RGBl-2404071-Nr04-Aenderungsgesetz-zu-RGBl-2105171-Nr05-Patentgesetz-vom-17-Mai-2021

Gesetz, betreffend Änderung des RGBl-2105171-Nr05- Änderung des Patentgesetzes vom 17. Mai 2021.

Gegeben am 07.04.2024, im Namen des Deutschen Reiches.

In Kraft gesetzt am 24.04.2024 durch Veröffentlichung im Deutschen Reichsanzeiger
nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes, was folgt:

 

Nr. 04

Der Bundesrath hat auf Grund §. 3. des Gesetzes über die Ermächtigung des Bundesraths zu wirtschaftlichen Maßnahmen usw. vom 04. August 1914 (Reichs-Gesetzbl. S. 327) folgendes Gesetz beschlossen.

Das Patentgesetzes vom 25. Mai 1877, in Kraft getreten am 1. Juli 1877, geändert durch das Patentgesetz vom 07. April 1891 wird zur Anpassung an die in den vergangenen mehr als einhundert Jahren eingetretenen Zustände wie folgt geändert.

Artikel 1. 

§. 1.

Änderung der Eingangsformel
Bisher: Gesetz betreffend die Änderung des Patentgesetzes

NEU:  Einführungsgesetz des Patentgesetzes vom 25. Mai 1877, geändert am 07. April 1891  

§. 2.

 Zweiter Absatz nach Nr. 05 erhält folgenden Wortlaut:
Das Patentgesetzes vom 25. Mai 1877, in Kraft getreten am 1. Juli 1877, geändert durch das Patentgesetz vom 07. April 1891 wird zur Anpassung an die in den vergangenen mehr als einhundert Jahre eingetretenen Umstände, wie folgt eingeführt. 

Artikel 2.

§ 1. wird zu Artikel 1.

§ 2. wird zu Artikel 2.

§ 3. wird zu § 1. unter Artikel 3.

In § 1.  unter Artikel 3. wird §§ 1. und 2. als Artikel 1. und Artikel 2. geändert.

§ 4. wird zu § 2. unter Artikel 3.

In § 2.  unter Artikel 3. wird § 38. auf § 39. und § 1. in Artikel 1 geändert.

§ 5. wird zu § 3. unter Artikel 3.

§ 6. wird zu § 4. unter Artikel 3.

§ 7. wird zu § 5. unter Artikel 3.

§ 8. wird zu § 6. unter Artikel 3.

§ 9. wird zu Artikel 4

Die Bezeichnung des verantwortlichen Autors dieses Gesetzes:
Bisher: Staatssekretär des Reichs-Patentamtes

 NEU: Präsident des Patentamtes

Artikel 3.

Dieses Gesetz tritt mit Veröffentlichung im Deutschen Reichsanzeiger in Kraft


Gegeben zu Berlin, den 07. April 2024

Reichsgesetzblatt „RGBl-2404071-Nr04-Aenderungsgesetz-zu-RGBl-2105171-Nr05-Patentgesetz-vom-17-Mai-2021″ Amtsschrift

Reichsgesetzblatt „RGBl-2404071-Nr04-Aenderungsgesetz-zu-RGBl-2105171-Nr05-Patentgesetz-vom-17-Mai-2021″_D

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Hinweis zu bisherigen Einberufungen: Alle Verordnungen des Volks-Reichstages, wurden bisher nur unter folgender Adresse veröffentlicht: https://deutscher-reichsanzeiger.de/amtsblatt/




RGBl-1109111-Nr18-Gesetz-Polizeiaufgabengesetz

Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Reichspolizei im Deutschen Reich
(Polizeiaufgabengesetz)

gegeben am 11.09.2011, im Namen des Deutschen Reiches

In Kraft gesetzt am 01.10.2011 durch Veröffentlichung im Deutschen Reichs-Anzeiger
nach erfolgter Zustimmung des Volks-Bundesrathes und des Volks-Reichstages, was folgt:

Nr. 18
Kapitel 1
Aufgaben und allgemeine Vorschriften

§ 1.
Aufgaben der Reichspolizei

Die Reichspolizei hat im gesamten Umfang der Reichsgesetzgebung des Deutschen Reiches in seinen völkerrechtlichen Grenzen vom 31. Juli 1914 die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr), Straftaten zu verhüten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) und die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistungen und das Handeln in Gefahrenfällen zu treffen.

§ 2.
Grenzschutz

(1) Der Reichspolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz der Grenzen des Deutschen Reiches.

(2) Der Reichsgrenzschutz umfaßt:

1. die polizeiliche Überwachung der Grenzen,

2. die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich

a) der Überprüfung der Grenzübertrittpapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,

b) der Grenzfahndung,

c) der Abwehr von Gefahren.

Weitere Rechtsvorschriften sind durch den Staatssekretär des Innern mit Zustimmung des Volks-Bundesrathes und Volks-Reichstages zu veranlassen und werden bestimmt durch die Durchführungsverordnung für den grenzpolizeilichen Dienst.

§ 3.

Bahnpolizei

Die Reichspolizei hat die Aufgabe, für alle auf dem Staatsgebiet des Deutschen Reiches bestehenden Staatseisenbahnen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.

§ 4.

Luftsicherheit

Der Reichspolizei obliegt der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, auf deutschem Hoheitsgebiet am Boden als auch an Bord von im Flug befindlichen Luftfahrzeugen.
Die Reichspolizei kann zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung an Bord von Luftfahrzeugen und auf dem deutschen Hoheitsgebiet eingesetzt werden. Diese Maßnahmen müssen stets im Einklang mit den Anforderungen an die Sicherheit des Luftfahrzeugs und der Passagiere stehen und sind daher grundsätzlich in enger Abstimmung mit dem Luftfahrzeugführer zu treffen.

§ 5.

Schutz von Reichsorganen

(1) Die Reichspolizei hat alle Verfassungsorgane des Deutschen Reiches gegen Gefahren zu schützen, die die Durchführung ihrer Aufgaben beeinträchtigen, wenn diese darum ersuchen und Einvernehmen mit dem Reichsamt des Innern besteht.

(2) Die Reichspolizei unterstützt

1. den Präsidenten des Deutschen Reichstages bei der Wahrnehmung des Hausrechts und der Polizeigewalt im Gebäude des Reichstages,

2. das Auswärtige Amt bei der Wahrnehmung von Aufgaben zum Schutz deutscher Auslandsvertretungen,

3. das Reichskriminalamt bei der Wahrnehmung seiner Schutzaufgaben gemäß des Reichskriminalamtsgesetzes.

(3) Die Entscheidung über die Unterstützung nach Absatz 1 trifft das Reichsamt des Innern. Die Polizeivollzugsbeamten der Reichspolizei unterliegen bei Wahrnehmung dieser Unterstützungsaufgaben den fachlichen Weisungen der unterstützten Stelle.

§ 6.

Einsatz von Hubschraubern

Die Reichspolizei verfügt nach Maßgabe des Haushaltsplans über Hubschrauber als polizeiliches Einsatz- und Transportmittel sowie zur Beförderung von Mitgliedern der Verfassungsorgane, den Angehörigen der Reichsregierung und deren Gäste.
Das Reichsamt des Innern bestimmt durch Verwaltungsvorschrift Voraussetzungen und Verfahren für die Beförderung von Personen durch Hubschrauber der Reichspolizei, soweit es sich nicht um die
Verwendung von Hubschraubern als polizeiliches Einsatz- und Transportmittel handelt.

§ 7.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Reichspolizei diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß der Zweck mit dieser Maßnahme nicht erreicht werden kann oder die Unverhältnismäßigkeit festgestellt wird.

§ 8.
Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen

(1) Ist die Person noch nicht vierzehn Jahre alt, können die Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die zur Aufsicht über sie verpflichtet ist.

(2) Ist für die Person ein Betreuer bestellt, so können die Maßnahmen auch gegen den Betreuer im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtet werden. Dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuches bezeichneten Angelegenheiten nicht erfaßt.

(3) Verursacht eine Person, die zu einer Verrichtung bestellt ist, Gefahren in Ausführung der Verrichtung, so können Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die die andere zu der Verrichtung bestellt hat.

§ 9.
Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen und Tier

(1) Geht von einer Sache oder von einem Tier eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind die nachfolgenden für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend auf Tiere anzuwenden.

(2) Maßnahmen können auch gegen den Eigentümer oder einen anderen Berechtigten gerichtet werden. Das gilt nicht, wenn der Inhaber der tatsächlichen Gewalt diese ohne den Willen des Eigentümers oder Berechtigten ausübt.

(3) Geht die Gefahr von einer herrenlosen Sache aus, so können die Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.

§ 10.
Legitimationspflicht

Auf Verlangen des von einer Maßnahme Betroffenen hat sich der Reichspolizeivollzugs-beamte mit einem Amtsausweis auszuweisen.

Kapitel 2

Befugnisse der Reichspolizei, allgemeine und besondere Befugnisse

§ 11.

Allgemeine Befugnisse, Begriffsbestimmung

(1) Die Reichspolizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die §§ 12 bis 34 die Befugnisse der Reichspolizei besonders regeln.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben, die der Reichspolizei durch andere Rechtsvorschriften zugewiesen sind (§ 1), hat sie die dort vorgesehenen Befugnisse. Soweit solche Rechtsvorschriften Befugnisse
der Reichspolizei nicht regeln, hat sie die Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen.

§ 12.

Befragung, Auskunftspflicht

(1) Die Reichspolizei kann jede Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten reichspolizeilichen Aufgabe erforderlich sind. Die zu befragende Person ist verpflichtet, auf Frage Familienname, Vorname, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben. Sie ist zu weiteren Auskünften verpflichtet, soweit gesetzliche Handlungspflichten bestehen.
Weiteres regelt die Strafprozeßordnung (StPO) oder Civilprozeßordnung (CPO).

(2) Zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität kann die Reichspolizei im öffentlichen Verkehrsraum angetroffene Personen kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung ausgehändigt werden sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn aufgrund von Lageerkenntnissen anzunehmen ist, daß Straftaten von erheblicher Bedeutung (Verbrechen und Vergehen) begangen werden sollen. Ort, Zeit und Umfang der Maßnahme dürfen nur durch den Reichspolizeipräsidenten oder seinen Vertreter im Amt angeordnet werden.

§ 13.

Identitätsfeststellung

(1) Die Reichspolizei kann die Identität einer Person zur Abwehr einer Gefahr feststellen.

(2) Die Reichspolizei kann die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personendaten befragen und verlangen, daß er Angaben zur Feststellung seiner Identität macht und mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Der Betroffene kann festgehalten werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen können durchsucht werden.

§ 14.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind insbesondere:

1. die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,

2. die Aufnahme von Lichtbildern,

3. die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale,

4. Messungen,

5. GEN – Material.

(2) Die Reichspolizei kann erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn

1. eine nach § 13 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist oder

2. das zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Tat begangen zu haben, die mit Strafe bedroht ist und wegen der Art und Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht.

(3) Ist die Identität festgestellt, sind in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 die im Zusammenhang mit der Feststellung angefallenen erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist zu dem in Absatz 2 Nr. 2 bezeichneten Zweck erforderlich oder nach anderen Rechtsvorschriften zulässig.

(4) Der Betroffene ist bei Vornahme der Maßnahme darüber zu belehren, daß er die Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen verlangen kann, wenn die Voraussetzungen für ihre weitere Aufbewahrung entfallen sind. Sind die Unterlagen ohne Wissen des Betroffenen angefertigt worden, ist ihm mitzuteilen, welche Unterlagen aufbewahrt werden, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann.

§ 15.

Prüfung von Berechtigungsscheinen

Die Reichspolizei kann verlangen, daß ein Berechtigungsschein zur Prüfung ausgehändigt wird, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift oder einer vollziehbaren Auflage in einem Erlaubnisbescheid verpflichtet ist, diesen Berechtigungsschein mitzuführen. Der Betroffene kann für die Dauer der Maßnahme angehalten werden.

§ 16.

Vorladung

(1) Die Reichspolizei kann eine Person auf dem postalischen Weg schriftlich vorladen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,

1. daß die Person sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind oder

2. daß zur Durchführung erkennungsdienstliche Maßnahmen erforderlich sind.

(2) Bei der Vorladung soll deren Grund angegeben werden. Bei der Festsetzung des Zeitpunkts soll auf den Beruf und die sonstigen Lebensverhältnisse des Betroffenen Rücksicht genommen werden.

(3) Leistet ein Betroffener der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden,

1. wenn die Angaben zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich sind oder

2. wenn sie der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen dient. Die zwangsweise Vorführung darf nur aufgrund richterlicher Anordnung erfolgen.

(4) § 124 der Strafprozessordnung (StPO) gilt entsprechend.

§ 17.

Platzverweisung und Aufenthaltsverbot

Die Reichspolizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.

Die Platzverweisung kann ferner gegen Personen angeordnet werden, die den Einsatz der Feuerwehr oder von Hilfs- oder Rettungsdiensten behindern.

§ 18.

Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt

(1) Die Reichspolizei kann eine Person, auch eine betroffene Person, (?) zur Abwehr einer von ihr ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person aus einer Wohnung (§ 23 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes ?), in der die gefährdete Person wohnt, sowie aus
deren unmittelbaren Umgebung verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen.

Die Maßnahmen können auch auf Wohn- und Nebenräume beschränkt werden.

(2) Der betroffenen Person ist Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen.

(3) Die betroffene Person ist verpflichtet, der Reichspolizei zum Zwecke der Zustellung unverzüglich eine Anschrift oder eine zustellungsbevollmächtigte Person zu benennen. Die Reichspolizei übermittelt diese Angaben an die gefährdete Person.

(4) Die Reichspolizei hat die gefährdete Person auf die Möglichkeit der Beantragung zivilrechtlichen Schutzes und auf die Möglichkeit der Unterstützung durch geeignete Beratungsstellen hinzuweisen.

(5) Wohnungsverweisung, Rückkehrverbot und ergänzende Maßnahmen enden außer in den Fällen des Satzes 2 mit Ablauf des zehnten Tages nach ihrer Anordnung, soweit nicht die Reichspolizei im Einzelfall eine kürzere Geltungsdauer festlegt. Stellt die gefährdete Person während der in Satz 1 bestimmten Dauer der Maßnahmen nach Absatz 1 einen Antrag auf zivilrechtlichen Schutz vor Gewalt oder Nachstellungen mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, enden die
Maßnahmen mit dem Tag der gerichtlichen Entscheidung, spätestens jedoch mit Ablauf des zehnten Tages nach dem Ende der nach Satz 1 bestimmten Dauer.

(6) Das Gericht hat der Reichspolizei die Beantragung zivilrechtlichen Schutzes sowie die gerichtliche Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.

Die Reichspolizei hat die gefährdete und die betroffene Person unverzüglich über die Dauer der Maßnahmen nach Absatz 1 in Kenntnis zu setzen.

§ 19.

Gewahrsam

(1) Die Reichspolizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn

1. es zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet oder wenn

2. es unerläßlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat, die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet ist, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, zu verhindern. Die Annahme, daß eine Person eine solche Tat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, daß

a) sie die Begehung der Tat angekündigt oder dazu aufgefordert hat.

b) sie bereits in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten auffällig war(en), die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet sind, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, als Störer festgestellt worden ist und nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist,

c) sie entsprechende Transparente oder sonstige Gegenstände mit sich führt; dies gilt auch für Flugblätter solchen Inhalts, soweit sie in einer Menge mitgeführt werden, die zur Verteilung geeignet sind,

d) bei ihr Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände aufgefunden werden, die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind oder erfahrungsgemäß bei derartigen Taten verwendet werden oder

e) ihre Begleitperson solche Gegenstände mit sich führt und sie den Umständen nach hiervon Kenntnis haben mußte,

3. es unerläßlich ist, um eine Platzverweisung oder ein Aufenthaltsverbot nach § 17 durchzusetzen oder

4. es unerläßlich ist, um eine Wohnungsverweisung oder ein Rückkehrverbot nach § 18 durchzusetzen oder

5. es unerläßlich ist, um private Rechte zu schützen und eine Festnahme und Vorführung der Personen nach den §§ 229, 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zulässig ist.

(2) Die Reichspolizei kann Minderjährige, die sich der Obhut der Personensorgeberechtigten entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, um sie den Personensorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen. Die Zuführung zum Personensorgeberechtigten kommt nicht in Betracht, wenn sich der Minderjährige an das Jugendamt wenden will.

(3) Die Reichspolizei kann eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung oder aus der Abschiebungshaft entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, in Gewahrsam nehmen und in die Anstalt zurückbringen.
Im Sinne dieses Paragraphen gilt die Beweispflicht eines Tatbestandes.

§ 20.

Richterliche Entscheidung

(1) Wird eine Person aufgrund von § 13, § 14 oder § 19 festgehalten, hat die Reichspolizei unverzüglich, spätestens innerhalb von vierundzwanzig Stunden, eine richterliche Anhörung sowie unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen. Der Herbeiführung der Anhörung und der richterlichen Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, daß die Entscheidung des Richters und die Anhörung durch den Richter erst nach Wegfall des Grundes der polizeilichen Maßnahmen ergehen würde.

(2) Für die Entscheidung und Anhörung nach Absatz 1 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person festgehalten wird. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des Gesetzes über
das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen.

§ 21.

Behandlung festgehaltener Personen

(1) Wird eine Person auf Grund von § 13, § 14 oder § 19 festgehalten, ist ihr unverzüglich der Grund bekannt zugeben. Sie ist über die ihr zustehenden Rechtsbehelfe zu belehren.

(2) Der festgehaltenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Rechtsbeistand ihrer Wahl beizuziehen und einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen.

Unberührt bleibt die Benachrichtigungspflicht bei einer richterlichen Freiheitsentziehung. Die Reichspolizei soll die Benachrichtigung übernehmen, wenn die festgehaltene Person nicht in der Lage ist, von dem Recht nach Satz 1 Gebrauch zu machen und die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht widerspricht. Ist die festgehaltene Person minderjährig oder ist für sie ein Betreuer bestellt, so ist in jedem Fall unverzüglich derjenige zu benachrichtigen, dem die Sorge für die Person oder die Betreuung der Person nach dem ihm übertragenen Aufgabengebiet obliegt.

(3) Die festgehaltene Person soll gesondert, insbesondere ohne ihre Einwilligung, nicht in demselben Raum mit Straf- oder Untersuchungsgefangenen untergebracht werden. Männer und Frauen
sollen getrennt untergebracht werden. Der festgehaltenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Freiheitsentziehung oder die Ordnung im Gewahrsam erfordert.

(4) Sind medizinische Behandlungen erkennbar erforderlich oder benötigt der Betroffene Medikamente, sind unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, die auch die ärztliche Begutachtung der Gewahrsamfähigkeit umfassen.

§ 22.

Dauer der Freiheitsentziehung

(1) Die festgehaltene Person ist zu entlassen,

1. sobald der Grund für die Maßnahme der Reichspolizei weggefallen ist,

2. wenn die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch richterliche Entscheidung für unzulässig erklärt wird oder

3. in jedem Fall spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen, wenn nicht vorher die Fortdauer der Freiheitsentziehung aufgrund dieses oder eines anderen Gesetzes durch richterliche Entscheidung angeordnet ist. Über das Ende des Tages nach dem Ergreifen hinaus kann die Fortdauer der Freiheitsentziehung aufgrund dieses Gesetzes durch richterliche Entscheidung nur angeordnet werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Betroffene Straftaten gegen Leib oder Leben oder Straftaten nach den §§ 125, 127 des Strafgesetzbuches (StGB) begehen oder sich hieran beteiligen wird. In der Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer der Freiheitsentziehung zu bestimmen; die Dauer der Freiheitsentziehung aufgrund dieses Gesetzes darf vierzehn Tage nicht überschreiten.

(2) Eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Feststellung der Identität darf die Dauer von insgesamt vierundzwanzig Stunden nicht überschreiten.

§ 23.

Durchsuchung von Personen

(1) Die Reichspolizei kann außer in den Fällen des § 13 eine Person durchsuchen, wenn

1. sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten werden kann,

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen,

3. sie sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet.

(2) Die Reichspolizei kann eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, gefährlichen Werkzeugen, Gegenständen, Explosivmitteln und anderen gefährdenden Stoffen durchsuchen, wenn das nach den Umständen zum Schutz des Reichspolizeivollzugsbeamten oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint. Dasselbe gilt, wenn eine Person nach anderen Rechtsvorschriften vorgeführt oder zur Durchführung einer Maßnahme an einen anderen Ort gebracht werden soll.

(3) Personen dürfen nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchsucht werden. Das gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 24.

Durchsuchung von Sachen

(1) Die Reichspolizei kann außer in den Fällen des § 13 eine Sache durchsuchen, wenn

1. sie von einer Person mitgeführt wird, die nach § 23 durchsucht werden darf,

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich in ihr eine Person befindet, die

a) in Gewahrsam genommen werden darf,

b) widerrechtlich festgehalten wird oder

c) hilflos ist,

3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich in ihr eine andere Sache befindet, die sichergestellt werden darf,

4. es sich um ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug handelt, in dem sich eine Person befindet, deren Identität nach § 13 festgestellt werden darf. Die Durchsuchung kann sich auch auf die in dem Fahrzeug enthaltenen Sachen erstrecken.

(2) Bei der Durchsuchung von Sachen hat der Inhaber der tatsächlichen Gewalt das Recht, anwesend zu sein. Ist er abwesend, so sollen sein Vertreter oder ein anderer Zeuge hinzugezogen werden. Dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist auf Verlangen eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund zu erteilen.

§ 25.

Betreten und Durchsuchung von Wohnungen

(1) Die Wohnung ist unverletzlich, eine Betretung und Durchsuchung ist nur möglich

a) wenn ein richterlicher Beschluß im Original vorliegt,

b) im Falle der Verfolgung auf frischer Tat oder bei Verdacht eines Verbrechens,

c) im Falle der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person,

d) sich dort gesuchte Straftäter verbergen, es gilt(?) § 104 Abs. 3 der Strafprozeßordnung (StPO).

Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(2) Während der Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 der Strafprozessordnung) ist das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung nur in den Fällen des Absatzes 1 b) und c) zulässig.

§ 26.

Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen

(1) Durchsuchungen dürfen gemäß § 25 nur durch den Richter oder auf Grund richterlicher Entscheidung angeordnet werden. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Wohnung liegt.

(2) Bei der Durchsuchung einer Wohnung hat der Wohnungsinhaber das Recht, anwesend zu sein. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Mitbewohner oder Nachbar hinzuzuziehen.

(3) Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist der Grund der Durchsuchung bekanntzugeben.

(4) Über die Durchsuchung ist ein Protokoll zu fertigen. Sie muß die verantwortliche Amtsstelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung enthalten. Dieses Protokoll ist von einem durchsuchenden Beamten und dem Wohnungsinhaber oder der zugezogenen Person zu unterzeichnen. Wird die Unterschrift verweigert, so ist hierüber ein Vermerk aufzunehmen. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist eine Abschrift des Protokolles auszuhändigen bzw. nachzureichen.

(5) Ist die Anfertigung des Protokolls oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Betroffenen lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Amtsstelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

§ 27.

Sicherstellung

Die Reichspolizei kann eine Sache sicherstellen,

1. um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren

2. um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen oder

3. wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften fest- oder angehalten wird und die Sache verwendet werden kann, um

a) sich zu töten oder zu verletzen,

b) Leben oder Gesundheit anderer zu schädigen,

c) fremde Sachen zu beschädigen oder

d) die Flucht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

§ 28.

Verwahrung

(1) Sichergestellte Sachen sind in Verwahrung zu nehmen. Läßt die Beschaffenheit der Sachen das nicht zu oder erscheint die Verwahrung bei der Reichspolizei unzweckmäßig, sind die Sachen auf andere geeignete Weise aufzubewahren oder zu sichern. In diesem Fall kann die Verwahrung auch einem Dritten übertragen werden.

(2) Dem Betroffenen ist eine Bescheinigung auszustellen, die den Grund der Sicherstellung erkennen läßt und die sichergestellten Sachen bezeichnet. Kann nach den Umständen des Falles eine Bescheinigung nicht ausgestellt werden, so ist über die Sicherstellung eine Niederschrift aufzunehmen, die auch erkennen läßt, warum eine Bescheinigung nicht ausgestellt worden ist. Der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist unverzüglich zu unterrichten.

(3) Wird eine sichergestellte Sache verwahrt, so hat die Reichspolizei nach Möglichkeit Wertminderungen vorzubeugen. Das gilt nicht, wenn die Sache durch einen Dritten verwahrt wird.

(4) Die verwahrten Sachen sind zu verzeichnen und so zu kennzeichnen, daß Verwechslungen vermieden werden.

§ 29.

Verwertung, Vernichtung

(1) Die Verwertung einer sichergestellten Sache ist zulässig, wenn

1. ihr Verderb oder eine wesentliche Wertminderung droht,

2. ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist,

3. sie infolge ihrer Beschaffenheit nicht so verwahrt werden kann, daß weitere Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgeschlossen sind,

4. sie nach einer Frist von einem Jahr nicht an einen Berechtigten herausgegeben werden kann, ohne daß die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden oder

5. der Berechtigte sie nicht innerhalb einer ausreichend bemessenen Frist abholt, obwohl ihm eine amtliche Mitteilung über die Frist mit dem Hinweis zugestellt worden ist, daß die Sache verwertet wird, wenn sie nicht innerhalb der Frist abgeholt wird.

(2) Die Anordnung der Verwertung ist dem Berechtigten durch die Aufbewahrungsstelle bekannt zu geben. Zeit und Ort der Verwertung ist mitzuteilen, soweit die Umstände und der Zweck der Maßnahme es erlauben.

(3) Die Sache wird durch öffentliche Versteigerung verwertet. § 979 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gilt entsprechend. Der Erlös tritt an die Stelle der verwerteten Sache. Läßt sich innerhalb angemessener Frist kein Käufer bzw. Ersteigerer finden, so kann die Sache einem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden.

§ 30.

Herausgabe sichergestellter Sachen oder des Erlöses, Kosten

Sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, sind die Sachen an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind. Die Herausgabe ist ausgeschlossen, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen für eine Sicherstellung eintreten würden. Alles weitere bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

§ 31.

Grundsätze der Datenerhebung

Die Reichspolizei darf personenbezogene Daten nur erheben, soweit dies durch dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften und die Durchführungsverordnung über die Datenerhebung der Reichspolizei
zugelassen ist.

Kapitel 3

Vollzugshilfe

§ 32.

Vollzugshilfe

(1) Die Reichspolizei leistet anderen Ämtern auf Ersuchen Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die anderen Ämter nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügen oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise selbst durchsetzen können.
Hierzu bedarf es einer richterlichen Anordnung.

(2) Die Reichspolizei ist nur für die Art und Weise der Durchführung verantwortlich. Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

§ 33.

Verfahren

(1) Vollzugshilfeersuchen sind auf dem schriftlichen Wege zu stellen; sie haben den Grund und die Rechtsgrundlage der Maßnahmen anzugeben.

(2) In Eilfällen kann das Ersuchen formlos gestellt werden. Es ist jedoch auf Verlangen unverzüglich schriftlich zu bestätigen.

§ 34.

Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung

(1) Hat das Vollzugshilfeersuchen eine Freiheitsentziehung zum Inhalt, ist die richterliche Entscheidung im Original über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung vorzulegen. Die §§ 21 und 22 dieses Gesetzes gelten entsprechend.

(2) Ist eine vorherige richterliche Entscheidung nicht ergangen, hat die Reichspolizei die festgehaltene Person zu entlassen, wenn das ersuchende Amt die richterliche Entscheidung nicht unverzüglich nachträglich beantragt.

Kapitel 4

Zwang

Abschnitt 1
Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen

§ 35.

Zulässigkeit des Verwaltungszwanges

(1) Der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein
Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.

(2) Der Verwaltungszwang kann ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dieses zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Reichspolizei hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt.

§ 36.

Androhung der Zwangsmittel

(1) Zwangsmittel sind situationsbedingt anzudrohen. Von der Androhung wird abgesehen, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist.

(2) Die Androhung kann mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Sie soll mit ihm verbunden werden, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.

Abschnitt 2

Anwendung unmittelbaren Zwanges

§ 37.

Rechtliche Grundlagen

(1) Die Reichspolizei ist nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt.

(2) Die Vorschriften über Notwehr und Notstand bleiben unberührt.

§ 38.

Begriffsbestimmungen, zugelassene Waffen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Hilfsmittel sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reiz- und Betäubungsstoffe sowie zum Sprengen bestimmte explosionsfähige Stoffe (Sprengmittel).

(3) Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen.

§ 39.

Handeln auf Anordnung

(1) Die Reichspolizeivollzugsbeamten sind verpflichtet, unmittelbaren Zwang anzuwenden, der von einem Weisungsberechtigten angeordnet wird. Das gilt nicht, wenn die Anordnung die Menschenwürde verletzt oder nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist.

(2) Eine Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Reichspolizeivollzugsbeamte die Anordnung trotzdem, so begeht er eine Straftat.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung hat der Reichspolizeivollzugsbeamte dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist.

Die beamtenrechtliche Vorschriften zum Remonstrationsrecht finden ihre Anwendung.

§ 40.

Hilfeleistung für Verletzte

Wird unmittelbarer Zwang angewendet, ist Verletzten, soweit es nötig ist und die Lage es zuläßt, Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen.

§ 41.

Androhung unmittelbaren Zwanges

(1) Unmittelbarer Zwang ist vor seiner Anwendung anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Als Androhung des Schußwaffengebrauchs gilt auch die Abgabe eines Warnschusses.

(2) Schußwaffen dürfen nur dann ohne Androhung gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(3) Gegenüber einer Menschenmenge ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges möglichst so rechtzeitig anzudrohen, daß sich Unbeteiligte noch entfernen können. Der Gebrauch von Schußwaffen gegen Personen in einer Menschenmenge ist stets anzudrohen. Die Androhung ist vor dem Gebrauch zu wiederholen. Der Gebrauch von technischen Sperren und der Einsatz von Dienstpferden kann ohne Androhung erfolgen.

§ 42.

Fesselung von Personen

Eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, kann gefesselt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

1. Reichspolizeivollzugsbeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen von nicht geringem Wert beschädigen wird,

2. fliehen wird oder befreit werden soll oder

3. sich töten oder verletzen wird.

Dasselbe gilt, wenn eine Person nach anderen Rechtsvorschriften vorgeführt oder zur Durchführung einer Maßnahme an einen anderen Ort gebracht wird.

§ 43.

Allgemeine Vorschriften für den Schußwaffengebrauch

(1) Schußwaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet wurden oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Schußwaffengebrauch gegen Sachen erreicht werden kann.

(2) Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um sie angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.

(3) Gegen Personen, die dem äußeren Eindruck oder der Kenntnis nach noch nicht vierzehn Jahre alt oder erkennbar oder der Kenntnis nach schwanger sind, dürfen Schußwaffen nicht gebraucht werden. Das gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist.

§ 44.

Schußwaffengebrauch gegen Personen

(1) Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um

1. eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren,

2. die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung eines Verbrechens oder einer Straftat unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Explosivmitteln zu verhindern,

3. eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie

a) eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder

b) eines Vergehens dringend verdächtig ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Schußwaffen oder Explosivmittel mit sich führt,

4. zur Vereitlung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, die in amtlichem Gewahrsam zu halten oder ihm zuzuführen ist

a) auf Grund richterlicher Entscheidung wegen eines Verbrechens oder

b) auf Grund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder

c) auf Grund richterlicher Entscheidung wegen eines Vergehens oder

d) auf Grund des dringenden Verdachts eines Vergehens, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Schußwaffen oder Explosivmittel mit sich führt oder

e) um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern.

§ 45.

Sprengmittel

Sprengmittel dürfen gegen Personen nicht angewendet werden.

Kapitel 5

Organisation und Zuständigkeit der Reichspolizei

§ 46.

Reichspolizeiamt

(1) Das Reichspolizeiamt ist die oberste Behörde der Reichspolizei.

(2) Alle polizeilichen Einrichtungen auf dem Staatsgebiet des Deutschen Reiches in seinen völkerrechtlichen Grenzen vom 31. Juli 1914 sind dem Reichspolizeiamt weisungsgebunden untergeordnet.

(3) Reichspolizeieinrichtungen sind auch die Fachhochschulen der Reichspolizei.

§ 47.

Verwaltungsvorschriften

Der Staatssekretär des Innern erläßt zur Ausführung dieses Gesetzes die erforderlichen Verwaltungsvorschriften in Abstimmung mit dem Polizeidirektor der Reichspolizei.

Reichsgesetzblatt „RGBl-1109111-Nr18-Gesetz-Polizeiaufgabengesetz“ Amtsschrift

Reichsgesetzblatt „RGBl-1109111-Nr18-Gesetz-Polizeiaufgabengesetz“

siehe hierzu auch http://deutsche-reichspolizei.de




Patentgesetz vom 25. Mai 1877

Titel: Patentgesetz vom 25. Mai 1877
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1877, Nr. 23, Seite 501–510
Fassung vom: 25. Mai 1877
Bekanntmachung: 30. Mai 1877
Inkrafttreten: 01. Juli 1877
Änderungsstand: 01. Oktober 1891 durch (zweites) Patentgesetz vom 07.April 1891
24. April 2024 durch das Einführungsgesetz vom 17. Mai 2021
Quelle: Scan auf Commons

(Nr. 1193.) Patentgesetz. Vom 25. Mai 1877.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Erster Abschnitt. Patentrecht.

§. 1.

Patente werden ertheilt für neue Erfindungen, welche eine gewerbliche Verwerthung gestatten.
Ausgenommen sind:

1. Erfindungen, deren Verwerthung den Gesetzen oder guten Sitten zuwiderlaufen würde;
2. Erfindungen von Nahrungs-, Genuß- und Arzneimitteln, sowie von Stoffen, welche auf chemischem Wege hergestellt werden, soweit die Erfindungen nicht ein bestimmtes Verfahren zur Herstellung der Gegenstände betreffen.

§. 2.

Eine Erfindung gilt nicht als neu, wenn sie zur Zeit der auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Anmeldung in öffentlichen Druckschriften aus den letzten hundert Jahren bereits derart beschrieben oder im Inlande bereits so offenkundig benutzt ist, daß danach die Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint.
Die im Auslande amtlich herausgegebenen Patentbeschreibungen stehen den öffentlichen Druckschriften erst nach Ablauf von drei Monaten seit dem Tage der Herausgabe gleich, sofern das Patent von demjenigen, welcher die Erfindung im Auslande angemeldet hat, oder von seinem Rechtsnachfolger nachgesucht wird. Diese Begünstigung erstreckt sich jedoch nur auf die amtlichen Patentbeschreibungen derjenigen Staaten, in welchen nach einer im Reichs-Gesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung die Gegenseitigkeit verbürgt ist.

§. 3.

Auf die Ertheilung des Patents hat derjenige Anspruch, welcher die Erfindung zuerst nach Maßgabe dieses Gesetzes angemeldet hat. Eine spätere Anmeldung kann den Anspruch auf ein Patent nicht begründen, wenn die Erfindung Gegenstand des Patents des früheren Anmelders ist. Trifft diese Voraussetzung theilweise zu, so hat der spätere Anmelder nur Anspruch auf Ertheilung eines Patents in entsprechender Beschränkung.
Ein Anspruch des Patentsuchers auf Ertheilung des Patents findet nicht statt, wenn der wesentliche Inhalt seiner Anmeldung den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Geräthschaften oder Einrichtungen eines Anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne Einwilligung desselben entnommen und von dem letzteren aus diesem Grunde Einspruch erhoben ist. Hat der Einspruch die Zurücknahme oder Zurückweisung der Anmeldung zur Folge, so kann der Einsprechende, falls er innerhalb eines Monats seit Mittheilung des hierauf bezüglichen Bescheides des Patentamts die Erfindung seinerseits anmeldet, verlangen, daß als Tag seiner Anmeldung der Tag vor Bekanntmachung der früheren Anmeldung festgesetzt werde.

§. 4.

Das Patent hat die Wirkung, daß der Patentinhaber ausschließlich befugt ist, gewerbsmäßig den Gegenstand der Erfindung herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen. Ist das Patent für ein Verfahren ertheilt, so erstreckt sich die Wirkung auch auf die durch das Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnisse.

§. 5.

Die Wirkung des Patents tritt gegen denjenigen nicht ein, welcher zur Zeit der Anmeldung bereits im Inlande die Erfindung in Benutzung genommen oder die zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Derselbe ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebes in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen. Diese Befugniß kann nur zusammen mit dem Betriebe vererbt oder veräußert werden.
Die Wirkung des Patents tritt ferner insoweit nicht ein, als die Erfindung nach Bestimmung des Reichskanzlers für militärische Zwecke oder sonst im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Doch hat der Patentinhaber in diesem Falle gegenüber dem Reich oder dem Staate, welcher in seinem besonderen Interesse die Beschränkung des Patents beantragt hat, Anspruch auf angemessene Vergütung, welche in Ermangelung einer Verständigung im Rechtswege festgesetzt wird.
Auf Einrichtungen an Fahrzeugen, welche nur vorübergehend in das Inland gelangen, erstreckt sich die Wirkung des Patents nicht.

§. 6.

Der Anspruch auf Ertheilung des Patents und das Recht aus dem Patent gehen auf die Erben über. Der Anspruch und das Recht können beschränkt oder unbeschränkt durch Vertrag oder durch Verfügung von Todeswegen auf andere übertragen werden.

§. 7.

Die Dauer des Patents ist fünfzehn Jahre; der Lauf dieser Zeit beginnt mit dem auf die Anmeldung der Erfindung folgenden Tage. Bezweckt eine Erfindung die Verbesserung oder sonstige weitere Ausbildung einer anderen, zu Gunsten des Patentsuchers durch ein Patent geschützten Erfindung, so kann dieser die Ertheilung eines Zusatzpatents nachsuchen, welches mit dem Patent für die ältere Erfindung sein Ende erreicht.
Wird durch die Erklärung der Nichtigkeit des Hauptpatents ein Zusatzpatent zu einem selbständigen Patent, so bestimmt sich dessen Dauer und der Fälligkeitstag der Gebühren nach dem Anfangstage des Hauptpatents. Für den Jahresbetrag der Gebühren ist der Anfangstag des Zusatzpatents maßgebend. Dabei gilt als erstes Patentjahr der Zeitabschnitt zwischen dem Tage der Anmeldung des Zusatzpatents und dem nächstfolgenden Jahrestage des Anfangs des Hauptpatents.

§. 8.

Für jedes Patent ist vor der Ertheilung eine Gebühr von dreißig Mark zu entrichten (§. 24 Absatz 1).
Mit Ausnahme der Zusatzpatente (§. 7) ist außerdem für das Patent mit Beginn des zweiten und jedes folgenden Jahres der Dauer eine Gebühr zu entrichten, welche das erste Mal fünfzig Mark beträgt und weiterhin jedes Jahr um fünfzig Mark steigt.
Diese Gebühr (Absatz 2) ist innerhalb sechs Wochen nach der Fälligkeit zu entrichten. Nach Ablauf der Frist kann die Zahlung nur unter Zuschlag einer Gebühr von zehn Mark innerhalb weiterer sechs Wochen erfolgen.
Einem Patentinhaber, welcher seine Bedürftigkeit nachweist, können die Gebühren für das erste und zweite Jahr der Dauer des Patents bis zum dritten Jahre gestundet und, wenn das Patent im dritten Jahre erlischt, erlassen werden.
Die Zahlung der Gebühren kann vor Eintritt der Fälligkeit erfolgen. Wird auf das Patent verzichtet oder dasselbe für nichtig erklärt oder zurückgenommen, so erfolgt die Rückzahlung der nicht fällig gewordenen Gebühren.
Durch Beschluß des Bundesraths kann eine Herabsetzung der Gebühren angeordnet werden.

§. 9.

Das Patent erlischt, wenn der Patentinhaber auf dasselbe verzichtet, oder wenn die Gebühren nicht rechtzeitig bei der Kasse des Patentamts oder zur Ueberweisung an dieselbe bei einer Postanstalt im Gebiete des Deutschen Reichs eingezahlt sind.

§. 10.

Das Patent wird für nichtig erklärt, wenn sich ergiebt:

1. daß der Gegenstand nach §§. 1 und 2 nicht patentfähig war,
2. daß die Erfindung Gegenstand des Patents eines früheren Anmelders ist,
3. daß der wesentliche Inhalt der Anmeldung den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Geräthschaften oder Einrichtungen eines Anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne Einwilligung desselben entnommen war.
Trifft eine dieser Voraussetzungen (1 bis 3) nur theilweise zu, so erfolgt die Erklärung der Nichtigkeit durch entsprechende Beschränkung des Patents.

§. 11.

Das Patent kann nach Ablauf von drei Jahren, von dem Tage der über die Ertheilung des Patents erfolgten Bekanntmachung (§. 27 Absatz 1) gerechnet, zurückgenommen werden:

1. wenn der Patentinhaber es unterläßt, im Inlande die Erfindung in angemessenem Umfange zur Ausführung zu bringen, oder doch alles zu thun, was erforderlich ist, um diese Ausführung zu sichern;
2. wenn im öffentlichen Interesse die Ertheilung der Erlaubniß zur Benutzung der Erfindung an andere geboten erscheint, der Patentinhaber aber gleichwohl sich weigert, diese Erlaubniß gegen angemessene Vergütung und genügende Sicherstellung zu ertheilen.

§. 12.

Wer nicht im Inlande wohnt, kann den Anspruch auf die Ertheilung eines Patents und die Rechte aus dem Patent nur geltend machen, wenn er im Inlande einen Vertreter bestellt hat. Der Letztere ist zur Vertretung in dem nach Maßgabe dieses Gesetzes stattfindenden Verfahren, sowie in den das Patent betreffenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und zur Stellung von Strafanträgen befugt. Der Ort, wo der Vertreter seinen Wohnsitz hat, und in Ermangelung eines solchen der Ort, wo das Patentamt seinen Sitz hat, gilt im Sinne des §. 24 der Civilprozeßordnung als der Ort, wo sich der Vermögensgegenstand befindet.
Unter Zustimmung des Bundesraths kann durch Anordnung des Reichskanzlers bestimmt werden, daß gegen die Angehörigen eines ausländischen Staates ein Vergeltungsrecht zur Anwendung gebracht werde.

Zweiter Abschnitt. Patentamt.

§. 13.

Die Ertheilung, die Erklärung der Nichtigkeit und die Zurücknahme der Patente erfolgt durch das Patentamt.
Das Patentamt hat seinen Sitz in Berlin. Es besteht aus einem Präsidenten, aus Mitgliedern, welche die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen (rechtskundige Mitglieder), und aus Mitgliedern, welche in einem Zweige der Technik sachverständig sind (technische Mitglieder). Die Mitglieder werden, und zwar der Präsident auf Vorschlag des Bundesraths, vom Kaiser ernannt. Die Berufung der rechtskundigen Mitglieder erfolgt, wenn sie im Reichs- oder Staatsdienst ein Amt bekleiden, auf die Dauer dieses Amts, anderenfalls auf Lebenszeit. Die Berufung der technischen Mitglieder erfolgt entweder auf Lebenszeit oder auf fünf Jahre. In letzterem Falle finden auf sie die Bestimmungen im §. 16 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873 keine Anwendung.

§. 14.

In dem Patentamt werden

1. Abtheilungen für die Patentanmeldungen (Anmeldeabtheilungen),
2. eine Abtheilung für die Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit oder auf Zurücknahme von Patenten (Nichtigkeitsabtheilung),
3. Abtheilungen für die Beschwerden (Beschwerdeabtheilungen) gebildet.
In den Anmeldeabtheilungen dürfen nur solche technische Mitglieder mitwirken, welche auf Lebenszeit berufen sind. Die technischen Mitglieder der Anmeldeabtheilungen dürfen nicht in den übrigen Abtheilungen, die technischen Mitglieder der letzteren nicht in den Anmeldeabtheilungen mitwirken.
Die Beschlußfähigkeit der Anmeldeabtheilungen ist durch die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern bedingt, unter welchen sich zwei technische Mitglieder befinden müssen. Im Falle, daß es sich um die Neubewertung eines bereits bestehenden Patents handelt, ist die Beschlußfähigkeit der Abtheilung auch durch die Anwesenheit eines einzelnen Mitglieds gegeben.
Die Entscheidungen der Nichtigkeitsabtheilung und der Beschwerdeabtheilungen erfolgen in der Besetzung von zwei rechtskundigen und drei technischen Mitgliedern. Zu anderen Beschlußfassungen genügt die Anwesenheit von drei Mitgliedern.
Die Bestimmungen der Civilprozeßordnung über Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen finden entsprechende Anwendung.
Zu den Berathungen können Sachverständige, welche nicht Mitglieder sind, zugezogen werden; dieselben dürfen an den Abstimmungen nicht theilnehmen.

§. 15.

Die Beschlüsse und die Entscheidungen der Abtheilungen erfolgen im Namen des Patentamts; sie sind mit Gründen zu versehen, schriftlich auszufertigen und allen Betheiligten von Amtswegen per Post, Fernkopie (Fax) und elektronischer Post (ePost oder EMail) zuzustellen.

§. 16.

Gegen die Beschlüsse der Anmeldeabtheilungen und der Nichtigkeitsabtheilung findet die Beschwerde statt. An der Beschlußfassung über die Beschwerde darf kein Mitglied theilnehmen, welches bei dem angefochtenen Beschlusse mitgewirkt hat.
Sollte das Patentamt nicht sowohl über Abtheilungen, als auch Mitglieder derselben, welche bei dem angefochtenen Beschlüsse nicht mitgewirkt haben, verfügen, so wird die Beschwerde zur Beschlußfassung dem Bundesrathe vorgelegt.

§. 17.

Die Bildung der Abtheilungen, die Bestimmung ihres Geschäftskreises, die Formen des Verfahrens, einschließlich des Zustellungswesens, und der Geschäftsgang des Patentamts werden, insoweit dieses Gesetz nicht Bestimmungen darüber trifft, durch Kaiserliche Verordnung unter Zustimmung des Bundesraths geregelt.

§. 18.

Das Patentamt ist verpflichtet, auf Ersuchen der Gerichte über Fragen, welche Patente betreffen, Gutachten abzugeben, sofern in dem gerichtlichen Verfahren von einander abweichende Gutachten mehrerer Sachverständiger vorliegen.
Im Uebrigen ist das Patentamt nicht befugt, ohne Genehmigung des Reichskanzlers außerhalb seines gesetzlichen Geschäftskreises Beschlüsse zu fassen oder Gutachten abzugeben.

§. 19.

Bei dem Patentamt wird eine Rolle geführt, welche den Gegenstand und die Dauer der ertheilten Patente, sowie den Namen und Wohnort der Patentinhaber und ihrer bei Anmeldung der Erfindung etwa bestellten Vertreter angiebt. Der Anfang, der Ablauf, das Erlöschen, die Erklärung der Nichtigkeit und die Zurücknahme der Patente sind, unter gleichzeitiger Bekanntmachung durch den Reichsanzeiger, in der Rolle zu vermerken.
Tritt in der Person des Patentinhabers oder seines Vertreters eine Aenderung ein, so wird dieselbe, wenn sie in beweisender Form zur Kenntniß des Patentamts gebracht ist, ebenfalls in der Rolle vermerkt und durch den Reichsanzeiger veröffentlicht. Solange dieses nicht geschehen ist, bleiben der frühere Patentinhaber und sein früherer Vertreter nach Maßgabe dieses Gesetzes berechtigt und verpflichtet.
Die Einsicht der Rolle, der Beschreibungen, Zeichnungen, Modelle und Probestücke, auf Grund deren die Ertheilung der Patente erfolgt ist, steht, soweit es sich nicht um ein im Namen der Reichsverwaltung für militärische Zwecke genommenes Patent handelt, jedermann frei.
Das Patentamt veröffentlicht die Beschreibungen und Zeichnungen, soweit deren Einsicht jedermann freisteht, in ihren wesentlichen Theilen durch ein amtliches Blatt. In dasselbe sind auch die Bekanntmachungen aufzunehmen, welche durch den Reichsanzeiger nach Maßgabe dieses Gesetzes erfolgen müssen.

Dritter Abschnitt. Verfahren in Patentsachen.

§. 20.

Die Anmeldung einer Erfindung behufs Ertheilung eines Patents geschieht schriftlich bei dem Patentamt. Für jede Erfindung ist eine besondere Anmeldung erforderlich. Die Anmeldung muß den Antrag auf Ertheilung des Patents enthalten und in dem Antrage den Gegenstand, welcher durch das Patent geschützt werden soll, genau bezeichnen. In einer Anlage ist die Erfindung dergestalt zu beschreiben, daß danach die Benutzung derselben durch andere Sachverständige möglich erscheint. Am Schlusse der Beschreibung ist dasjenige anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (Patentanspruch). Auch sind die erforderlichen Zeichnungen, bildlichen Darstellungen, Modelle und Probestücke beizufügen.
Das Patentamt erläßt Bestimmungen über die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung.
Bis zu dem Beschlusse über die Bekanntmachung der Anmeldung sind Abänderungen der darin enthaltenen Angaben zulässig. Gleichzeitig mit der Anmeldung sind für die Kosten des Verfahrens zwanzig Mark zu zahlen.

§. 21.

Die Anmeldung unterliegt einer Vorprüfung durch ein Mitglied der Anmeldeabtheilung.
Erscheint hierbei die Anmeldung als den vorgeschriebenen Anforderungen (§. 20) nicht genügend, so wird durch Vorbescheid der Patentsucher aufgefordert, die Mängel innerhalb einer bestimmten Frist zu beseitigen.
Insoweit die Vorprüfung ergiebt, daß eine nach §§. 1, 2, 3 Absatz 1 patentfähige Erfindung nicht vorliegt, wird der Patentsucher hiervon unter Angabe der Gründe mit der Aufforderung benachrichtigt, sich binnen einer bestimmten Frist zu äußern.
Erklärt sich der Patentsucher auf den Vorbescheid (Absatz 2 und 3) nicht rechtzeitig, so gilt die Anmeldung als zurückgenommen; erklärt er sich innerhalb der Frist, so faßt die Anmeldeabtheilung Beschluß.

§. 22.

Ist durch die Anmeldung den vorgeschriebenen Anforderungen (§. 20) nicht genügt oder ergiebt sich, daß eine nach §§. 1, 2, 3 Absatz 1 patentfähige Erfindung nicht vorliegt, so wird die Anmeldung von der Abtheilung zurückgewiesen. An der Beschlußfassung darf das Mitglied, welches den Vorbescheid erlassen hat, nicht theilnehmen.
Soll die Zurückweisung auf Grund von Umständen erfolgen, welche nicht bereits durch den Vorbescheid dem Patentsucher mitgetheilt waren, so ist demselben vorher Gelegenheit zu geben, sich über diese Umstände binnen einer bestimmten Frist zu äußern.

§. 23.

Erachtet das Patentamt die Anmeldung für gehörig erfolgt und die Ertheilung eines Patents nicht für ausgeschlossen, so beschließt es die Bekanntmachung der Anmeldung. Mit der Bekanntmachung treten für den Gegenstand der Anmeldung zu Gunsten des Patentsuchers einstweilen die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein (§§. 4 und 5).
Die Bekanntmachung geschieht in der Weise, daß der Name des Patentsuchers und der wesentliche Inhalt des in seiner Anmeldung enthaltenen Antrags durch den Reichsanzeiger einmal veröffentlicht wird. Mit der Veröffentlichung ist die Anzeige zu verbinden, daß der Gegenstand der Anmeldung einstweilen gegen unbefugte Benutzung geschützt sei.
Gleichzeitig ist die Anmeldung mit sämmtlichen Beilagen bei dem Patentamt zur Einsicht für jedermann auszulegen. Auf dem durch §. 17 des Gesetzes bestimmten Wege kann angeordnet werden, daß die Auslegung auch außerhalb Berlins zu erfolgen habe.
Die Bekanntmachung kann auf Antrag des Patentsuchers auf die Dauer von höchstens sechs Monaten, vom Tage des Beschlusses über die Bekanntmachung an gerechnet, ausgesetzt werden. Bis zur Dauer von drei Monaten darf die Aussetzung nicht versagt werden.
Handelt es sich um ein im Namen der Reichsverwaltung für die Zwecke des Heeres oder der Flotte nachgesuchtes Patent, so erfolgt auf Antrag die Patentertheilung ohne jede Bekanntmachung. In diesem Falle unterbleibt auch die Eintragung in die Patentrolle.

§. 24.

Innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der Veröffentlichung (§. 23) ist die erste Jahresgebühr (§. 8 Absatz 1) einzuzahlen. Erfolgt die Einzahlung nicht binnen dieser Frist, so gilt die Anmeldung als zurückgenommen.
Innerhalb der gleichen Frist kann gegen die Ertheilung des Patents Einspruch erhoben werden. Der Einspruch muß schriftlich erfolgen und mit Gründen versehen sein. Er kann nur auf die Behauptung gestützt werden, daß der Gegenstand nach §§. 1 und 2 nicht patentfähig sei, oder daß dem Patentsucher ein Anspruch auf das Patent nach §. 3 nicht zustehe. Im Falle des §. 3 Absatz 2 ist nur der Verletzte zum Einspruch berechtigt.
Nach Ablauf der Frist hat das Patentamt über die Ertheilung des Patents Beschluß zu fassen. An der Beschlußfassung darf das Mitglied, welches den Vorbescheid (§. 21) erlassen hat, nicht theilnehmen.

§. 25.

Bei der Vorprüfung und in dem Verfahren vor der Anmeldeabtheilung kann jederzeit die Ladung und Anhörung der Betheiligten, die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, sowie die Vornahme sonstiger zur Aufklärung der Sache erforderlicher Ermittelungen angeordnet werden.

§. 26.

Gegen den Beschluß, durch welchen die Anmeldung zurückgewiesen wird, kann der Patentsucher, und gegen den Beschluß, durch welchen über die Ertheilung des Patents entschieden wird, der Patentsucher oder der Einsprechende innerhalb eines Monats nach der Zustellung Beschwerde einlegen. Mit der Einlegung der Beschwerde sind für die Kosten des Beschwerdeverfahrens zwanzig Mark zu zahlen; erfolgt die Zahlung nicht, so gilt die Beschwerde als nicht erhoben.
Ist die Beschwerde an sich nicht statthaft oder ist dieselbe verspätet eingelegt, so wird sie als unzulässig verworfen.
Wird die Beschwerde für zulässig befunden, so richtet sich das weitere Verfahren nach §. 25. Die Ladung und Anhörung der Betheiligten muß auf Antrag eines derselben erfolgen. Dieser Antrag kann nur abgelehnt werden, wenn die Ladung des Antragstellers in dem Verfahren vor der Anmeldeabtheilung bereits erfolgt war.
Soll die Entscheidung über die Beschwerde auf Grund anderer als der in dem angegriffenen Beschlusse berücksichtigten Umstände erfolgen, so ist den Bethetligten zuvor Gelegenheit zu geben, sich hierüber zu äußern.
Das Patentamt kann nach freiem Ermessen bestimmen, inwieweit einem Betheiligten im Falle des Unterliegens die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last fallen, sowie anordnen, daß dem Betheiligten, dessen Beschwerde für gerechtfertigt befunden ist, die Gebühr (Absatz 1) zurückgezahlt wird.

§. 27.

Ist die Ertheilung des Patents endgültig beschlossen, so erläßt das Patentamt darüber durch den Reichsanzeiger eine Bekanntmachung und fertigt demnächst für den Patentinhaber eine Urkunde aus.
Wird die Anmeldung nach der Veröffentlichung (§. 23) zurückgenommen oder wird das Patent versagt, so ist dies ebenfalls bekannt zu machen. Die eingezahlte Jahresgebühr wird in diesen Fällen erstattet. Mit der Versagung des Patents gelten die Wirkungen des einstweiligen Schutzes als nicht eingetreten.

§. 28.

Die Einleitung des Verfahrens wegen Erklärung der Nichtigkeit oder wegen Zurücknahme des Patents erfolgt nur auf Antrag.
Im Falle des §. 10 Nr. 3 ist nur der Verletzte zu dem Antrage berechtigt.
Im Falle des §. 10 Nr. 1 ist nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tage der über die Ertheilung des Patents erfolgten Bekanntmachung (§. 27 Absatz 1) gerechnet, der Antrag unstatthaft.
Der Antrag ist schriftlich an das Patentamt zu richten und hat die Thatsachen anzugeben, auf welche er gestützt wird. Mit dem Antrage ist eine Gebühr von fünfzig Mark zu zahlen. Erfolgt die Zahlung nicht, so gilt der Antrag als nicht gestellt. Die Gebühr wird erstattet, wenn das Verfahren ohne Anhörung der Betheiligten beendet wird.
Wohnt der Antragsteller im Auslande, so hat er dem Gegner auf dessen Verlangen Sicherheit wegen der Kosten des Verfahrens zu leisten. Die Höhe der Sicherheit wird von dem Patentamt nach freiem Ermessen festgesetzt. Dem Antragsteller wird bei Anordnung der Sicherheitsleistung eine Frist bestimmt, binnen welcher die Sicherheit zu leisten ist. Erfolgt die Sicherheitsleistung nicht vor Ablauf der Frist, so gilt der Antrag als zurückgenommen.

§. 29.

Nachdem die Einleitung des Verfahrens verfügt ist, fordert das Patentamt den Patentinhaber unter Mittheilung des Antrags auf, sich über denselben innerhalb eines Monats zu erklären.
Erklärt der Patentinhaber binnen der Frist sich nicht, so kann ohne Ladung und Anhörung der Betheiligten sofort nach dem Antrage entschieden und bei dieser Entscheidung jede von dem Antragsteller behauptete Thatsache für erwiesen angenommen werden.

§. 30.

Widerspricht der Patentinhaber rechtzeitig, oder wird im Falle des §. 29 Absatz 2 nicht sofort nach dem Antrage entschieden, so trifft das Patentamt, und zwar im ersteren Falle unter Mittheilung des Widerspruchs an den Antragsteller, die zur Aufklärung der Sache erforderlichen Verfügungen. Es kann die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen anordnen. Auf dieselben finden die Vorschriften der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. Die Beweisverhandlungen sind unter Zuziehung eines beeidigten Protokollführers aufzunehmen.
Die Entscheidung erfolgt nach Ladung und Anhörung der Betheiligten.
Wird die Zurücknahme des Patents auf Grund des §. 11 Nr. 2 beantragt, so muß der diesem Antrage entsprechenden Entscheidung eine Androhung der Zurücknahme unter Angabe von Gründen und unter Festsetzung einer angemessenen Frist vorausgehen.

§. 31.

In der Entscheidung (§§. 29, 30) hat das Patentamt nach freiem Ermessen zu bestimmen, zu welchem Antheile die Kosten des Verfahrens den Betheiligten zur Last fallen.

§. 32.

Die Gerichte sind verpflichtet, dem Patentamt Rechtshülfe zu leisten. Die Festsetzung einer Strafe gegen Zeugen und Sachverständige, welche nicht erscheinen ober ihre Aussage oder deren Beeidigung verweigern, sowie die Vorführung eines nicht erschienenen Zeugen erfolgt auf Ersuchen durch die Gerichte.

§. 33.

Gegen die Entscheidung des Patentamts (§§. 29, 30) ist die Berufung zulässig. Die Berufung geht an das Reichsgericht. Sie ist binnen sechs Wochen nach der Zustellung bei dem Patentamt schriftlich anzumelden und zu begründen.
Durch das Urtheil des Gerichtshofs ist nach Maßgabe des §. 31 auch über die Kosten des Verfahrens zu bestimmen.
Im Uebrigen wird das Verfahren vor dem Gerichtshof durch ein Regulativ bestimmt, welches von dem Gerichtshof zu entwerfen ist und durch Kaiserliche Verordnung unter Zustimmung des Bundesraths festgestellt wird.

§. 34.

In Betreff der Geschäftssprache vor dem Patentamt finden die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Gerichtssprache entsprechende Anwendung. Eingaben, welche nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, werden nicht berücksichtigt.

Vierter Abschnitt. Strafen und Entschädigung.

§. 35.

Wer wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit den Bestimmungen der §§. 4 und 5 zuwider eine Erfindung in Benutzung nimmt, ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtet.
Handelt es sich um eine Erfindung, welche ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Stoffes zum Gegenstand hat, so gilt bis zum Beweise des Gegentheils jeder Stoff von gleicher Beschaffenheit als nach dem patentirten Verfahren hergestellt.

§. 36.

Wer wissentlich den Bestimmungen der §§. 4 und 5 zuwider eine Erfindung in Benutzung nimmt, wird mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft.
Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig.
Wird auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzusprechen, die Verurtheilung auf Kosten des Verurtheilten öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben ist im Urtheil zu bestimmen.

§. 37.

Statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädigung kann auf Verlangen des Beschädigten neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von zehntausend Mark erkannt werden. Für diese Buße haften die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner.
Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs aus.

§. 38.

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des §. 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze dem Reichsgericht zugewiesen.

§. 39.

Gemäß Artikel 3, §. 2. des Einführungsgesetz vom 17. Mai 2021 wurde die Verjährungsfrist gestrichen.

§. 40.

Mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wird bestraft:

1. wer Gegenstände oder deren Verpackung mit einer Bezeichnung versieht, welche geeignet ist, den Irrthum zu erregen, daß die Gegenstände durch ein Patent nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützt seien;
2. wer in öffentlichen Anzeigen, auf Aushängeschildern, auf Empfehlungskarten oder in ähnlichen Kundgebungen eine Bezeichnung anwendet, welche geeignet ist, den Irrthum zu erregen, daß die darin erwähnten Gegenstände durch ein Patent nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützt seien.

Fünfter Abschnitt. Uebergangsbestimmungen.

§. 41.

Die auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen zur Zeit bestehenden Patente bleiben nach Maßgabe dieser Bestimmungen bis zu ihrem Ablaufe in Kraft; eine Verlängerung ihrer Dauer ist unzulässig.

§. 42.

Der Inhaber eines bestehenden Patentes (§. 41) kann für die dadurch geschützte Erfindung die Ertheilung eines Patentes nach Maßgabe dieses Gesetzes beanspruchen. Die Prüfung der Erfindung unterliegt dann dem durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Verfahren. Die Ertheilung des Patentes ist zu versagen, wenn vor der Beschlußfassung über die Ertheilung der Inhaber eines anderen, für dieselbe Erfindung bestehenden Patentes (§. 41) die Ertheilung des Patentes beansprucht oder gegen die Ertheilung Einspruch erhebt. Wegen mangelnder Neuheit ist die Ertheilung des Patentes nur dann zu versagen, wenn die Erfindung zur Zeit, als sie im Inlande zuerst einen Schutz erlangte, im Sinne des §. 2 nicht mehr neu war.
Mit der Ertheilung eines Patentes nach Maßgabe dieses Gesetzes erlöschen die für dieselbe Erfindung bestehenden Patente (§. 41), soweit der Inhaber des neuen Patentes deren Inhaber ist. Soweit dieses nicht der Fall ist, treten die gesetzlichen Wirkungen des neuen Patentes in dem Geltungsbereiche der bestehenden Patente erst mit dem Ablaufe der letzteren ein.

§. 43.

Auf die gesetzliche Dauer eines nach Maßgabe des §. 42 ertheilten Patentes wird die Zeit in Anrechnung gebracht, während deren die Erfindung nach dem ältesten der bestehenden Patente im Inlande bereits geschützt gewesen ist. Der Patentinhaber ist für die noch übrige Dauer des Patentes zur Zahlung der gesetzlichen Gebühren (§. 8) verpflichtet; der Fälligkeitstag und der Jahresbetrag der Gebühren wird nach dem Zeitpunkte bestimmt, mit welchem die Erfindung im Inlande zuerst einen Schutz erlangt hat.

§. 44.

Durch die Ertheilung eines Patentes nach Maßgabe des §. 42 werden diejenigen, welche die Erfindung zur Zeit der Anmeldung derselben ohne Verletzung eines Patentrechts bereits in Benutzung genommen oder die zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatten, in dieser Benutzung nicht beschränkt.

§. 45.

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1877 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 25. Mai 1877.

(L. S.)  Wilhelm. Fürst v. Bismarck.