hinter §. 33 der Gewerbeordnung wird eingeschaltet:

§. 33a.

Wer gewerbsmäßig Singspiele, Gesangs- und deklamatorische Vorträge, Schaustellungen von Personen oder theatralische Vorstellungen, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, in seinen Wirthschafts- oder sonstigen Räumen öffentlich veranstalten oder zu deren öffentlicher Veranstaltung seine Räume benutzen lassen will, bedarf zum Betriebe dieses Gewerbes der Erlaubniß ohne Rücksicht auf die etwa bereits erwirkte Erlaubniß zum Betriebe des Gewerbes als Schauspielunternehmer.
Die Erlaubniß ist nur dann zu versagen:

1. wenn gegen den Nachsuchenden Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die beabsichtigten Veranstaltungen den Gesetzen oder guten Sitten zuwiderlaufen werden;
2. wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Lokal wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügt;
3. wenn der den Verhältnissen des Gemeindebezirks entsprechenden Anzahl von Personen die Erlaubniß bereits ertheilt ist.

Aus den unter Ziffer 1 angeführten Gründen kann die Erlaubniß zurückgenommen und Personen, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes den Gewerbebetrieb begonnen haben, derselbe untersagt werden.

§. 33b.

Wer gewerbsmäßig Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen darbieten will, bedarf der vorgängigen Erlaubniß der Ortspolizeibehörde.

§. 33c.

Die Abhaltung von Tanzlustbarkeiten richtet sich nach den landesrechtlichen Bestimmungen. [161]
II. An die Stelle des §. 40 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 40.

Die in den §§. 29 bis 33a und im §. 34 erwähnten Approbationen und Genehmigungen dürfen weder auf Zeit ertheilt, noch vorbehaltlich der Bestimmungen in den §§. 33a, 53 und 143 widerrufen werden.
Gegen Versagung der Genehmigung zum Betriebe eines der in den §§. 30, 30a, 32, 33, 33a und 34, sowie gegen Untersagung des Betriebes der in den §§. 33a, 35 und 37 erwähnten Gewerbe ist der Rekurs zulässig. Wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§. 20 und 21.

Artikel 5.

An die Stelle des §. 35 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 35.

Die Ertheilung von Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht als Gewerbe, sowie der Betrieb von Badeanstalten ist zu untersagen, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb darthun.
Unter derselben Voraussetzung sind zu untersagen: der Trödelhandel (Handel mit gebrauchten Kleidern, gebrauchten Betten oder gebrauchter Wäsche, Kleinhandel mit altem Metallgeräth, mit Metallbruch oder dergleichen), sowie der Kleinhandel mit Garnabfällen oder Dräumen von Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen, und der Handel mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen.
Dasselbe gilt von der gewerbsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten und bei Behörden wahrzunehmender Geschäfte, insbesondere der Abfassung der darauf bezüglichen schriftlichen Aufsätze, von dem Geschäfte der gewerbsmäßigen Vermittelungsagenten für Immobiliarverträge, Darlehen und Heirathen, von dem Geschäfte eines Gesindevermiethers und eines Stellenvermittlers, sowie vom Geschäfte eines Auktionators. Denjenigen, welche gewerbsmäßig das Geschäft eines Auktionators betreiben, ist es verboten, Immobilien zu versteigern, wenn sie nicht von den dazu befugten Staats- oder Kommunalbehörden oder Korporationen als solche angestellt sind (§. 36).
Personen, welche die in diesem Paragraphen bezeichneten Gewerbe beginnen, haben bei Eröffnung ihres Gewerbebetriebes der zuständigen Behörde hiervon Anzeige zu machen.

Artikel 6.

An die Stelle des §. 42 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 42.

Wer zum selbständigen Betriebe eines stehenden Gewerbes befugt ist, darf dasselbe innerhalb und unbeschadet der Bestimmungen des dritten Titels auch außerhalb des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Niederlassung ausüben.
Eine gewerbliche Niederlassung gilt nicht als vorhanden, wenn der Gewerbetreibende im Inlande ein zu dauerndem Gebrauche eingerichtetes, beständig oder doch in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benutztes Lokal für den Betrieb seines Gewerbes nicht besitzt.

§. 42a.

Gegenstände, welche von dem Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen ausgeschlossen sind, dürfen auch innerhalb des Gemeindebezirks des Wohnortes oder der gewerblichen Niederlassung von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten nicht feilgeboten oder zum Wiederverkauf angekauft werden, mit Ausnahme von Bier und Wein in Fässern und Flaschen und vorbehaltlich des nach §. 33 erlaubten Gewerbebetriebes.
Die zuständige Landesregierung ist befugt, soweit ein Bedürfniß dazu obwaltet, anzuordnen, daß und inwiefern weitere Ausnahmen von diesem Verbote stattfinden sollen.
Das Feilbieten geistiger Getränke kann von der Ortspolizeibehörde im Falle besonderen Bedüiftnsses vorübergehend gestattet werden.

§. 42b.

Durch die höhere Verwaltungsbehörde kann auf Grund eines Gemeindebeschlusses für einzelne Gemeinden bestimmt werden, daß Personen, welche in dem Gemeindebezirke einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung besitzen und welche innerhalb des Gemeindebezirks auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten, oder ohne vorgängige Bestellung von Haus zu Haus

1. Waaren feilbieten, oder
2. Waaren bei anderen Personen, als bei Kaufleuten oder solchen Personen, welche die Waaren produziren, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen, oder Waarenbestellungen bei Personen, in deren Gewerbebetriebe Waaren der angebotenen Art keine Verwendung finden, aufsuchen, oder
3. gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies nicht Landesgebrauch ist, anbieten wollen,

der Erlaubniß bedürfen. Diese Bestimmung kann auf gewisse Kategorien von Waaren und Leistungen beschränkt werden.
Auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme der Erlaubniß finden die Vorschriften der §§. 57, 57a, 57b, 58 und 63 Absatz 1, und auf die Ausübung des Gewerbebetriebes die Vorschriften der §§. 60b, 60c, 60d Absatz 1 und 2 und 63 Absatz 2 entsprechende Anwendung.
In Betreff der im §. 59 Ziffer 1 und 2 bezeichneten Erzeugnisse und Waaren, auch wenn dieselben nicht zu den selbstgewonnenen oder selbstverfertigten gehören, ferner in Betreff der Druckschriften, anderen Schriften und Bildwerke, insoweit der Gewerbebetrieb hiermit von Haus zu Haus stattfindet, sowie in Betreff

der vom Bundesrath in Gemäßheit des §. 44 Absatz 2 gestatteten Ausnahmen darf der betreffende Gewerbebetrieb in dem Gemeindebezirke des Wohnsitzes oder der gewerblichen Niederlassung von einer Erlaubniß nicht abhängig gemacht werden. In Betreff der im §. 59 Ziffer 1 und 2 bezeichneten Erzeugnisse und Waaren kann jedoch der Gewerbebetrieb unter den im §. 57 Ziffer 1 bis 4 erwähnten Voraussetzungen untersagt, sowie nach Maßgabe des §. 60b Absatz 2 und §. 60c Absatz 2 beschränkt werden. Auf die Untersagung dieses Gewerbebetriebes finden die Vorschriften des §. 63 Absatz 1, auf die Beschränkung desselben die Vorschriften des §. 63 Absatz 2 entsprechende Anwendung.

Die höhere Verwaltungsbehörde ist befugt, die vom Bundesrath gemäß §. 56d getroffenen Bestimmungen auf diejenigen Ausländer entsprechend anzuwenden, welche innerhalb des Gemeindebezirks ihres Wohnortes oder ihrer gewerblichen Niederlassung auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten, oder ohne vorgängige Bestellung von Haus zu Haus eins der unter Ziffer 1 bis 3 bezeichneten Gewerbe betreiben wollen.

Artikel 7.

An die Stelle des zweiten Absatzes des §. 43 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:
Auf die Ertheilung und Versagung der Erlaubniß finden die Vorschriften der §§. 57 Nr. 1, 2, 4, 57a, 57b Nr. 1 und 2 und 63 Absatz 1 entsprechende Anwendung. Auf das bloße Anheften und Anschlagen findet der Versagungsgrund der abschreckenden Entstellung keine Anwendung.
Zur Vertheilung von Stimmzetteln und Druckschriften zu Wahlzwecken bei der Wahl zu gesetzgebenden Körperschaften ist eine polizeiliche Erlaubniß in der Zeit von der amtlichen Bekanntmachung des Wahltages bis zur Beendigung des Wahlaktes nicht erforderlich.
Dasselbe gilt auch bezüglich der nichtgewerbsmäßigen Vertheilung von Stimmzetteln und Druckschriften zu Wahlzwecken.
In geschlossenen Räumen ist zur nichtgewerbsmäßigen Vertheilung von Druckschriften oder anderen Schriften oder Bildwerken eine Erlaubniß nicht erforderlich.
An die Stelle des im §. 5 Absatz 1 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874 angezogenen §. 57 der Gewerbeordnung treten die Bestimmungen der §§. 57 Nr. 1, 2, 4, 57a, 57b Nr. 1 und 2 des gegenwärtigen Gesetzes.

Artikel 8.

An die Stelle des §. 44 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 44.

Wer ein stehendes Gewerbe betreibt, ist befugt, auch außerhalb des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Niederlassung persönlich oder durch in seinem Dienste [164] stehende Reisende für die Zwecke seines Gewerbebetriebes Waaren aufzukaufen und Bestellungen auf Waaren zu suchen.
Die aufgekauften Waaren dürfen nur behufs deren Beförderung nach dem Bestimmungsorte mitgeführt werden; von den Waaren, auf welche Bestellungen gesucht werden, dürfen nur Proben und Muster mitgeführt werden, soweit nicht der Bundesrath für bestimmte Waaren, welche im Verhältnisse zu ihrem Umfange einen hohen Werth haben und übungsgemäß an die Wiederverkäufer im Stück abgesetzt werden, zum Zweck des Absatzes an Personen, welche damit Handel treiben, Ausnahmen zuläßt.
Das Aufkaufen von Waaren darf ferner nur bei Kaufleuten oder solchen Personen, welche die Waaren produziren, oder in offenen Verkaufsstellen erfolgen.

§. 44a.

Wer in Gemäßheit des §. 44 Absatz 1 und 2 Waarenbestellungen aufsucht oder Waaren auftauft, bedarf hierzu einer Legitimationskarte, welche auf den Antrag des Inhabers des stehenden Gewerbebetriebes von der für dessen Niederlassungsort zuständigen Verwaltungsbehörde für die Dauer des Kalenderjahres und den Umfang des Reichs ausgestellt wird. Die Legitimationskarte enthält den Namen des Inhabers derselben, den Namen der Person oder der Firma, in deren Diensten er handelt, und die nähere Bezeichnung des Gewerbebetriebes.
Der Inhaber der Legitimationskarte ist verpflichtet, dieselbe während der Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung der Legitimationskarte einzustellen.
Die Legitimationskarte ist zu versagen, wenn bei demjenigen, für welchen sie beantragt wird, eine der im §. 57 Ziffer 1 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen zutrifft, außerdem darf sie nur dann versagt werden, wenn die im §. 57b Ziffer 2 bezeichnete Voraussetzung vorliegt.
Die Legitimationskarte kann durch die Behörde, welche sie ausgestellt hat, zurückgenommen werden, wenn sich ergiebt, daß eine der im §. 57 Ziffer 1 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen zur Zeit der Ertheilung derselben vorhanden gewesen, der Behörde aber unbekannt geblieben, oder nach Ertheilung derselben eingetreten ist, oder wenn bei dem Geschäftsbetriebe die im §. 44 gezogenen Schranken überschritten werden.
Wegen des Verfahrens gelten die Vorschriften des §.63 Absatz 1.
Einer Legitimationskarte bedürfen diejenigen Gewerbetreibenden nicht, welche durch die in den Zollvereins- oder Handelsverträgen vorgesehene Gewerbelegitimationskarte bereits legitimirt sind. In Betreff dieser Gewerbetreibenden finden die vorstehenden Bestimmungen über die Verpflichtung zum Mitführen der Legitimationskarte, über die Folgen der Nichterfüllung dieser Verpflichtung, sowie über die Versagung und Zurücknahme der Karte entsprechende Anwendung.

Artikel 9.

An die Stelle des §. 53 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 53.

Die in dem §. 29 bezeichneten Approbationen können von der Verwaltungsbehörde nur dann zurückgenommen werden, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird, auf Grund deren solche ertheilt worden sind, oder wenn dem Inhaber der Approbation die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, im letzteren Falle jedoch nur für die Dauer des Ehrenverlustes.
Außer aus diesen Gründen können die in den §§. 30, 30a, 32, 33, 34 und 36 bezeichneten Genehmigungen und Bestallungen in gleicher Weise zurückgenommen werden, wenn aus Handlungen oder Unterlassungen des Inhabers der Mangel derjenigen Eigenschaften, welche bei der Ertheilung der Genehmigung oder Bestallung nach der Vorschrift dieses Gesetzes vorausgesetzt werden mußten, klar erhellt. Inwiefern durch die Handlungen oder Unterlassungen eine Strafe verwirkt ist, bleibt der richterlichen Entscheidung vorbehalten.
Pfandleihern, welche vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. Juli 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 267) den Gewerbebetrieb begonnen haben, kann derselbe untersagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf den Gewerbebetrieb darthun.

Artikel 10.

In dem §. 54 der Gewerbeordnung fallen die Worte „§. 15 Absatz 2 und“ fort und ist an die Stelle von „(53)“ zu setzen: „(33a, 53)“.

Artikel 11.

An die Stelle der §§. 55 bis 63 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 55.

Wer außerhalb des Gemeindebezirks seines Wohnortes oder der durch besondere Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde dem Gemeindebezirke des Wohnortes gleichgestellten nächsten Umgebung desselben ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung und ohne vorgängige Bestellung in eigener Person

1. Waaren feilbieten,
2. Waarenbestellungen aufsuchen oder Waaren bei anderen Personen, als bei Kaufleuten, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen,
3. gewerbliche Leistungen anbieten,
4. Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder der Wissenschaft dabei obwaltet, darbieten will,

bedarf eines Wandergewerbescheins, soweit nicht für die in Ziffer 2 bezeichneten Fälle in Gemäßheit des §. 44a eine Legitimationskarte genügt.
In dem Falle der Ziffer 4 ist auch für den Marktverkehr (§. 64) ein Wandergewerbeschein erforderlich.

§. 56.

Beschränkungen, vermöge deren gewisse Waaren von dem Feilhalten im stehenden Gewerbebetriebe ganz oder theilweise ausgeschlossen sind, gelten auch für deren Feilbieten im Umherziehen.
Ausgeschlossen vom Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen sind:

1. geistige Getränke, soweit nicht das Feilbieten derselben von der Ortspolizeibehörde im Falle besonderen Bedürfnisses vorübergehend gestattet ist;
2. gebrauchte Kleider, gebrauchte Wäsche, gebrauchte Betten und gebrauchte Bettstücke, insbesondere Bettfedern, Menschenhaare, Garnabfälle, Enden und Dräumen von Seide, Wolle, Leinen oder Baumwolle;
3. Gold- und Silberwaaren, Bruchgold und Bruchsilber, sowie Taschenuhren;
4. Spielkarten;
5. Staats- und sonstige Werthpapiere, Lotterieloose, Bezugs- und Antheilscheine auf Werthpapiere und Lotterieloose;
6. explosive Stoffe, insbesondere Feuerwerkskörper, Schießpulver und Dynamit;
7. solche mineralische und andere Oele, welche leicht entzündlich sind, insbesondere Petroleum, sowie Spiritus;
8. Stoß-, Hieb- und Schußwaffen;
9. Gifte und gifthaltige Waaren, Arznei- und Geheimmittel.

Ausgeschlossen vom Feilbieten im Umherziehen sind ferner:

10. Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, insofern sie in sittlicher oder religiöser Beziehung Aergerniß zu geben geeignet sind, oder welche mittelst Zusicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben werden.

Wer Druckschriften, andere Schriften oder Bildwerke im Umherziehen feilbieten will, hat ein Verzeichniß derselben der zuständigen Verwaltungsbehörde seines Wohnortes zur Genehmigung vorzulegen. Die Genehmigung ist nur zu versagen, soweit das Verzeichniß Druckschriften, andere Schriften oder Bildwerke der vorbezeichneten Art enthält. Der Gewerbetreibende darf nur die in dem genehmigten Verzeichnisse enthaltenen Druckschriften, anderen Schriften oder Bildwerke bei sich führen, und ist verpflichtet, das Verzeichniß während der Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung des Verzeichnisses einzustellen. [167]

§. 56a.

Ausgeschlossen vom Gewerbebetriebe im Umherziehen sind ferner:

1. die Ausübung der Heilkunde, insoweit der Ausübende für dieselbe nicht approbirt ist;
2. das Aufsuchen sowie die Vermittelung von Darlehnsgeschäften und von Rückkaufsgeschäften ohne vorgängige Bestellung, ferner das Aufsuchen von Bestellungen auf Staats- und sonstige Werthpapiere, Lotterieloose und Bezugs- und Antheilscheine auf Werthpapiere und Lotterieloose;
3. das Aufsuchen von Bestellungen auf Branntwein und Spiritus bei Personen, in deren Gewerbebetriebe dieselben keine Verwendung finden

§. 56b.

Der Bundesrath ist befugt, soweit ein Bedürfniß obwaltet, anzuordnen, daß und inwiefern der Ankauf oder das Feilbieten von einzelnen der im §. 56 Absatz 2 ausgeschlossenen Waaren im Umherziehen gestattet sein soll.
Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, sowie zur Abwehr oder Unterdrückung von Seuchen kann durch Beschluß des Bundesraths und in dringenden Fällen durch Anordnung des Reichskanzlers nach Einvernehmen mit dem Ausschuß des Bundesraths für Handel und Verkehr für den Umfang des Reichs oder für Theile desselben bestimmt werden, daß und inwiefern außer den in den §§. 56 und 56a aufgeführten Gegenständen und Leistungen auch noch andere Gegenstände und Leistungen auf bestimmte Dauer von dem Gewerbebetriebe im Umherziehen ausgeschlossen sein sollen. Die Anordnung ist dem Reichstag sofort, oder, wenn derselbe nicht versammelt ist, bei seinem nächsten Zusammentritt mitzutheilen. Dieselbe ist außer Kraft zu setzen, wenn der Reichstag die Zustimmung nicht ertheilt.
Durch die Landesregierungen kann das Umherziehen mit Zuchthengsten zur Deckung von Stuten untersagt oder Beschränkungen unterworfen werden.

§. 56c.

Das Feilbieten von Waaren im Umherziehen in der Art, daß dieselben versteigert oder im Wege des Glückspiels oder der Ausspielung (Lotterie) abgesetzt werden, ist nicht gestattet. Ausnahmen von diesem Verbote dürfen von der zu ständigen Behörde zugelassen werden.
Oeffentliche Ankündigungen des Gewerbebetriebes dürfen nur unter dem Namen des Gewerbetreibenden mit Hinzufügung seines Wohnortes erlassen werden. Wird für den Gewerbebetrieb eine Verkaufsstelle benutzt, so muß an derselben in einer für Jedermann erkennbaren Weise ein den Namen und Wohnort des Gewerbetreibenden angebender Aushang angebracht werden. Dies gilt insbesondere von den Wanderlagern.

§. 56d

Ausländern kann der Gewerbebetrieb im Umherziehen gestattet werden. Der Bundesrath ist befugt, die deshalb nöthigen Bestimmungen zu treffen.

§. 57.

Der Wandergewerbeschein ist zu versagen:

1. wenn der Nachsuchende mit einer abschreckenden oder ansteckenden Krankheit behaftet oder in einer abschreckenden Weise entstellt ist;
2. wenn er unter Polizeiaufsicht steht;
3. wenn er wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen das Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Menschen, wegen vorsätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen Verbote oder Sicherungsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung ansteckender Krankheiten oder Viehseuchen, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurtheilt ist, und seit Verbüßung der Strafe drei Jahre noch nicht verflossen sind;
4. wenn er wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu, Bettelei, Landstreichern, Trunksucht übel berüchtigt ist;
5. in dem Falle des §. 55 Ziffer 4, sobald der den Verhältnissen des Verwaltungsbezirks der zuständigen Verwaltungsbehörde entsprechenden Anzahl von Personen Wandergewerbescheine ertheilt oder ausgedehnt sind (§. 60 Absatz 2).

§. 57a.

Der Wandergewerbeschein ist in der Regel zu versagen:

1. wenn der Nachsuchende noch nicht großjährig ist;
2. wenn er blind, taub oder stumm ist, oder an Geistesschwäche leidet.

§. 57b.

Der Wandergewerbeschein darf außerdem nur dann versagt werden:

1. wenn der Nachsuchende im Inlande einen festen Wohnsitz nicht hat;
2 wenn er wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen das Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Menschen, wegen vorsätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen Verbote oder Sicherungsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung ansteckender Krankheiten oder Viehseuchen, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Wochen verurtheilt ist, und seit Verbüßung der Strafe drei Jahre noch nicht verflossen sind; [169]
3. wenn er wegen Verletzung der auf den Gewerbebetrieb im Umherziehen bezüglichen Vorschriften im Laufe der letzten drei Jahre wiederholt bestraft ist;
4. wenn er ein oder mehrere Kinder besitzt, für deren Unterhalt und, sofern sie im schulpflichtigen Alter stehen, für deren Unterricht nicht genügend gesorgt ist.

§. 58.

Der Wandergewerbeschein kann zurückgenommen werden, wenn sich ergiebt, daß eine der im §. 57 Ziffer 1 bis 4, §. 57a oder §. 57b bezeichneten Voraussetzungen entweder zur Zeit der Ertheilung desselben bereits vorhanden gewesen, der Behörde aber unbekannt geblieben, oder erst nach Ertheilung des Scheins eingetreten ist.

§. 59.

Eines Wandergewerbescheins bedarf nicht:

1. wer selbstgewonnene oder rohe Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues, der Geflügel- und Bienenzucht, sowie selbstgewonnene Erzeugnisse der Jagd und Fischerei feilbietet;
2. wer in der Umgegend seines Wohnortes bis zu 15 Kilometer Entfernung von demselben selbstverfertigte Waaren, welche zu den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs gehören, feilbietet oder gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies Landesgebrauch ist, anbietet;
3. wer selbstgewonnene Erzeugnisse oder selbstverfertigte Waaren, hinsichtlich deren dies Landesgebrauch ist, zu Wasser anfährt und von dem Fahrzeuge aus feilbietet;
4. wer bei öffentlichen Festen, Truppenzusammenziehungen oder anderen außergewöhnlichen Gelegenheiten mit Erlaubniß der Ortspolizeibehörde die von derselben zu bestimmenden Waaren feilbietet.

Die Landesregierungen können in weiterem Umfange den Gewerbebetrieb im Umherziehen mit Gegenständen des gemeinen Verbrauchs ohne Wandergewerbeschein innerhalb ihres Gebietes gestatten.

§. 59a.

In den Fällen des §. 59 Ziffer 1 bis 3 kann der Gewerbebetrieb untersagt werden, wenn die Voraussetzungen des §. 57 Ziffer 1 bis 4 vorliegen.

§. 60.

Der Wandergewerbeschein wird für die Dauer des Kalenderjahres ertheilt, er berechtigt den Inhaber, in dem ganzen Gebiete des Reichs das bezeichnete Gewerbe nach Entrichtung der darauf haftenden Landessteuern zu betreiben. Soweit nach §. 56 Ziffer 1 das Feilbieten von geistigen Getränken im Falle besonderen Bedürfnisses vorübergehend gestattet wird, ist die räumliche und zeitliche Beschränkung dieser Erlaubniß im Wandergewerbescheine anzugeben.
Ein Wandergewerbeschein für den Betrieb der im §. 55 Ziffer 4 bezeichneten Gewerbe gewährt die Befugniß zum Gewerbebetriebe in einem anderen, als dem Bezirke derjenigen Verwaltungsbehörde, welche ihn ausgestellt hat, nur dann, wenn er auf den anderen Bezirk von dessen Verwaltungsbehörde ausgedehnt ist. Sowohl die Ausstellung als auch die Ausdehnung eines derartigen Wandergewerbescheins kann für eine kürzere Dauer, als das Kalenderjahr, oder für bestimmte Tage während des Kalenderjahres erfolgen. Die Ausdehnung ist zu versagen, sobald für die den Verhältnissen des Bezirks entsprechende Anzahl von Personen Wandergewerbescheine bereits ausgestellt oder ausgedehnt sind.
Die Verwaltungsbehörde kann die von ihr bewilligte Ausdehnung nach Maßgabe des §. 58 zurücknehmen.
Der Wandergewerbeschein enthält die Personalbeschreibung des Inhabers und die nähere Bezeichnung des Geschäftsbetriebes. Das Formular der Wandergewerbescheine bestimmt der Bundesrath.

§. 60a.

Wer die im §. 55 Ziffer 4 bezeichneten Gewerbe an einem Orte von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten ausüben will, bedarf der vorgängigen Erlaubniß der Ortspolizeibehörde.

§. 60b.

Minderjährigen Personen kann in dem Wandergewerbescheine die Beschränkung auferlegt werden, daß sie das Gewerbe nicht nach Sonnenuntergang, und minderjährigen Personen weiblichen Geschlechts kann außerdem die Beschränkung auferlegt werden, daß sie dasselbe nur auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, nicht aber von Haus zu Haus betreiben dürfen.
Desgleichen kann von der Ortspolizeibehörde minderjährigen Personen verboten werden, daß sie innerhalb des Polizeibezirks die im §. 59 Ziffer 1 und 2 aufgeführten Gegenstände nach Sonnenuntergang, und minderjährigen Personen weiblichen Geschlechts, daß sie dieselben Gegenstände von Haus zu Haus feilbieten.

§. 60c.

Der Inhaber eines Wandergewerbescheins ist verpflichtet, diesen während der Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung des Wandergewerbescheins einzustellen. Auf gleiches Erfordern hat er die von ihm geführten Waaren vorzulegen.
Zum Zweck des Gewerbebetriebes ist ohne vorgängige Erlaubniß der Eintritt in fremde Wohnungen, sowie zur Nachtzeit das Betreten fremder Häuser und Gehöfte nicht gestattet.
Denselben Bestimmungen – Absatz 2 – unterliegt das Feilbieten der im §. 59 Ziffer 1 und 2 aufgeführten Gegenstände.

§. 60d.

Der Wandergewerbeschein darf einein Anderen nicht zur Benutzung überlassen werden.
Wer für einen Anderen ein Gewerbe im Umherziehen zu betreiben beabsichtigt, unterliegt für seine Person den Bestimmungen dieses Gesetzes.
Wenn mehrere Personen die im §. 55 Ziffer 4 bezeichneten Gewerbe in Gemeinschaft mit einander zu betreiben beabsichtigen, so kann auf ihren Antrag ein gemeinsamer Wandergewerbeschein für die Gesellschaft als solche ausgestellt werden, in welchem jedes einzelne Mitglied aufzuführen ist. Werden für die einzelnen Mitglieder besondere Wandergewerbescheine ausgestellt, so kann in die letzteren ein Vermerk aufgenommen weiden, nach welchem dem Inhaber der Gewerbebetrieb nur im Verbande einer bestimmten Gesellschaft, oder einer Gesellschaft überhaupt, gestattet sein soll.
Umherziehenden Schauspielergesellschaften wird der Wandergewerbeschein nur dann ertheilt, wenn der Unternehmer die im §. 32 vorgeschriebene Erlaubniß besitzt. In dem Wandergewerbescheine für den Unternehmer einer Schauspielergesellschaft ist ausdrücklich zu vermerken, daß der Gewerbetreibende als Unternehmer auftreten will.

§. 61.

Die Ertheilung des Wandergewerbescheins erfolgt durch die für den Wohnort oder Aufenthaltsort des Nachsuchenden zuständige höhere Verwaltungsbehörde. Die Verwaltungsbehörde des Aufenthaltsortes kann den Nachsuchenden an die Behörde seines Wohnortes verweisen.
In dem Falle des §. 55 Ziffer 4 erfolgt die Ertheilung des Wandergewerbescheins durch die höhere Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk das Gewerbe betrieben werden soll.
Die Zurücknahme des Wandergewerbescheins erfolgt durch die für den Wohnort oder Aufenthaltsort des Inhabers zuständige höhere Verwaltungsbehörde.

§. 62.

Wer beim Gewerbebetriebe im Umherziehen andere Personen von Ort zu Ort mit sich führen will, bedarf der Erlaubniß derjenigen Behörde, welche den Wandergewerbeschein ertheilt hat, oder in deren Bezirk sich der Nachsuchende befindet. Die Erlaubniß wird in dem Wandergewerbescheine unter näherer Bezeichnung dieser Personen vermerkt.
Die Erlaubniß ist zu versagen, insoweit bei ihnen eine der im §. 57 bezeichneten Voraussetzungen zutrifft; außerdem darf dieselbe nur dann versagt werden, insoweit eine der im §. 57a und §. 57b bezeichneten Voraussetzungen vorliegt. Die Zurücknahme der Erlaubniß erfolgt nach Maßgabe des §. 58 durch eine für deren Ertheilung zuständige Behörde.
Die Mitführung von Kindern unter vierzehn Jahren zu gewerblichen Zwecken ist verboten.
Die Erlaubniß zur Mitführung von Kindern, welche schulpflichtig sind, ist zu versagen und die bereits ertheilte Erlaubniß zurückzunehmen, wenn nicht für einen ausreichenden Unterricht der Kinder gesorgt ist.
Die Erlaubniß zur Mitführung von Kindern unter vierzehn Jahren kann versagt und von der für die Ertheilung derselben zuständigen Behörde zurückgenommen werden. Dasselbe gilt von der Erlaubniß zur Mitführung von Personen anderen Geschlechts mit Ausnahme der Ehegatten und der über vierzehn Jahre alten eigenen Kinder und Enkel.

§. 63.

Wird der Wandergewerbeschein versagt oder zurückgenommen, oder wird die erfolgte Ausdehnung desselben zurückgenommen, so ist dies dem Betheiligten mittelst schriftlichen Bescheides unter Angabe der Gründe zu eröffnen. Gegen den Bescheid ist der Rekurs zulässig, jedoch ohne aufschiebende Wirkung. Wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§. 20 und 21. Dasselbe gilt von der Versagung der Genehmigung des Druckschriftenverzeichnisses (§. 56 Absatz 4), von der Untersagung des Gewerbebetriebes gemäß §. 59a und der Versagung oder Zurücknahme der Erlaubniß in den Fällen des §. 62 Absatz 2.
Die in Gemäßheit des §. 57 Ziffer 5 erfolgte Versagung des Wandergewerbescheins, sowie die auf Grund der §§. 60 Absatz 2, 60b und 62 Absatz 4 und 5 getroffenen Verfügungen können nur im Wege der Beschwerde an die unmittelbar vorgesetzte Aufsichtsbehörde angefochten werden.

Artikel 12.

An die Stelle der §§. 83 und 86 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 83.

Von dem Eintritte in eine Innung können diejenigen ausgeschlossen werden:

1. welche sich nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden;

oder

2. welche in Folge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind.

§. 86.

Durch Beschluß der Innung kann von Ausübung des Stimmrechts, sowie der Ehrenrechte innerhalb der Innung derjenige ausgeschlossen werden, welcher in einem der im §. 83 unter 1, 2 bezeichneten Verhältnisse sich befindet.

Artikel 13.

An die Stelle der §§. 108 und 137 Absatz 1 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 108.

Das Arbeitsbuch wird dem Arbeiter durch die Polizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem er zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat, wenn aber ein solcher im Gebiete des Deutschen Reichs nicht stattgefunden hat, von der Polizeibehörde des von ihm zuerst erwählten deutschen Arbeitsortes kosten- und stempelfrei ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters oder Vormundes; ist die Erklärung des Vaters nicht zu beschaffen, oder verweigert der Vater die Zustimmung ohne genügenden Grund und zum Nachtheile des Arbeiters, so kann die Gemeindebehörde die Zustimmung desselben ergänzen. Vor der Ausstellung ist nachzuweisen, daß der Arbeiter zum Besuche der Volksschule nicht mehr verpflichtet ist, und glaubhaft zu machen, daß bisher ein Arbeitsbuch für ihn noch nicht ausgestellt war.

§. 137 Absatz 1.

Die Beschäftigung eines Kindes in Fabriken ist nicht gestattet, wenn dem Arbeitgeber nicht zuvor für dasselbe eine Arbeitskarte eingehändigt ist. Dasselbe gilt hinsichtlich der noch zum Besuche der Volksschule verpflichteten jungen Leute zwischen vierzehn und sechszehn Jahren. Eines Arbeitsbuches bedarf es in diesem Falle nicht.

Artikel 14.

I. An die Stelle des §. 143, des §. 145, des §. 146, des §. 148 Ziffer 5, 6 und 7, des §. 149 und des §. 150 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

§. 143.

Die Berechtigung zum Gewerbebetriebe kann, abgesehen von den in den Reichsgesetzen vorgesehenen Fällen ihrer Entziehung, weder durch richterliche, noch administrative Entscheidung entzogen werden.
Ausnahmen von diesem Grundsatze, welche durch die Steuergesetze begründet sind, bleiben so lange aufrecht erhalten, als diese Steuergesetze in Kraft bleiben.
Die Bestimmungen der Landesgesetze, nach welchen die Befugniß zur Herausgabe von Druckschriften und zum Vertriebe derselben innerhalb des Reichsgebiets im Verwaltungswege entzogen werden darf, werden hierdurch aufgehoben.

§. 145.

Für das Mindestmaß der Strafen, das Verhältniß von Geldstrafe zur Freiheitsstrafe, sowie für die Verjährung der in den §§. 146 und 153 verzeichneten Vergehen sind die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich maßgebend.
Die übrigen in diesem Titel mit Strafe bedrohten Handlungen verjähren binnen drei Monaten, von dem Tage an gerechnet, an welchem sie begangen sind.

§. 146.

Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unvermögensfalle mit Gefängniß bis zu sechs Monaten werden bestraft:

1. Gewerbetreibende, welche bei der Zahlung des Lohnes oder bei den: Verkauf von Waaren an die Arbeiter dem §. 115 zuwiderhandeln;
2. Gewerbetreibende, welche den §§. 135, 136 oder den auf Grund der §§. 139, 139a getroffenen Verfügungen zuwider Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeitern Beschäftigung geben;
3. Gewerbetreibende, welche der Bestimmung im §. 111 entgegen die Eintragung mit einem Merkmale versehen, welches den Inhaber des Arbeitsbuches günstig oder nachtheilig zu kennzeichnen bezweckt;
4. wer §. 56 Ziffer 6 zuwiderhandelt.

Die Geldstrafen fließen der im §. 116 bezeichneten Kasse zu.

§. 148.

5. wer dem §. 33b oder außer den im §. 149 Ziffer 1 vorgesehenen Fällen den §§. 42a bis 44a zuwiderhandelt, oder seine Legitimationskarte (§. 44a) oder seinen Wandergewerbeschein (§. 55) einem Anderen zur Benutzung überläßt;
6. wer zum Zweck der Erlangung einer Legitimationskarte, eines Wandergewerbescheins oder der im §. 62 vorgesehenen Erlaubniß in Bezug auf seine Person, oder die Personen, die er mit sich zu führen beabsichtigt, wissentlich unrichtige Angaben macht;
7. wer ein Gewerbe im Umherziehen ohne den gesetzlich erforderlichen Wandergewerbeschein, ungleichen wer eines der im §. 59 Ziffer 1 bis 3 bezeichneten Gewerbe der nach §. 59a ergangenen Untersagung zuwider betreibt;
7a. wer dem §. 56 Absatz 1, Absatz 2 Ziffer 1 bis 5, 7 bis 9, Absatz 3, §. 56a oder §. 56b zuwiderhandelt;
7b. wer den Vorschriften der §§. 56c, 60a, 60b Absatz 2 oder 60c Absatz 2 und 3 zuwiderhandelt; ::7c. wer einer ihm in Gemäßheit des §. 60 Absatz 1, §. 60b Absatz 1 oder des §. 60d Absatz 3 in dem Wandergewerbescheine auferlegten Beschränkung zuwiderhandelt;
7d. wer bei dem Gewerbebetriebe im Umherziehen Kinder unter vierzehn Jahren zu gewerblichen Zwecken mit sich führt;
7e. ein Ausländer, welcher bei dem Gewerbebetriebe im Umherziehen den in Gemäßheit des §. 56d vom Bundesrath getroffenen Bestimmungen zuwiderhandelt.

§. 149.

Mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu acht Tagen wird bestraft:

1. wer den im §. 42b vorgesehenen Erlaubnißschein oder den im §. 43 vorgesehenen Legitimationsschein während der Ausübung des Gewerbebetriebes nicht bei sich führt, oder den Bestimmungen des §. 44a Absatz 2 zuwiderhandelt;
2. wer bei dem Gewerbebetriebe im Umherziehen dem letzten Absatz des §. 56 oder dem §. 60c Absatz 1 zuwiderhandelt;
3. wer ein Gewerbe im Umherziehen, für welches ihm ein auf einen bestimmten Bezirk lautender Wandergewerbeschein ertheilt ist, unbefugt in einem anderen Bezirke betreibt;
4. wer ein Gewerbe im Umherziehen mit anderen Waarengattungen oder unter Darbietung anderer Leistungen betreibt, als sein Wandergewerbeschein angiebt;
5. wer bei dem Gewerbebetriebe im Umherziehen unbefugt Personen mit sich führt, oder einen Gewerbetreibenden, zu welchem er nicht in dem Verhältnisse eines Ehegatten, Kindes oder Enkels steht, unbefugt begleitet;
6. wer den polizeilichen Anordnungen wegen des Marktverkehrs zuwiderhandelt;
7. wer es unterläßt, den durch §§. 138 und 139b für ihn begründeten Verpflichtungen nachzukommen;
8. wer, ohne einer Innung als Mitglied anzugehören, sich als Innungsmeister bezeichnet.

Die Unterlassung einer durch das Gesetz oder durch Statuten vorgeschriebenen Anzeige über Innungsverhältnisse an die Behörden, sowie Unrichtigkeiten in einer solchen Anzeige werden gegen die Mitglieder des Vorstandes der Innung oder des Innungsverbandes mit der gleichen Strafe geahndet.
In allen diesen Fällen bleibt die Strafe ausgeschlossen, wenn die strafbare Handlung zugleich eine Zuwiderhandlung gegen die Steuergesetze enthält.

§. 150.

Mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu drei Tagen für jeden Fall der Verletzung des Gesetzes wird bestraft:

1. wer den Bestimmungen der §§. 106 bis 112 zuwider einen Arbeiter in Beschäftigung nimmt oder behält;
2. wer außer dem im §. 146 Ziffer 3 vorgesehenen Falle den Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeitsbücher und Arbeitskarten zuwiderhandelt;
3. wer vorsätzlich ein auf seinen Namen ausgestelltes Arbeitsbuch unbrauchbar macht oder vernichtet.

II. An die Stelle des §. 154 Absatz 3 tritt folgende Bestimmung:

In gleicher Weise finden Anwendung die Bestimmungen der §§. 115 bis 119, 135 bis 139b, 152 und 153 auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben.

Artikel 15.

Die Artikel 1 bis 14 treten am 1. Januar 1884 in Kraft.

Artikel 16.

Der Reichskanzler wird ermächtigt, den Text der Gewerbeordnung, wie er sich aus den Aenderungen ergiebt, welche in diesem Gesetze und den Gesetzen vom

12. Juni 1872, Reichs-Gesetzblatt Seite 170,
2. März 1874, Reichs-Gesetzblatt Seite 19,
8. April 1876, Reichs-Gesetzblatt Seite 134,
17. Juli 1878, Reichs-Gesetzblatt Seite 199,
23. Juli 1879, Reichs-Gesetzblatt Seite 267,
15. Juli 1880, Reichs-Gesetzblatt Seite 179,

und vom

18. Juli 1881, Reichs-Gesetzblatt Seite 233,

sowie durch die am 26. Juli 1881 und 21. April 1883 bekannt gemachten, vom Reichstag genehmigten Beschlüsse des Bundesraths (Reichs-Gesetzblatt des Jahres 1882 Seite 10 und des Jahres 1883 Seite 33) festgestellt sind, durch das Reichs-Gesetzblatt bekannt zu machen.
Dabei sind an Stelle der Ausdrücke: Norddeutscher Bund, Bundesgebiet, Bundesangehörige, die dem Deutschen Reich entsprechenden Bezeichnungen anzuwenden, die Thalerwährung in Reichswährung zu verändern, und ist in Gemäßheit des Gesetzes vom 11. Juni 1878, betreffend den Gewerbebetrieb der Maschinisten auf Seedampfschiffen (Reichs-Gesetzblatt Seite 109), der §. 31 Absatz 1, wie folgt, zu fassen:

„Seeschiffer, Seesteuerleute, Maschinisten der Seedampfschiffe und Lootsen müssen sich über den Besitz der erforderlichen Kennmisse durch ein Befähigungszeugniß der zuständigen Verwaltungsbehörde ausweisen.“

Die §§. 15 Absatz 3, 24 Absatz 3 und 156 sind in Wegfall zu bringen.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Bad Ems, den 1. Juli 1883.

(L. S.) Wilhelm.

Fürst v. Bismarck.