Die Rechte an Grundstücken in den deutschen Schutzgebieten

Titel: Kaiserliche Verordnung, betreffend die Rechte an Grundstücken in den deutschen Schutzgebieten.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1902, Nr. 47, Seite 283 – 290
Fassung vom: 21. November 1902
Bekanntmachung: 29. November 1902
Quelle: Scan auf Commons

(Nr. 2910.) Kaiserliche Verordnung, betreffend die Rechte an Grundstücken in den deutschen Schutzgebieten. Vom 21. November 1902.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des §. 3 des Schutzgebietsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1900 S. 813) in Verbindung mit §. 21 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 213) für die deutschen Schutzgebiete, im Namen des Reichs, was folgt:

I. Allgemeine Vorschriften.

§. 1.

Die im §. 19 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten, dem bürgerlichen Rechte angehörenden Vorschriften über die Rechte an Grundstücken finden nach Maßgabe des §. 20 Abs. 1 des genannten Gesetzes Anwendung, soweit sich nicht aus dieser Verordnung ein Anderes ergiebt.
Die nach den §§. 2, 85 bis 92 der Grundbuchordnung vom 24. März 1897 (Reichs-Gesetzbl. 1897 S. 139, 1898 S. 754) durch landesherrliche Verordnung zu erlassenden Vorschriften werden vom Reichskanzler oder mit dessen Genehmigung vom Gouverneur erlassen.

§. 2.

Die Vorschriften der Artikel 186, 189 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, des §. 82 der Grundbuchordnung und der preußischen Verordnung, betreffend das Grundbuchwesen, vom 13. November 1899 (Gesetz-Samml. S. 519) finden keine Anwendung.
Die im §. 1 Abs. 1 bezeichneten Vorschriften finden auf das Bergwesen, die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung nur soweit Anwendung, als der Reichskanzler oder mit seiner Genehmigung der Gouverneur sie für anwendbar erklärt.
Der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur können Vorschriften über den Erwerb, die dingliche Belastung und das Erlöschen des Bergwerkseigenthums sowie dessen Verhältniß zu anderen Rechten erlassen.

§. 3.

Bei der Auflassung bedarf es nicht der gleichzeitigen Anwesenheit beider Theile; auch brauchen diese ihre Erklärungen nicht mündlich vor dem Grundbuchamt abzugeben.

§. 4.

Ins Grundbuch einzutragende Geldbeträge können in der im Schutzgebiete geltenden Währung angegeben werden.

§. 5.

Der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur bestimmen die Voraussetzungen für den Erwerb von Rechten an herrenlosem Lande und an Kronland. Die hierauf bezüglichen, in den einzelnen Schutzgebieten bestehenden Vorschriften bleiben in Kraft, bis sie nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen aufgehoben werden. Entgegen den bestehenden oder zu erlassenden Vorschriften findet ein Erwerb von Rechten nicht statt.

§. 6.

In Ansehung der den Eingeborenen oder anderen Farbigen gehörigen Grundstücke gelten folgende Vorschriften:

1. Wenn und insoweit es im öffentlichen Interesse nothwendig erscheint, sind der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur ermächtigt, den Erwerb des Eigenthums oder dinglicher Rechte an solchen Grundstücken sowie ihre Benutzung durch Dritte an besondere Bedingungen oder an eine obrigkeitliche Genehmigung zu knüpfen oder zu untersagen. Das Gleiche gilt von dem Erwerb und der Belastung dieser Grundstücke im Wege der Zwangsvollstreckung. Die Vorschriften des §. 5 Satz 2 und 3 finden entsprechende Anwendung.
2. Im Uebrigen finden die Vorschriften dieser Verordnung auf die bezeichneten Grundstücke nur dann Anwendung, wenn für das Grundstück ein Grundbuchblatt angelegt oder das Grundstück in ein Landregister (§. 19) eingetragen ist. Inwieweit Eingeborene oder andere Farbige zur Eintragung ihrer Grundstücke in das Grundbuch berechtigt sind oder hierzu angehalten werden können, bestimmen der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur.
3. Der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur können bestimmen, daß zu Gunsten Eingeborener oder anderer Farbiger

a) andere Formen der dinglichen Belastung für die bezeichneten Grundstücke, als die des Dritten Buches des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Artikel 40 des preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, zulässig sind,
b) gewisse Nutzungsrechte, selbst wenn sie unvererblich oder unübertragbar sind, Grundbuchblätter erhalten können, und daß auf diese Nutzungsrechte die auf Grundstücke Eingeborener sich beziehenden Vorschriften Anwendung finden.

II. Anlegung neuer Grundbuchblätter.

§. 7.

Die Anlegung eines Grundbuchblatts ist nur statthaft, soweit Flurkarten bereits angelegt oder die Vermessung des Grundstücks und die Aufnahme einer Karte ausführbar sind. Die Voraussetzungen, unter denen die Vermessung als ausführbar zu erachten ist, bestimmt der Reichskanzler. Derselbe kann die Anlegung für einzelne Fälle auch zulassen, wenn eine Vermessung im Sinne dieses Paragraphen nicht ausführbar oder mit Kosten verbunden sein würde, die zum Werthe des Grundstücks in keinem Verhältnisse stehen.

§. 8.

Die Anlegung des Grundbuchblatts erfolgt auf Antrag des Eigenthümers oder desjenigen, welcher auf Grund eines gegen den Eigenthümer vollstreckbaren Titels eine Eintragung im Grundbuche verlangen kann, sofern die Zulässigkeit dieser Eintragung von der vorgängigen Eintragung des Eigenthümers abhängt.
Der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur können vorschreiben, daß, in welcher Weise und mit welcher Wirkung der Eigenthümer von Amtswegen zur Stellung des Antrags (Abs. 1) anzuhalten ist. Die hierauf bezüglichen, in den einzelnen Schutzgebieten bestehenden Vorschriften bleiben in Kraft, bis sie nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmung aufgehoben werden.

§. 9.

Mit dem Antrage hat der Antragsteller durch Urkunden, Bescheinigungen öffentlicher Behörden oder auf andere Weise glaubhaft zu machen, daß er das Grundstück als Eigenthümer erworben oder in ungestörtem Besitze hat.
In dem Antrag ist das einzutragende Grundstück nach Lage und Begrenzung, nach seinem etwaigen besonderen Namen und sonstigen Kennzeichen sowie thunlichst nach Kultur oder Art der Benutzung und Größe zu bezeichnen.
Dem Antrag ist eine das Grundstück veranschaulichende Karte beizufügen. Die Vorschrift des §. 7 Satz 3 bleibt unberührt.

§. 10.

Der Anlegung des Grundbuchblatts muß ein Aufgebot vorhergehen.

§. 11.

Das Aufgebot wird von dem Grundbuchamt erlassen. In das Aufgebot ist aufzunehmen:

1. die Bezeichnung des Antragstellers,
2. die Bezeichnung des aufgebotenen Grundstücks,
3. die Aufforderung an alle diejenigen, welche das Eigenthum oder ein anderes zur Eintragung in das Grundbuch geeignetes Recht an dem Grundstück in Anspruch nehmen, ihre Rechte und Ansprüche bis zu einem bestimmten Termin anzumelden und glaubhaft zu machen, widrigenfalls die Anlegung des Grundbuchblatts ohne Rücksicht auf ihre Rechte und Ansprüche erfolgen werde.
Das Aufgebot ist durch Aushang an der für öffentliche Bekanntmachungen bestimmten Stelle und in sonst geeigneter Weise bekannt zu machen.
Zwischen der ersten öffentlichen Bekanntmachung und dem Termine muß eine Frist von mindestens drei Monaten liegen.

§. 12.

Ist bis zum Ablaufe des Termins ein anderweitiger Eigenthumsanspruch nicht angemeldet oder nicht glaubhaft gemacht, so erfolgt die Anlegung des Grundbuchblatts. Das Grundbuchamt ist auch befugt, ihm bekannt und glaubhaft gewordene Ansprüche Dritter von Amtswegen zu berücksichtigen. Bei widerstreitenden Ansprüchen kann die Anlegung erst erfolgen, nachdem die Betheiligten ihre Ansprüche zum Austrage gebracht haben.

§. 13.

Die bis zum Ablaufe des Termins angemeldeten Rechte (§. 11 Nr. 3) werden bei der Anlegung des Grundbuchblatts eingetragen, wenn der Antragsteller das beanspruchte Recht anerkennt oder wenn die Voraussetzungen der Eintragung gemäß den Vorschriften dieser Verordnung vorliegen.
Anderenfalls wird, sofern das beanspruchte Recht glaubhaft gemacht ist, zur Sicherung ein Widerspruch eingetragen.
Die Festsetzung der Rangordnung der bis zum Ablaufe des Termins angemeldeten Rechte erfolgt, falls sich die Betheiligten nicht einigen, im Rechtswege.

§. 14.

Das Grundbuchamt kann ohne Erlaß eines Aufgebots die Anlegung eines Grundbuchblatts bewirken:

1. wenn dem Antrag auf Eintragung des Grundstücks eine Ueberweisung von früher herrenlosem Lande zu Grunde liegt und die Ueberweisung und Besitzergreifung nach Maßgabe eines mit dem Fiskus abgeschlossenen Vertrags oder einer von Regierungswegen ertheilten Berechtigung erfolgt ist,
2. wenn die Anlegung gemäß §. 8 von einem Berechtigten beantragt wird, dessen Anspruch nach Maßgabe einer der folgenden Vorschriften als rechtsgültig festgestellt worden ist:

a) in den Schutzgebieten der Südsee, mit Ausnahme von Samoa, nach Maßgabe der Nr. IV der Erklärung, betreffend die gegenseitige Handels- und Verkehrsfreiheit in den deutschen und englischen Besitzungen und Schutzgebieten im westlichen Stillen Ozean, vom 10. April 1886,
b) in Deutsch-Neu-Guinea nach Maßgabe der §§. 6 bis 11 der Verordnung, betreffend den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke im Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie, vom 20. Juli 1887 (Reichs-Gesetzbl. S. 379),
c) in Samoa nach Maßgabe des Artikel IV der Generalakte der Samoakonferenz in Berlin vom 14. Juni 1889,
d) im Schutzgebiete der Marschallinseln nach Maßgabe der §§. 6, 7 der Verordnung, betreffend den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke im Schutzgebiete der Marschallinseln, vom 22. Juni 1889 (Reichs-Gesetzbl. S. 145),
e) in Deutsch-Südwestafrika nach Maßgabe der Verordnung, betreffend das Bergwesen im südwestafrikanischen Schuhgebiete, vom 6. September 1892 (Reichs-Gesetzbl. S. 789) und der Verordnung, betreffend das Aufgebot von Landansprüchen im südwestafrikanischen Schutzgebiete, vom 2. April 1893 (Reichs-Gesetzbl. S. 143),
f) im Inselgebiete der Karolinen, Palau und Marianen nach Maßgabe des §. 13 der Verordnung, betreffend die vorläufige Regelung der Verwaltung und Rechtsverhältnisse im Inselgebiete der Karolinen, Palau und Marianen, vom 26. September 1899.

§. 15.

Im Falle des §. 14 erfolgt nach Anlegung des Grundbuchblatts eine Aufforderung an alle diejenigen, welche zur Eintragung in das Grundbuch geeignete Rechte an dem Grundstück in Anspruch nehmen, ihre Rechte bis zu einem bestimmten Termin anzumelden und glaubhaft zu machen, widrigenfalls sie bei etwaigen anderweitigen Anträgen, auf Eintragungen nicht berücksichtigt werden würden. Hierbei finden die Vorschriften des §. 11 Abs. 2, 3 und des §. 12 entsprechende Anwendung.
Der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur können vorschreiben, daß, und unter welchen Voraussetzungen die Vorschrift des Abs. 1 außer Anwendung bleibt.

§. 16.

Die Vorschriften der §§. 14 und 15 finden auch Anwendung, wenn die Ansprüche aus Ueberweisungen von früher herrenlosem Lande oder die als rechtsgültig anerkannten Ansprüche im Wege der Rechtsnachfolge auf den Antragsteller übergegangen sind.

§. 17.

Im Schutzgebiete Kiautschou finden die Vorschriften des §. 8, des §. 9 Abs. 1 und der §§. 10 bis 16 keine Anwendung. Daselbst gelten die folgenden Bestimmungen:

Die Anlegung des Grundbuchblatts für ein Grundstück erfolgt entweder für den Fiskus auf den Antrag der dazu berechtigten Behörde oder für denjenigen, welcher das Grundstück von dem Fiskus erworben hat. Bei der Anlegung ist zur Legitimation des Fiskus als Eigenthümer dem Grundbuchamte gegenüber die schriftliche Erklärung des Gouverneurs, daß der Fiskus das Eigenthum erworben hat, erforderlich und ausreichend.
Zur Verfügung über ein dem Fiskus gehöriges Grundstück, welches im Grundbuche nicht eingetragen ist, bedarf es der vorgängigen Anlegung eines Grundbuchblatts nicht.

III. Vorschriften, betreffend Grundstücke, für die ein Grundbuchblatt noch nicht angelegt worden ist.

§. 18.

Die im §. 1 Abs. 1 bezeichneten Vorschriften, welche die Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken betreffen, finden auf Grundstücke, für welche ein Grundbuchblatt nicht angelegt ist, keine Anwendung.
Zur Uebertragung des Eigenthums an einem solchen Grundstück ist die Einigung des Veräußerers und des Erwerbers erforderlich und ausreichend. Die Erklärungen müssen in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden. Es genügt die Beglaubigung durch eine öffentliche Behörde des Schutzgebiets.
Die Uebertragung des Eigenthums kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.

§. 19.

Der Eigenthümer kann sein Eigenthum in ein von dem zuständigen Grundbuchamte zu führendes Landregister eintragen lassen. Dasselbe Recht steht demjenigen zu, welcher auf Grund eines gegen den Eigenthümer vollstreckbaren Titels die Anlegung eines Grundbuchblatts verlangen kann (§. 8 Abs. 1). Die Vorschrift des §. 8 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

§. 20.

Bei dem Antrag auf Eintragung des Eigenthums ist dessen Erwerb nachzuweisen.
Das Grundstück ist so genau wie möglich zu bezeichnen. Das Grundbuchamt befindet darüber, ob die Bezeichnung genau genug ist oder nicht.

§. 21.

Ist im Landregister Jemand als Eigenthümer eines Grundstücks eingetragen, so wird vermuthet, daß er der Eigenthümer ist.

§. 22.

Die im §. 18 Abs. 1 bezeichneten Grundstücke können mit anderen Rechten als mit Hypotheken und Grundschulden nicht belastet werden.
In Ansehung der Hypotheken und Grundschulden tritt das Landregister an die Stelle des Grundbuchs; der öffentliche Glaube des Landregisters erstreckt sich jedoch auch in Ansehung der Hypotheken und Grundschulden nicht darauf, daß der als Eigenthümer des Grundstücks in das Register Eingetragene der wirkliche Eigenthümer ist.

§. 23.

Eine Hypothek oder Grundschuld kann nur in der Weise bestellt werden, daß die Ertheilung eines Hypotheken- oder Grundschuldbriefs ausgeschlossen ist.

§. 24.

Im Schutzgebiete Kiautschou finden die Vorschriften der §§. 18 bis 23 keine Anwendung.

IV. Schlußbestimmungen.

§. 25.

Das Eigenthum an denjenigen Grundstücken, welche dem Reiche nach gesetzlicher Vorschrift, insbesondere nach §. 1 der Verordnung über die Schaffung, Besitzergreifung und Veräußerung von Kronland und über den Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken in Deutsch-Ostafrika im Allgemeinen vom 26. November 1895, und nach §. 1 der Verordnung über die Schaffung, Besitzergreifung und Veräußerung von Kronland und über den Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken im Schutzgebiete von Kamerun vom 15. Juni 1896, oder in Folge Erwerbes durch Rechtsgeschäft zur Zeit der Verkündung dieser Verordnung gehören, gilt als dem Fiskus des Schutzgebiets erworben, in welchem das betreffende Grundstück liegt. Das Gleiche gilt in Ansehung dinglicher Rechte an Grundstücken.
Die Vorschrift des Abs. 1 findet auf marine- und postfiskalische Grundstücke sowie auf Grundstücke im Schutzgebiete der Marschallinseln keine Anwendung.

§. 26.

Der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur haben die zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen Bestimmungen, insbesondere über die Einrichtung und Führung der Grundbücher und Landregister, zu erlassen.

§. 27.

Die in dieser Verordnung dem Reichskanzler zugewiesenen Obliegenheiten werden in dessen Vertretung für die Schutzgebiete Afrikas und der Südsee durch das Auswärtige Amt (Kolonial-Abtheilung), für das Schutzgebiet Kiautschou durch das Reichs-Marine-Amt wahrgenommen.
Der Ausdruck Gouverneur bezieht sich im Sinne dieser Verordnung auch auf den Landeshauptmann des Schutzgebiets der Marschallinseln und den Vizegouverneur im Inselgebiete der Karolinen, Palau und Marianen.

§. 28.

Diese Verordnung tritt am 1. April 1903 in Kraft. Gleichzeitig treten, soweit sich nicht aus den §§. 5, 6, 8, 14 ein Anderes ergiebt, außer Kraft:

1. die Verordnung, betreffend den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke im Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie, vom 20. Juli 1887 (Reichs-Gesetzbl. S. 379),
2. die Verordnung, betreffend den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke im Schutzgebiete der Marschallinseln, vom 22. Juni 1889 (Reichs-Gesetzbl. S. 145),
3. die Verordnung, betreffend die Begründung von Pfandrechten an Grundstücken in Deutsch-Ostafrika, vom 18. März 1892,
4. die Verordnung, betreffend die Registrirung von Landtiteln auf Samoa, vom 19. Januar 1894,
5. die Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen in Deutsch-Ostafrika, vom 24. Juli 1894,
6. die Verordnung, betreffend Regelung des Grunderwerbs in Kiautschou, vom 2. September 1898,
7. die Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen in Deutsch-Südwestafrika, vom 5. Oktober 1898 (Reichs-Gesetzbl. S. 1063),
8. die Vorschrift des §. 3 Satz 1 der Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den deutschen Schutzgebieten, vom 9. November 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 1005),
9. die Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse an Grundstücken in Kamerun, vom 24. Juni 1901,
10. die Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse an Grundstücken in Togo, vom 5. November 1901,
11. die zu den unter Ziffer 1 bis 7, 9, 10 aufgeführten Verordnungen ergangenen Ausführungsvorschriften.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben an Bord Meiner Yacht „Hohenzollern“, Helgoland, den 21. November 1902.

(L. S.)  Wilhelm. 

  Graf von Bülow.




Schutzgebietsgesetz

Titel: Bekanntmachung wegen Redaktion des Schutzgebietsgesetzes.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1900, Nr. 40, Seite 812 – 817
Fassung vom: 10. September 1900
Bekanntmachung: 13. September 1900
Quelle: Scan auf Commons

(Nr. 2712.) Bekanntmachung wegen Redaktion des Schutzgebietsgesetzes. Vom 10. September 1900.

Auf Grund des Artikel 2 des Gesetzes vom 25. Juli 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 809) wird der Text des Schutzgebietsgesetzes nachstehend bekannt gemacht.

Berlin, den 10. September 1900.

Der Reichskanzler. 

Fürst zu Hohenlohe.__________________

Schutzgebietsgesetz.

§. 1.

Die Schutzgewalt in den deutschen Schutzgebieten übt der Kaiser im Namen des Reichs aus.

§. 2.

Auf die Gerichtsverfassung in den Schutzgebieten finden die Vorschriften der §§. 5, 7 bis 15, 17, 18 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 213) mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß an die Stelle des Konsuls der von dem Reichskanzler zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte und an die Stelle des Konsulargerichts das in Gemäßheit der Vorschriften über das letztere zusammengesetzte Gericht des Schutzgebiets tritt.

§. 3.

In den Schutzgebieten gelten die im §. 19 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Vorschriften der Reichsgesetze und preußischen Gesetze. Die Vorschriften der §§. 20 bis 22, des §. 23 Abs. 1 bis 3 und 5, der §§. 26, 29 bis 31, 33 bis 35, 37 bis 45, 47, 48, 52 bis 75 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit finden entsprechende Anwendung.

§. 4.

Die Eingeborenen unterliegen der im §. 2 geregelten Gerichtsbarkeit und den im §. 3 bezeichneten Vorschriften nur insoweit, als dies durch Kaiserliche Verordnung bestimmt wird. Den Eingeborenen können durch Kaiserliche Verordnung bestimmte andere Theile der Bevölkerung gleichgestellt werden.

§. 5.

Die Militärgerichtsbarkeit wird durch dieses Gesetz nicht berührt.

§. 6.

Durch Kaiserliche Verordnung kann:

1. in Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich sind, Gefängniß bis zu einem Jahre, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände angedroht werden;
2. vorgeschrieben werden, daß in Strafsachen

a) die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft mit der Maßgabe eintritt, daß, soweit die Staatsanwaltschaft zuständig ist, die Vorschriften der §§. 56, 65 und des §. 71 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit außer Anwendung bleiben,
b) eine Voruntersuchung stattfindet, deren Regelung der Verordnung vorbehalten bleibt,
c) der §. 9 Abs. 2 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit keine Anwendung findet;
3. angeordnet werden, daß in Strafsachen, wenn der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Handlung zum Gegenstande hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder zu den in den §§. 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Vergehen gehört, in der Hauptverhandlung eine Zuziehung von Beisitzern nicht erforderlich ist;
4. die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen den Gerichten der Schutzgebiete in der Weise übertragen werden, daß für diese Sachen, soweit nicht auf Grund der Nr. 2 etwas Anderes bestimmt wird, die Vorschriften Anwendung finden, welche für die im §. 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten;
5. an Stelle der Enthauptung eine andere, eine Schärfung nicht enthaltende Art der Vollstreckung der Todesstrafe angeordnet werden;
6. die nach dem Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit begründete Zuständigkeit des Reichsgerichts einem Konsulargericht oder einem Gerichtshof in einem Schutzgebiet übertragen und über die Zusammensetzung des letzteren Gerichtshofs sowie über das Verfahren in Berufungs- und Beschwerdesachen, die vor einem dieser Gerichte zu verhandeln sind, mit der Maßgabe Anordnung getroffen werden, daß das Gericht aus einem Vorsitzenden und mindestens vier Beisitzern bestehen muß;
7. für die Zustellungen, die Zwangsvollstreckung und das Kostenwesen die Anwendung einfacherer Bestimmungen vorgeschrieben werden;
8. für die gerichtliche und notarielle Beurkundung von Rechtsgeschäften mit Ausschluß der Verfügungen von Todeswegen ein einfacheres Verfahren vorgeschrieben sowie die Zuständigkeit der Notare eingeschränkt werden;
9. die Verlängerung aller zur Geltendmachung von Rechten und zur Erfüllung von Pflichten gesetzlich festgestellten Fristen angeordnet werden.

§. 7.

Auf die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes in den Schutzgebieten finden die §§. 2 bis 9, 11, 12 und 14 des Gesetzes vom 4. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 599, Reichs-Gesetzbl. 1896 S. 614) entsprechende Anwendung. Die Ermächtigung zur Eheschließung und zur Beurkundung des Personenstandes wird durch den Reichskanzler ertheilt.
Die Form einer Ehe, die in einem Schutzgebiete geschlossen wird, bestimmt sich ausschließlich nach den Vorschriften des bezeichneten Gesetzes.
Die Eingeborenen unterliegen den Vorschriften der Abs. 1, 2 nur insoweit, als dies durch Kaiserliche Verordnung bestimmt wird. Den Eingeborenen können durch Kaiserliche Verordnung bestimmte andere Theile der Bevölkerung gleichgestellt werden.

§. 8.

Die Befugnisse, welche den deutschen Konsuln im Auslande nach anderen als den beiden in den §§. 2 und 7 bezeichneten Gesetzen zustehen, können durch den Reichskanzler Beamten in den Schutzgebieten übertragen werden.

§. 9.

Ausländern, welchem den Schutzgebieten sich niederlassen, sowie Eingeborenen kann durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit von dem Reichskanzler verliehen werden. Der Reichskanzler ist ermächtigt, diese Befugniß einem anderen Kaiserlichen Beamten zu übertragen.
Auf die Naturalisation und das durch dieselbe begründete Verhältniß der Reichsangehörigkeit finden die Bestimmungen des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 355, Reichs-Gesetzbl. 1896 S. 615) sowie Artikel 3 der Reichsverfassung und §. 4 des Wahlgesetzes für den Deutschen Reichstag vom 31. Mai 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 145) entsprechende Anwendung.
Im Sinne des §. 21 des bezeichneten Gesetzes sowie bei Anwendung des Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 119) gelten die Schutzgebiete als Inland.

§. 10.

Durch Kaiserliche Verordnung können Eingeborene der Schutzgebiete in Beziehung auf das Recht zur Führung der Reichsflagge (Gesetz, betreffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe, vom 22. Juni 1899, Reichs-Gesetzbl. S. 319) den Reichsangehörigen gleichgestellt werden.
Die Führung der Reichsflagge in Folge der Verleihung dieses Rechtes hat nicht die Wirkung, daß das betreffende Schiff als deutsches Seefahrzeug im Sinne des §. 1 Abs. 1 Nr. 1 und §. 3 Abs. 1 des See-Unfallversicherungsgesetzes vom 30. Juni 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 716) gilt.

§. 11.

Deutschen Kolonialgesellschaften, welche die Kolonisation der deutschen Schutzgebiete, insbesondere den Erwerb und die Verwerthung von Grundbesitz, den Betrieb von Land- oder Plantagenwirthschaft, den Betrieb von Bergbau, gewerblichen Unternehmungen und Handelsgeschäften in denselben zum ausschließlichen Gegenstand ihres Unternehmens und ihren Sitz entweder im Reichsgebiet oder in einem Schutzgebiet oder in einem Konsulargerichtsbezirke haben oder denen durch Kaiserliche Schutzbriefe die Ausübung von Hoheitsrechten in den deutschen Schutzgebieten übertragen ist, kann auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Gesellschaftsvertrags (Statuts) durch Beschluß des Bundesraths die Fähigkeit beigelegt werden, unter ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. In solchem Falle haftet den Gläubigern für alle Verbindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das Vermögen derselben.
Das Gleiche gilt für deutsche Gesellschaften, welche den Betrieb eines Unternehmens der im Abs. 1 bezeichneten Art in dem Hinterland eines deutschen Schutzgebiets oder in sonstigen dem Schutzgebiete benachbarten Bezirken zum Gegenstand und ihren Sitz entweder im Reichsgebiet oder in einem Schutzgebiet oder in einem Konsulargerichtsbezirke haben.
Der Beschluß des Bundesraths und im Auszuge der Gesellschaftsvertrag sind durch den Reichsanzeiger zu veröffentlichen.

§. 12.

Der Gesellschaftsvertrag hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten:

1. über den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft;
2. über die Vertretung der Gesellschaft Dritten gegenüber;
3. über die Befugnisse der die Gesellschaft leitenden und der die Leitung beaufsichtigenden Organe derselben;
4. über die Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder;
5. über die Jahresrechnung und Vertheilung des Gewinns;
6. über die Auflösung der Gesellschaft und die nach derselben eintretende Vermögensvertheilung.

§. 13.

Die Gesellschaften, welche die im §. 11 erwähnte Fähigkeit durch Beschluß des Bundesraths erhalten haben, unterstehen der Aufsicht des Reichskanzlers. Die einzelnen Befugnisse desselben sind in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen.

§. 14.

Den Angehörigen der im Deutschen Reiche anerkannten Religionsgemeinschaften werden in den Schutzgebieten Gewissensfreiheit und religiöse Duldung gewährleistet. Die freie und öffentliche Ausübung dieser Kulte, das Recht der Erbauung gottesdienstlicher Gebäude und der Einrichtung von Missionen der bezeichneten Religionsgemeinschaften unterliegen keinerlei gesetzlicher Beschränkung noch Hinderung.

§. 15.

Der Reichskanzler hat die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen zu erlassen.
Der Reichskanzler ist befugt, für die Schutzgebiete oder für einzelne Theile derselben polizeiliche und sonstige die Verwaltung betreffende Vorschriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Gefängniß bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzudrohen.
Die Ausübung der Befugniß zum Erlasse von Ausführungsbestimmungen (Abs. 1) und von Verordnungen der im Abs. 2 bezeichneten Art kann vom Reichskanzler der mit einem Kaiserlichen Schutzbriefe für das betreffende Schutzgebiet versehenen Kolonialgesellschaft sowie den Beamten des Schutzgebiets übertragen werden.

§. 16.

Für Schutzgebiete, in denen das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 und das Gesetz, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, vom 4. Mai 1870 noch nicht in Kraft gesetzt sind, wird der Zeitpunkt, in welchem die §§. 2 bis 4 dieses Gesetzes in Kraft treten, durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.



Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900

Titel: Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1900, Nr. 15, Seite 213 – 228
Fassung vom: 7. April 1900
Bekanntmachung: 23. April 1900
Quelle: Scan auf Commons

(Nr. 2665.) Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit. Vom 7. April 1900.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Erster Abschnitt. Umfang der Konsulargerichtsbarkeit.

§. 1.

Die Konsulargerichtsbarkeit wird in den Ländern ausgeübt, in denen ihre Ausübung durch Herkommen oder durch Staatsverträge gestattet ist.
Sie kann durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths für bestimmte Gebiete und in Ansehung bestimmter Rechtsverhältnisse außer Uebung gesetzt werden.

§. 2.

Der Konsulargerichtsbarkeit sind unterworfen:

1. Deutsche, soweit sie nicht in dem Lande, in dem die Konsulargerichtsbarkeit ausgeübt wird, nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen das Recht der Exterritorialität genießen;
2. Ausländer, soweit sie für ihre Rechtsverhältnisse durch Anordnung des Reichskanzlers oder auf Grund einer solchen dem deutschen Schutze unterstellt sind (Schutzgenossen).
Den Deutschen (Abs. 1 Nr. 1) werden gleichgeachtet Handelsgesellschaften, eingetragene Genossenschaften und juristische Personen, wenn sie im Reichsgebiet oder in einem deutschen Schutzgebiet ihren Sitz haben, juristische Personen auch dann, wenn ihnen durch den Bundesrath oder nach den bisherigen Vorschriften durch einen Bundesstaat die Rechtsfähigkeit verliehen worden ist. Das Gleiche gilt von offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, die in einem Konsulargerichtsbezirk ihren Sitz haben, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter sämmtlich Deutsche sind. Andere als die bezeichneten Handelsgesellschaften, eingetragenen Genossenschaften und juristischen Personen werden den Ausländern (Abs. 1 Nr. 2) gleichgeachtet.
Durch Anordnung des Reichskanzlers oder auf Grund einer solchen kann bestimmt werden, daß die im Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Handelsgesellschaften, eingetragenen Genossenschaften und juristischen Personen, wenn Ausländer daran betheiligt sind, der Konsulargerichtsbarkeit nicht unterstehen.

§. 3.

Die Militärgerichtsbarkeit wird durch dieses Gesetz nicht berührt.

Zweiter Abschnitt. Gerichtsverfassung.

§. 4.

Die Konsulargerichtsbezirke werden von dem Reichskanzler nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesraths für Handel und Verkehr bestimmt.

§. 5.

Die Konsulargerichtsbarkeit wird durch den Konsul (§. 2 des Gesetzes, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate, vom 8. November 1867), durch das Konsulargericht und durch das Reichsgericht ausgeübt.

§. 6.

Der Konsul ist zur Ausübung der Gerichtsbarkeit befugt, wenn er dazu von dem Reichskanzler ermächtigt wird.
Der Reichskanzler kann neben dem Konsul sowie an dessen Stelle einem anderen Beamten die dem Konsul bei der Ausübung der Gerichtsbarkeit obliegenden Verrichtungen übertragen.

§. 7.

Der Konsul ist zuständig:

1. für die durch das Gerichtsverfassungsgesetz, die Prozeßordnungen und die Konkursordnung den Amtsgerichten zugewiesenen Sachen;
2. für die durch Reichsgesetze oder in Preußen geltende allgemeine Landesgesetze den Amtsgerichten übertragenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

§. 8.

Das Konsulargericht besteht aus dem Konsul als Vorsitzendem und zwei Beisitzern.
In Strafsachen sind in der Hauptverhandlung vier Beisitzer zuzuziehen, wenn der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Gegenstande hat, das weder zur Zuständigkeit der Schöffengerichte noch zu den in den §§. 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Handlungen gehört.

§. 9.

Ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Zuziehung von zwei Beisitzern nicht ausführbar, so tritt an die Stelle des Konsulargerichts der Konsul.
Ist in Strafsachen die vorgeschriebene Zuziehung von vier Beisitzern nicht ausführbar, so genügt die Zuziehung von zwei Beisitzern.
Die Gründe, aus denen die Zuziehung von Beisitzern nicht ausführbar war, müssen in dem Sitzungsprotokoll angegeben werden.

§. 10.

Das Konsulargericht ist zuständig:

1. für die durch das Gerichtsverfassungsgesetz und die Prozeßordnungen den Landgerichten in erster Instanz sowie den Schöffengerichten zugewiesenen Sachen;
2. für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Entscheidungen des Konsuls in Strafsachen.

§. 11.

In den vor das Konsulargericht gehörenden Sachen steht den Beisitzern ein unbeschränktes Stimmrecht zu.
In den im §. 10 Nr. 1 bezeichneten Sachen nehmen die Beisitzer nur an der mündlichen Verhandlung und an den im Laufe oder auf Grund dieser Verhandlung ergehenden Entscheidungen Theil; die sonst erforderlichen Entscheidungen werden von dem Konsul erlassen.

§. 12.

Der Konsul ernennt für die Dauer eines jeden Geschäftsjahrs aus den achtbaren Gerichtseingesessenen oder in Ermangelung solcher aus sonstigen achtbaren Einwohnern seines Bezirkes vier Beisitzer und mindestens zwei Hülfsbeisitzer.
Die Gerichtseingesessenen haben der an sie ergehenden Berufung Folge zu leisten; die §§. 53, 55, 56 des Gerichtsverfassungsgesetzes finden entsprechende Anwendung.

§. 13.

Die Beeidigung der Beisitzer erfolgt bei ihrer ersten Dienstleistung in öffentlicher Sitzung. Sie gilt für die Dauer des Geschäftsjahrs. Der Vorsitzende richtet an die zu Beeidigenden die Worte: „Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Beisitzers des deutschen Konsulargerichts getreulich zu erfüllen und Ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben.“
Die Beisitzer leisten den Eid, indem jeder einzeln, unter Erhebung der rechten Hand, die Worte spricht: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.“ Ist ein Beisitzer Mitglied einer Religionsgesellschaft, der das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, so wird die Abgabe einer Erklärung unter der Betheuerungsformel dieser Religionsgesellschaft der Eidesleistung gleichgeachtet. Ueber die Beeidigung ist ein Protokoll aufzunehmen.

§. 14.

Das Reichsgericht ist zuständig für die Verhandlung und endgültige Entscheidung über die Rechtsmittel

1. der Beschwerde und der Berufung in den vor dem Konsul oder dem Konsulargerichte verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Konkurssachen;
2. der Beschwerde und der Berufung gegen die Entscheidungen des Konsulargerichts in Strafsachen;
3. der Beschwerde gegen die Entscheidungen des Konsuls in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

§. 15.

Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft findet, soweit nicht in diesem Gesetz ein Anderes vorgeschrieben ist, in den vor den Konsul oder das Konsulargericht gehörenden Sachen nicht statt.

§. 16.

Die Personen, welche die Verrichtungen der Gerichtsschreiber und der Gerichtsvollzieher sowie die Verrichtungen der Gerichtsdiener als Zustellungsbeamten auszuüben haben, werden von dem Konsul bestimmt. Sofern diese Personen nicht bereits den Diensteid als Konsularbeamte geleistet haben, sind sie vor ihrem Amtsantritt auf die Erfüllung der Obliegenheiten des ihnen übertragenen Amtes eidlich zu verpflichten.
Das Verzeichniß der Gerichtsvollzieher ist in der für konsularische Bekanntmachungen ortsüblichen Weise, jedenfalls durch Anheftung an die Gerichtstafel bekannt zu machen.

§. 17.

Die Personen, die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zuzulassen sind, werden von dem Konsul bestimmt. Die Zulassung ist widerruflich.
Gegen eine Verfügung des Konsuls, durch die der Antrag einer Person auf Zulassung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft abgelehnt oder die Zulassung zurückgenommen wird, findet Beschwerde an den Reichskanzler statt.
Das Verzeichniß der zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassenen Personen ist in der für konsularische Bekanntmachungen ortsüblichen Weise, jedenfalls durch Anheftung an die Gerichtstafel bekannt zu machen.

§. 18.

Die Vorschriften der §§. 157 bis 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes und des §. 2 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden auf die Leistung der Rechtshülfe unter den bei der Ausübung der Konsulargerichtsbarkeit mitwirkenden Behörden sowie unter diesen Behörden und den Behörden im Reichsgebiet oder in den deutschen Schutzgebieten mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß für die im §. 160 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehene Entscheidung, sofern die Rechtshülfe von dem Konsul versagt oder gewährt wird, das Reichsgericht in erster und letzter Instanz zuständig ist.

Dritter Abschnitt. Allgemeine Vorschriften über das anzuwendende Recht.

§. 19.

In den Konsulargerichtsbezirken gelten für die der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen, soweit nicht in diesem Gesetz ein Anderes vorgeschrieben ist:

1. die dem bürgerlichen Rechte angehörenden Vorschriften der Reichsgesetze und der daneben innerhalb Preußens im bisherigen Geltungsbereiche des preußischen Allgemeinen Landrechts in Kraft stehenden allgemeinen Gesetze sowie die Vorschriften der bezeichneten Gesetze über das Verfahren und die Kosten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Konkurssachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit;
2. die dem Strafrecht angehörenden Vorschriften der Reichsgesetze sowie die Vorschriften dieser Gesetze über das Verfahren und die Kosten in Strafsachen.

§. 20.

Die im §. 19 erwähnten Vorschriften finden keine Anwendung, soweit sie Einrichtungen und Verhältnisse voraussetzen, an denen es für den Konsulargerichtsbezirk fehlt.
Durch Kaiserliche Verordnung können die hiernach außer Anwendung bleibenden Vorschriften, soweit sie zu den im §. 19 Nr. 1 erwähnten gehören, näher bezeichnet, auch andere Vorschriften an deren Stelle getroffen werden.

§. 21.

Durch Kaiserliche Verordnung können die Rechte an Grundstücken, das Bergwerkseigenthum sowie die sonstigen Berechtigungen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten, abweichend von den nach §. 19 maßgebenden Vorschriften geregelt werden.

§. 22.

Durch Kaiserliche Verordnung kann bestimmt werden, inwieweit die Vorschriften der Gesetze über den Schutz von Werken der Literatur und Kunst, von Photographien, von Erfindungen, von Mustern und Modellen, von Gebrauchsmustern und von Waarenbezeichnungen in den Konsulargerichtsbezirken Anwendung finden oder außer Anwendung bleiben.

§. 23.

Soweit die im §. 19 bezeichneten Gesetze landesherrliche Verordnungen oder landesherrliche Genehmigung vorsehen, treten an deren Stelle in den Konsulargerichtsbezirken Kaiserliche Verordnungen oder die Genehmigung des Kaisers.
Die nach diesen Gesetzen im Verwaltungsstreitverfahren zu treffenden Entscheidungen werden für die Konsulargerichtsbezirke in erster und letzter Instanz von dem Bundesrath erlassen.
Soweit in diesen Gesetzen auf Anordnungen oder Verfügungen einer Landes-Zentralbehörde oder einer höheren Verwaltungsbehörde verwiesen wird, treten an deren Stelle in den Konsulargerichtsbezirken Anordnungen oder Verfügungen des Reichskanzlers oder der von diesem bezeichneten Behörde.
Die nach diesen Gesetzen den Polizeibehörden zustehenden Befugnisse werden in den Konsulargerichtsbezirken von dem Konsul ausgeübt.
Bis zum Erlasse der im Abs. 1 vorgesehenen Kaiserlichen Verordnungen sowie der im Abs. 3 vorgesehenen Anordnungen oder Verfügungen des Reichskanzlers finden die innerhalb Preußens im bisherigen Geltungsbereiche des preußischen Allgemeinen Landrechts geltenden landesherrlichen Verordnungen sowie die dort geltenden Anordnungen oder Verfügungen der Landes-Zentralbehörden entsprechende Anwendung.

§. 24.

Soweit nach den im §. 19 bezeichneten Gesetzen dem Landesfiskus Rechte zustehen oder Verpflichtungen obliegen, tritt in den Konsulargerichtsbezirken an dessen Stelle der Reichsfiskus. Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die Rechte und Verpflichtungen, die für den Landesfiskus mit Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit eines Betheiligten begründet sind.
Geldstrafen fließen zur Reichskasse. Durch Kaiserliche Verordnung kann bestimmt werden, daß die wegen Zuwiderhandlung gegen einzelne Gesetze oder Verordnungen verhängten Geldstrafen einem anderen Berechtigten zufallen.

§. 25.

Die Rechtsverhältnisse der Schutzgenossen, die keinem Staate angehören, werden, soweit dafür die Staatsangehörigkeit in Betracht kommt, nach den Vorschriften beurtheilt, die für die keinem Bundesstaat angehörenden Deutschen gelten.
Die Rechtsverhältnisse der Schutzgenossen, die einem fremden Staate angehören, werden, soweit dafür die Staatsangehörigkeit in Betracht kommt, nach den für Ausländer geltenden Vorschriften beurtheilt.

§. 26.

Durch Kaiserliche Verordnung kann bestimmt werden, inwieweit die Konsulargerichtsbezirke im Sinne der in den §§. 19, 22 bezeichneten Gesetze als deutsches Gebiet oder Inland oder als Ausland anzusehen sind.

§. 27.

Soweit die nach §. 19 zur Anwendung kommenden Gesetze auf die an einem ausländischen Orte geltenden Vorschriften Bezug nehmen, sind hierunter, falls es sich um einen Ort innerhalb eines Konsulargerichtsbezirkes und um die Rechtsverhältnisse einer der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Person handelt, die deutschen Gesetze zu verstehen.
Durch Kaiserliche Verordnung kann bestimmt werden, inwieweit in einem Konsulargerichtsbezirke die von der dortigen Staatsgewalt erlassenen Vorschriften neben den deutschen Gesetzen als Gesetze des Ortes anzusehen sind.

§. 28.

Zustellungen an die der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen erfolgen im Konsulargerichtsbezirke, sofern sie entweder in einer in diesem Bezirke vor den Konsul oder das Konsulargericht gehörenden Sache oder in nicht gerichtlichen Rechtsangelegenheiten auf Betreiben einer in dem Bezirke befindlichen Person zu geschehen haben, nach den Vorschriften über Zustellungen im Inlande. Falls die Befolgung dieser Vorschriften mit Schwierigkeiten verbunden ist, kann die Zustellung durch den Konsul nach den Vorschriften über Zustellungen im Auslande mit der Maßgabe bewirkt werden, daß an die Stelle des Ersuchens bei Zustellungen auf Betreiben der Betheiligten deren Antrag und bei Zustellungen von Amtswegen die Anzeige des Gerichtsschreibers tritt.
Im Uebrigen erfolgen Zustellungen im Konsulargerichtsbezirk an die der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen nach den Vorschriften über Zustellungen im Ausland, und zwar in gerichtlichen Angelegenheiten mittelst Ersuchens des Konsuls und in nicht gerichtlichen Rechtsangelegenheiten auf einen von den Betheiligten an ihn zu richtenden Antrag.

§. 29.

Die Einrückung einer öffentlichen Bekanntmachung in den Deutschen Reichsanzeiger ist nicht erforderlich, sofern daneben eine andere Art der Veröffentlichung vorgeschrieben ist. Der Reichskanzler kann Ausnahmen von dieser Vorschrift anordnen.
Der Reichskanzler kann bestimmen, daß an die Stelle der Einrückung einer öffentlichen Bekanntmachung in den Deutschen Reichsanzeiger eine andere Art der Veröffentlichung tritt.

§. 30.

Neue Gesetze erlangen in den Konsulargerichtsbezirken, die in Europa, in Egypten oder an der asiatischen Küste des Schwarzen oder des Mittelländischen Meeres liegen, mit dem Ablaufe von zwei Monaten, in den übrigen Konsulargerichtsbezirken mit dem Ablaufe von vier Monaten nach dem Tage, an dem das betreffende Stück des Reichs-Gesetzblatts oder der Preußischen Gesetz-Sammlung in Berlin ausgegeben worden ist, verbindliche Kraft, soweit nicht für das Inkrafttreten ein späterer Zeitpunkt festgesetzt ist oder für die Konsulargerichtsbezirke reichsgesetzlich ein Anderes vorgeschrieben wird.

Vierter Abschnitt. Besondere Vorschriften über das bürgerliche Recht.

§. 31.

Auf Vereine, die ihren Sitz in einem Konsulargerichtsbezirke haben, finden die Vorschriften der §§. 21, 22, des §. 44 Abs. 1 und der §§. 55 bis 79 des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine Anwendung.

§. 32.

Die in den §§. 8 bis 10 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888 S. 75, Reichs-Gesetzbl. 1899 S. 365), für die Errichtung deutscher Kolonialgesellschaften erlassenen Vorschriften finden entsprechende Anwendung auf deutsche Gesellschaften, die den Betrieb eines Unternehmens der im §. 8 Abs. 1 des Gesetzes bezeichneten Art in einem Konsulargerichtsbezirke zum Gegenstand und ihren Sitz entweder im Reichsgebiet oder in einem deutschen Schutzgebiet oder in einem Konsulargerichtsbezirke haben.

§. 33.

Durch Kaiserliche Verordnung kann für einen Konsulargerichtsbezirk oder für einen Theil eines solchen angeordnet werden, daß statt der in den §§. 246, 247, 288 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und im §. 352 des Handelsgesetzbuchs aufgestellten Zinssätze ein höherer Zinssatz gilt.

§. 34.

Inhaberpapiere der im §. 795 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art, die in einem Konsulargerichtsbezirke von einer der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Person ausgestellt worden sind, dürfen nur mit Genehmigung des Reichskanzlers in den Verkehr gebracht werden.

§. 35.

Durch Anordnung des Reichskanzlers kann bestimmt werden, wer in den Konsulargerichtsbezirken an die Stelle der Gemeinde des Fundorts in den Fällen der §§. 976, 977 und an die Stelle der öffentlichen Armenkasse einer Gemeinde im Falle des §. 2072 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu treten hat.

§. 36.

Die Form einer Ehe, die in einem Konsulargerichtsbezirke von einem Deutschen oder von einem Schutzgenossen, der keinem Staate angehört, geschlossen wird, bestimmt sich ausschließlich nach den Vorschriften des Gesetzes, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, vom 4. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 599, Reichs-Gesetzbl. 1896 S. 614). Ein Schutzgenosse, der einem fremden Staate angehört, kann die Ehe in dieser oder in einer anderen, nach den Gesetzen seines Staates zulässigen Form schließen.
Durch Kaiserliche Verordnung kann bestimmt werden, inwieweit in einem Konsulargerichtsbezirke die Beachtung der Vorschriften genügt, die von der dortigen Staatsgewalt über die Form der Eheschließung erlassen sind.

§. 37.

Durch Kaiserliche Verordnung können für die innerhalb der Konsulargerichtsbezirke belegenen Grundstücke die Grundsätze bestimmt werden, nach denen die Sicherheit einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld im Sinne des §. 1807 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festzustellen ist.

§. 38.

Im Falle des §. 2249 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann das Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen nach §. 2250 errichtet werden; der §. 2249 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

§. 39.

Durch Kaiserliche Verordnung können für die Konsulargerichtsbezirke die der Landesgesetzgebung vorbehaltenen Bestimmungen über die Hinterlegung und die Hinterlegungsstellen getroffen werden.

§. 40.

In Handelssachen finden die Vorschriften der im §. 19 bezeichneten Gesetze nur soweit Anwendung, als nicht das im Konsulargerichtsbezirke geltende Handelsgewohnheitsrecht ein Anderes bestimmt.
Handelssachen im Sinne des Abs. 1 sind die von einem Kaufmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte der im §. 1 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs bezeichneten Art sowie die Angelegenheiten, die eines der im §. 101 Nr. 3a, d, e, f des Gerichtsverfassungsgesetzes aufgeführten Rechtsverhältnisse zum Gegenstände haben.

Fünfter Abschnitt. Besondere Vorschriften über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Konkurssachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

§. 41.

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richtet sich das Verfahren vor dem Konsul sowie vor dem Konsulargerichte nach den Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten mit der Maßgabe, daß auch die Vorschriften der §§. 348 bis 354 der Civilprozeßordnung Anwendung finden.

§. 42.

In Rechtsstreitigkeiten, die die Nichtigkeit einer Ehe zum Gegenstande haben, werden die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft von dem Konsul einer der zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassenen Personen, einem anderen achtbaren Gerichtseingesessenen oder sonst im Konsulargerichtsbezirke befindlichen Deutschen oder Schutzgenossen übertragen. Das Gleiche gilt in Entmündigungssachen sowie im Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Todeserklärung.

§. 43.

In den nach §. 7 Nr. 1 zur Zuständigkeit des Konsuls gehörenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten findet, sofern der Werth des Streitgegenstandes die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt, ein Rechtsmittel nicht statt.

§. 44.

Der Konsul ist zur Abänderung seiner durch sofortige Beschwerde angefochtenen Entscheidung auch außer den im §. 577 Abs. 3 der Civilprozeßordnung bezeichneten Fällen befugt.

§. 45.

Das Rechtsmittel der Berufung wird bei dem Konsul eingelegt. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung der Berufungsschrift. Auf die Einlegung findet die Vorschrift des §. 78 Abs. 1 der Civilprozeßordnung keine Anwendung. Die Berufungsschrift ist der Gegenpartei unter Beachtung der Vorschriften des §. 179 der Civilprozeßordnung von Amtswegen zuzustellen. Der Konsul hat die Prozeßakten mit dem Nachweise der Zustellung dem Reichsgerichte zu übersenden.
Das Reichsgericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung von Amtswegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen.
Die Bekanntmachung des Termins erfolgt an den für die Berufungsinstanz bestellten und dem Reichsgerichte durch Vermittelung des Konsuls oder durch die Partei selbst rechtzeitig benannten Prozeßbevollmächtigten oder Zustellungsbevollmächtigten, in Ermangelung eines solchen an die Partei selbst.
Die im §. 520 der Civilprozeßordnung vorgesehene Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Termin dem Berufungsbeklagten bekannt gemacht worden ist.

§. 46.

Die Zwangsvollstreckung im Konsulargerichtsbezirk aus den bei der Ausübung der Konsulargerichtsbarkeit für diesen Bezirk entstandenen vollstreckbaren Schuldtiteln erfolgt gegen die der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung im Inlande. Im Uebrigen wird die Vollstreckung im Konsulargerichtsbezirke gegen solche Personen durch den Konsul auf ein an ihn gemäß §. 791 der Civilprozeßordnung gerichtetes Ersuchen veranlaßt.

§. 47.

In den Fällen der §§. 110, 179 der Konkursordnung soll der Termin zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters und über die Bestellung eines Gläubigerausschusses sowie der Vergleichstermin nicht über zwei Monate hinaus anberaumt werden.
Diese Termine können bis auf drei Monate hinausgeschoben werden, wenn der Bezirk des Konsulargerichts, vor dem das Verfahren schwebt, nicht in Europa, in Egypten oder an der asiatischen Küste des Schwarzen oder des Mittelländischen Meeres liegt.
Der Zeitraum, der nach §. 138 der Konkursordnung zwischen dem Ablaufe der Anmeldefrist und dem allgemeinen Prüfungstermine liegen muß, soll mindestens zwei Wochen und höchstens drei Monate betragen.
An die Stelle der in den §§. 152, 203 der Konkursordnung vorgesehenen Fristen tritt eine Frist von einem Monat, im Falle des Abs. 2 eine Frist von zwei Monaten.

§. 48.

Die Vorschrift des §. 18 Abs. 2 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet auf eine durch Beschwerde angefochtene Verfügung des Konsuls keine Anwendung.

Sechster Abschnitt. Besondere Vorschriften über das Strafrecht.

§. 49.

In den Konsulargerichtsbezirken finden die von der dortigen Staatsgewalt erlassenen Strafgesetze soweit Anwendung, als dies durch Herkommen oder durch Staatsverträge bestimmt ist.

§. 50.

Durch Kaiserliche Verordnung kann bestimmt werden, inwieweit in den Konsulargerichtsbezirken die strafrechtlichen Vorschriften der allgemeinen Gesetze Anwendung finden, die innerhalb Preußens im bisherigen Geltungsbereiche des preußischen Allgemeinen Landrechts in Kraft stehen.

§. 51.

Der Konsul ist befugt, für seinen Gerichtsbezirk oder einen Theil des Bezirkes polizeiliche Vorschriften mit verbindlicher Kraft für die seiner Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen zu erlassen und deren Nichtbefolgung mit Haft, Geldstrafe bis zum Betrage von eintausend Mark und Einziehung einzelner Gegenstände zu bedrohen. Diese Vorschriften sind sofort in Abschrift dem Reichskanzler mitzutheilen.
Der Reichskanzler ist befugt, die von dem Konsul erlassenen polizeilichen Vorschriften aufzuheben.
Die Verkündung der polizeilichen Vorschriften sowie die Verkündung ihrer Aufhebung erfolgt in der für konsularische Bekanntmachungen ortsüblichen Weise, jedenfalls durch Anheftung an die Gerichtstafel.

Siebenter Abschnitt. Besondere Vorschriften über das Verfahren in Strafsachen.

§. 52.

Der Konsul übt in Strafsachen die Verrichtungen des Amtsrichters und des Vorsitzenden der Strafkammer aus.

§. 53.

Die Zustellungen, die Ladungen, die Vollstreckung von Beschlüssen und Verfügungen sowie die Strafvollstreckung werden durch den Konsul veranlaßt.

§. 54.

Im vorbereitenden Verfahren ist die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen auch in den im §. 65 Abs. 2 der Strafprozeßordnung bezeichneten Fällen zulässig.
Die Vorschriften des §. 126 der Strafprozeßordnung finden keine Anwendung.

§. 55.

Erhält der Konsul von dem Verdacht eines zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Schwurgerichte gehörenden Verbrechens Kenntniß, so hat er die zur Strafverfolgung erforderlichen Sicherheitsmaßregeln zu treffen sowie die Untersuchungshandlungen, in Ansehung deren Gefahr im Verzug obwaltet oder die Voraussetzungen des §. 65 Abs. 2 der Strafprozeßordnung zutreffen, vorzunehmen und demnächst die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem zuständigen deutschen Gericht, in Ermangelung eines solchen dem Ober-Reichsanwalte zu übersenden. Im letzteren Falle wird das zuständige Gericht von dem Reichsgerichte bestimmt.

§. 56.

Gehört die strafbare Handlung zur Zuständigkeit des Konsulargerichts oder des Konsuls, so ist an Stelle der Staatsanwaltschaft der Konsul zum Einschreiten berufen. Er stellt insbesondere die der Staatsanwaltschaft im vorbereitenden Verfahren obliegenden Ermittelungen an.

§. 57.

Eine Voruntersuchung findet nicht statt.

§. 58.

An die Stelle der öffentlichen Klage tritt in den Fällen, in denen nicht sofort das Hauptverfahren eröffnet wird, die Verfügung des Konsuls über die Einleitung des Strafverfahrens gegen den Beschuldigten. Diese Verfügung hat die dem Angeschuldigten zur Last gelegte That unter Hervorhebung ihrer gesetzlichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes zu bezeichnen.
Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, hat auch die Beweismittel anzugeben.

§. 59.

Die Vorschrift des §. 232 der Strafprozeßordnung findet auch dann Anwendung, wenn nach dem Ermessen des Gerichts die zu erwartende Freiheitsstrafe nicht mehr als sechs Monate beträgt.

§. 60.

Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht, ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein.

§. 61.

In das Protokoll über die Hauptverhandlung sind die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen aufzunehmen.

§. 62.

In den Fällen der §§. 45, 449 der Strafprozeßordnung beträgt die Frist zwei Wochen.

§. 63.

Gegen die wegen Uebertretungen erlassenen Entscheidungen ist, sofern eine Verurtheilung auf Grund des §. 361 Nr. 3 bis 8 des Strafgesetzbuchs erfolgt oder nur auf Geldstrafe oder auf Geldstrafe und Einziehung erkannt wird, ein Rechtsmittel nicht zulässig.
Im Uebrigen findet in Strafsachen gegen die Urtheile des Konsulargerichts das Rechtsmittel der Berufung statt.

§. 64.

Auf Beschwerden gegen Entscheidungen des Konsuls findet die Vorschrift des §. 23 Abs. 1 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.
In den Fällen des §. 353 der Strafprozeßordnung ist der Konsul zur Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung befugt.

§. 65.

Die der Staatsanwaltschaft zustehenden Rechtsmittel können gegen die Entscheidungen des Konsulargerichts von dem Konsul eingelegt werden.

§. 66.

In den Fällen der §§. 353, 355, 358, 360 der Strafprozeßordnung beträgt die Frist zwei Wochen.

§. 67.

Die Frist zur Anfechtung einer Entscheidung beginnt für den Nebenkläger im Falle des §. 439 der Strafprozeßordnung mit der Bekanntmachung der Entscheidung an den Beschuldigten.

§. 68.

Der Konsul kann Zeugen und Sachverständige, die zur Rechtfertigung der Berufung benannt sind, vernehmen und beeidigen, wenn die Voraussetzungen des §. 65 Abs. 2 der Strafprozeßordnung vorliegen. Die Protokolle über diese Vernehmungen sind dem Ober-Reichsanwalte zu übersenden. Die Vorschriften des §. 223 und des §. 250 Abs. 2 der Strafprozeßordnung finden entsprechende Anwendung.

§. 69.

Der Angeklagte kann in der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht erscheinen oder sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Vertheidiger vertreten lassen.
Der nicht auf freiem Fuße befindliche Angeklagte hat keinen Anspruch auf Anwesenheit.
Soweit der Angeklagte die Berufung eingelegt hat, ist über diese auch dann zu verhandeln, wenn weder der Angeklagte noch ein Vertreter für ihn erschienen ist.

§. 70.

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil geschlossenen Verfahrens kann von Amtswegen erfolgen.

§. 71.

Das Gesetz, betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen, vom 20. Mai 1898 (Reichs-Gesetzbl. S. 345) findet mit folgenden Maßgaben Anwendung.
An die Stelle der Staatsanwaltschaft des Landgerichts tritt der Konsul. Die im §. 5 Abs. 3 vorgesehene Ausschlußfrist beträgt sechs Monate. Für die Ansprüche auf Entschädigung ist das Reichsgericht in erster und letzter Instanz zuständig.

§. 72.

In Strafsachen, in denen der Konsul oder das Konsulargericht in erster Instanz erkannt hat, steht das Begnadigungsrecht dem Kaiser zu.

Achter Abschnitt. Besondere Vorschriften über die Kosten.

§. 73.

Die Gebühren der Gerichte und der Gerichtsvollzieher in den Konsulargerichtsbezirken werden im doppelten Betrage der Sätze erhoben, die in den nach §. 19 maßgebenden Vorschriften bestimmt sind.
Die Gebühr für eine Zustellung in den Konsulargerichtsbezirken nach den Vorschriften über Zustellungen im Auslande beträgt drei Mark.
Die den Gerichtsbeamten und Gerichtsvollziehern zustehenden Tagegelder und Reisekosten werden, soweit es sich um Konsularbeamte handelt, nach Maßgabe der für diese geltenden Vorschriften erhoben.

§. 74.

Die Erhebung und Beitreibung der Kosten wird durch den Konsul veranlaßt.
Die Regelung des Beitreibungsverfahrens erfolgt im Anschluß an die Vorschriften der Civilprozeßordnung durch Anordnung des Reichskanzlers.

§. 75.

Die bei der Ausübung der Konsulargerichtsbarkeit mitwirkenden Behörden haben einander zum Zwecke der Erhebung und Beitreibung der Kosten Beistand zu leisten.
Das Gleiche gilt für die Beistandsleistung unter diesen Behörden und den Behörden im Reichsgebiet oder in den deutschen Schutzgebieten. Dabei finden die gemäß §. 99 des Gerichtskostengesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1898 S. 659) erlassenen Vorschriften über den zum Zwecke der Einziehung von Gerichtskosten unter den Bundesstaaten zu leistenden Beistand entsprechende Anwendung.

§. 76.

Soweit die Gebühren der Rechtsanwälte durch Ortsgebrauch geregelt sind, kommt dieser zunächst zur Anwendung.

Neunter Abschnitt. Schlußbestimmungen.

§. 77.

Die im §. 2 bezeichneten Personen können nach den in Gemäßheit dieses Gesetzes in den Konsulargerichtsbezirken Anwendung findenden strafrechtlichen Vorschriften wegen eines Verbrechens oder Vergehens auch dann verfolgt werden, wenn sie die Handlung in einem Gebiete begangen haben, das keiner Staatsgewalt unterworfen ist.
Im Uebrigen können durch Kaiserliche Verordnung die in Gemäßheit dieses Gesetzes in den Konsulargerichtsbezirken geltenden Vorschriften in Gebieten der im Abs. 1 bezeichneten Art ganz oder theilweise für anwendbar erklärt werden. Soweit hiernach die Vorschriften über die Ausübung der Gerichtsbarkeit Geltung erlangen, ist der Reichskanzler befugt, an Stelle des Konsuls einen anderen Beamten zur Wahrnehmung der Gerichtsbarkeit zu ermächtigen; auch können als Gerichtsbeisitzer Personen zugezogen werden, die nicht Eingesessene oder Einwohner des Gerichtsbezirkes sind.

§. 78.

Dieses Gesetz tritt an einem durch Kaiserliche Verordnung festzusetzenden Tage in Kraft.

§. 79.

Soweit in Reichsgesetzen oder in Landesgesetzen auf Vorschriften des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 verwiesen ist, treten die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes an deren Stelle.

§. 80.

Der Reichskanzler hat die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen zu erlassen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 7. April 1900.

(L. S.)  Wilhelm. 

  Fürst zu Hohenlohe.