RGBl-1109111-Nr18-Gesetz-Polizeiaufgabengesetz

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Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Reichspolizei im Deutschen Reich
(Polizeiaufgabengesetz)

gegeben am 11.09.2011, im Namen des Deutschen Reiches

In Kraft gesetzt am 01.10.2011 durch Veröffentlichung im Deutschen Reichs-Anzeiger
nach erfolgter Zustimmung des Volks-Bundesrathes und des Volks-Reichstages, was folgt:

Nr. 18
Kapitel 1
Aufgaben und allgemeine Vorschriften

§ 1.
Aufgaben der Reichspolizei

Die Reichspolizei hat im gesamten Umfang der Reichsgesetzgebung des Deutschen Reiches in seinen völkerrechtlichen Grenzen vom 31. Juli 1914 die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr), Straftaten zu verhüten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) und die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistungen und das Handeln in Gefahrenfällen zu treffen.

§ 2.
Grenzschutz

(1) Der Reichspolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz der Grenzen des Deutschen Reiches.

(2) Der Reichsgrenzschutz umfaßt:

1. die polizeiliche Überwachung der Grenzen,

2. die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich

a) der Überprüfung der Grenzübertrittpapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,

b) der Grenzfahndung,

c) der Abwehr von Gefahren.

Weitere Rechtsvorschriften sind durch den Staatssekretär des Innern mit Zustimmung des Volks-Bundesrathes und Volks-Reichstages zu veranlassen und werden bestimmt durch die Durchführungsverordnung für den grenzpolizeilichen Dienst.

§ 3.

Bahnpolizei

Die Reichspolizei hat die Aufgabe, für alle auf dem Staatsgebiet des Deutschen Reiches bestehenden Staatseisenbahnen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.

§ 4.

Luftsicherheit

Der Reichspolizei obliegt der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, auf deutschem Hoheitsgebiet am Boden als auch an Bord von im Flug befindlichen Luftfahrzeugen.
Die Reichspolizei kann zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung an Bord von Luftfahrzeugen und auf dem deutschen Hoheitsgebiet eingesetzt werden. Diese Maßnahmen müssen stets im Einklang mit den Anforderungen an die Sicherheit des Luftfahrzeugs und der Passagiere stehen und sind daher grundsätzlich in enger Abstimmung mit dem Luftfahrzeugführer zu treffen.

§ 5.

Schutz von Reichsorganen

(1) Die Reichspolizei hat alle Verfassungsorgane des Deutschen Reiches gegen Gefahren zu schützen, die die Durchführung ihrer Aufgaben beeinträchtigen, wenn diese darum ersuchen und Einvernehmen mit dem Reichsamt des Innern besteht.

(2) Die Reichspolizei unterstützt

1. den Präsidenten des Deutschen Reichstages bei der Wahrnehmung des Hausrechts und der Polizeigewalt im Gebäude des Reichstages,

2. das Auswärtige Amt bei der Wahrnehmung von Aufgaben zum Schutz deutscher Auslandsvertretungen,

3. das Reichskriminalamt bei der Wahrnehmung seiner Schutzaufgaben gemäß des Reichskriminalamtsgesetzes.

(3) Die Entscheidung über die Unterstützung nach Absatz 1 trifft das Reichsamt des Innern. Die Polizeivollzugsbeamten der Reichspolizei unterliegen bei Wahrnehmung dieser Unterstützungsaufgaben den fachlichen Weisungen der unterstützten Stelle.

§ 6.

Einsatz von Hubschraubern

Die Reichspolizei verfügt nach Maßgabe des Haushaltsplans über Hubschrauber als polizeiliches Einsatz- und Transportmittel sowie zur Beförderung von Mitgliedern der Verfassungsorgane, den Angehörigen der Reichsregierung und deren Gäste.
Das Reichsamt des Innern bestimmt durch Verwaltungsvorschrift Voraussetzungen und Verfahren für die Beförderung von Personen durch Hubschrauber der Reichspolizei, soweit es sich nicht um die
Verwendung von Hubschraubern als polizeiliches Einsatz- und Transportmittel handelt.

§ 7.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Reichspolizei diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß der Zweck mit dieser Maßnahme nicht erreicht werden kann oder die Unverhältnismäßigkeit festgestellt wird.

§ 8.
Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen

(1) Ist die Person noch nicht vierzehn Jahre alt, können die Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die zur Aufsicht über sie verpflichtet ist.

(2) Ist für die Person ein Betreuer bestellt, so können die Maßnahmen auch gegen den Betreuer im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtet werden. Dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuches bezeichneten Angelegenheiten nicht erfaßt.

(3) Verursacht eine Person, die zu einer Verrichtung bestellt ist, Gefahren in Ausführung der Verrichtung, so können Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die die andere zu der Verrichtung bestellt hat.

§ 9.
Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen und Tier

(1) Geht von einer Sache oder von einem Tier eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind die nachfolgenden für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend auf Tiere anzuwenden.

(2) Maßnahmen können auch gegen den Eigentümer oder einen anderen Berechtigten gerichtet werden. Das gilt nicht, wenn der Inhaber der tatsächlichen Gewalt diese ohne den Willen des Eigentümers oder Berechtigten ausübt.

(3) Geht die Gefahr von einer herrenlosen Sache aus, so können die Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.

§ 10.
Legitimationspflicht

Auf Verlangen des von einer Maßnahme Betroffenen hat sich der Reichspolizeivollzugs-beamte mit einem Amtsausweis auszuweisen.

Kapitel 2

Befugnisse der Reichspolizei, allgemeine und besondere Befugnisse

§ 11.

Allgemeine Befugnisse, Begriffsbestimmung

(1) Die Reichspolizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die §§ 12 bis 34 die Befugnisse der Reichspolizei besonders regeln.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben, die der Reichspolizei durch andere Rechtsvorschriften zugewiesen sind (§ 1), hat sie die dort vorgesehenen Befugnisse. Soweit solche Rechtsvorschriften Befugnisse
der Reichspolizei nicht regeln, hat sie die Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen.

§ 12.

Befragung, Auskunftspflicht

(1) Die Reichspolizei kann jede Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten reichspolizeilichen Aufgabe erforderlich sind. Die zu befragende Person ist verpflichtet, auf Frage Familienname, Vorname, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben. Sie ist zu weiteren Auskünften verpflichtet, soweit gesetzliche Handlungspflichten bestehen.
Weiteres regelt die Strafprozeßordnung (StPO) oder Civilprozeßordnung (CPO).

(2) Zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität kann die Reichspolizei im öffentlichen Verkehrsraum angetroffene Personen kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung ausgehändigt werden sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn aufgrund von Lageerkenntnissen anzunehmen ist, daß Straftaten von erheblicher Bedeutung (Verbrechen und Vergehen) begangen werden sollen. Ort, Zeit und Umfang der Maßnahme dürfen nur durch den Reichspolizeipräsidenten oder seinen Vertreter im Amt angeordnet werden.

§ 13.

Identitätsfeststellung

(1) Die Reichspolizei kann die Identität einer Person zur Abwehr einer Gefahr feststellen.

(2) Die Reichspolizei kann die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personendaten befragen und verlangen, daß er Angaben zur Feststellung seiner Identität macht und mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Der Betroffene kann festgehalten werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen können durchsucht werden.

§ 14.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind insbesondere:

1. die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,

2. die Aufnahme von Lichtbildern,

3. die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale,

4. Messungen,

5. GEN – Material.

(2) Die Reichspolizei kann erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn

1. eine nach § 13 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist oder

2. das zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Tat begangen zu haben, die mit Strafe bedroht ist und wegen der Art und Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht.

(3) Ist die Identität festgestellt, sind in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 die im Zusammenhang mit der Feststellung angefallenen erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist zu dem in Absatz 2 Nr. 2 bezeichneten Zweck erforderlich oder nach anderen Rechtsvorschriften zulässig.

(4) Der Betroffene ist bei Vornahme der Maßnahme darüber zu belehren, daß er die Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen verlangen kann, wenn die Voraussetzungen für ihre weitere Aufbewahrung entfallen sind. Sind die Unterlagen ohne Wissen des Betroffenen angefertigt worden, ist ihm mitzuteilen, welche Unterlagen aufbewahrt werden, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann.

§ 15.

Prüfung von Berechtigungsscheinen

Die Reichspolizei kann verlangen, daß ein Berechtigungsschein zur Prüfung ausgehändigt wird, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift oder einer vollziehbaren Auflage in einem Erlaubnisbescheid verpflichtet ist, diesen Berechtigungsschein mitzuführen. Der Betroffene kann für die Dauer der Maßnahme angehalten werden.

§ 16.

Vorladung

(1) Die Reichspolizei kann eine Person auf dem postalischen Weg schriftlich vorladen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,

1. daß die Person sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind oder

2. daß zur Durchführung erkennungsdienstliche Maßnahmen erforderlich sind.

(2) Bei der Vorladung soll deren Grund angegeben werden. Bei der Festsetzung des Zeitpunkts soll auf den Beruf und die sonstigen Lebensverhältnisse des Betroffenen Rücksicht genommen werden.

(3) Leistet ein Betroffener der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden,

1. wenn die Angaben zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich sind oder

2. wenn sie der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen dient. Die zwangsweise Vorführung darf nur aufgrund richterlicher Anordnung erfolgen.

(4) § 124 der Strafprozessordnung (StPO) gilt entsprechend.

§ 17.

Platzverweisung und Aufenthaltsverbot

Die Reichspolizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.

Die Platzverweisung kann ferner gegen Personen angeordnet werden, die den Einsatz der Feuerwehr oder von Hilfs- oder Rettungsdiensten behindern.

§ 18.

Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt

(1) Die Reichspolizei kann eine Person, auch eine betroffene Person, (?) zur Abwehr einer von ihr ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person aus einer Wohnung (§ 23 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes ?), in der die gefährdete Person wohnt, sowie aus
deren unmittelbaren Umgebung verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen.

Die Maßnahmen können auch auf Wohn- und Nebenräume beschränkt werden.

(2) Der betroffenen Person ist Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen.

(3) Die betroffene Person ist verpflichtet, der Reichspolizei zum Zwecke der Zustellung unverzüglich eine Anschrift oder eine zustellungsbevollmächtigte Person zu benennen. Die Reichspolizei übermittelt diese Angaben an die gefährdete Person.

(4) Die Reichspolizei hat die gefährdete Person auf die Möglichkeit der Beantragung zivilrechtlichen Schutzes und auf die Möglichkeit der Unterstützung durch geeignete Beratungsstellen hinzuweisen.

(5) Wohnungsverweisung, Rückkehrverbot und ergänzende Maßnahmen enden außer in den Fällen des Satzes 2 mit Ablauf des zehnten Tages nach ihrer Anordnung, soweit nicht die Reichspolizei im Einzelfall eine kürzere Geltungsdauer festlegt. Stellt die gefährdete Person während der in Satz 1 bestimmten Dauer der Maßnahmen nach Absatz 1 einen Antrag auf zivilrechtlichen Schutz vor Gewalt oder Nachstellungen mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, enden die
Maßnahmen mit dem Tag der gerichtlichen Entscheidung, spätestens jedoch mit Ablauf des zehnten Tages nach dem Ende der nach Satz 1 bestimmten Dauer.

(6) Das Gericht hat der Reichspolizei die Beantragung zivilrechtlichen Schutzes sowie die gerichtliche Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.

Die Reichspolizei hat die gefährdete und die betroffene Person unverzüglich über die Dauer der Maßnahmen nach Absatz 1 in Kenntnis zu setzen.

§ 19.

Gewahrsam

(1) Die Reichspolizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn

1. es zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet oder wenn

2. es unerläßlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat, die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet ist, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, zu verhindern. Die Annahme, daß eine Person eine solche Tat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, daß

a) sie die Begehung der Tat angekündigt oder dazu aufgefordert hat.

b) sie bereits in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten auffällig war(en), die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet sind, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, als Störer festgestellt worden ist und nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist,

c) sie entsprechende Transparente oder sonstige Gegenstände mit sich führt; dies gilt auch für Flugblätter solchen Inhalts, soweit sie in einer Menge mitgeführt werden, die zur Verteilung geeignet sind,

d) bei ihr Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände aufgefunden werden, die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind oder erfahrungsgemäß bei derartigen Taten verwendet werden oder

e) ihre Begleitperson solche Gegenstände mit sich führt und sie den Umständen nach hiervon Kenntnis haben mußte,

3. es unerläßlich ist, um eine Platzverweisung oder ein Aufenthaltsverbot nach § 17 durchzusetzen oder

4. es unerläßlich ist, um eine Wohnungsverweisung oder ein Rückkehrverbot nach § 18 durchzusetzen oder

5. es unerläßlich ist, um private Rechte zu schützen und eine Festnahme und Vorführung der Personen nach den §§ 229, 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zulässig ist.

(2) Die Reichspolizei kann Minderjährige, die sich der Obhut der Personensorgeberechtigten entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, um sie den Personensorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen. Die Zuführung zum Personensorgeberechtigten kommt nicht in Betracht, wenn sich der Minderjährige an das Jugendamt wenden will.

(3) Die Reichspolizei kann eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung oder aus der Abschiebungshaft entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, in Gewahrsam nehmen und in die Anstalt zurückbringen.
Im Sinne dieses Paragraphen gilt die Beweispflicht eines Tatbestandes.

§ 20.

Richterliche Entscheidung

(1) Wird eine Person aufgrund von § 13, § 14 oder § 19 festgehalten, hat die Reichspolizei unverzüglich, spätestens innerhalb von vierundzwanzig Stunden, eine richterliche Anhörung sowie unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen. Der Herbeiführung der Anhörung und der richterlichen Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, daß die Entscheidung des Richters und die Anhörung durch den Richter erst nach Wegfall des Grundes der polizeilichen Maßnahmen ergehen würde.

(2) Für die Entscheidung und Anhörung nach Absatz 1 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person festgehalten wird. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des Gesetzes über
das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen.

§ 21.

Behandlung festgehaltener Personen

(1) Wird eine Person auf Grund von § 13, § 14 oder § 19 festgehalten, ist ihr unverzüglich der Grund bekannt zugeben. Sie ist über die ihr zustehenden Rechtsbehelfe zu belehren.

(2) Der festgehaltenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Rechtsbeistand ihrer Wahl beizuziehen und einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen.

Unberührt bleibt die Benachrichtigungspflicht bei einer richterlichen Freiheitsentziehung. Die Reichspolizei soll die Benachrichtigung übernehmen, wenn die festgehaltene Person nicht in der Lage ist, von dem Recht nach Satz 1 Gebrauch zu machen und die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht widerspricht. Ist die festgehaltene Person minderjährig oder ist für sie ein Betreuer bestellt, so ist in jedem Fall unverzüglich derjenige zu benachrichtigen, dem die Sorge für die Person oder die Betreuung der Person nach dem ihm übertragenen Aufgabengebiet obliegt.

(3) Die festgehaltene Person soll gesondert, insbesondere ohne ihre Einwilligung, nicht in demselben Raum mit Straf- oder Untersuchungsgefangenen untergebracht werden. Männer und Frauen
sollen getrennt untergebracht werden. Der festgehaltenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Freiheitsentziehung oder die Ordnung im Gewahrsam erfordert.

(4) Sind medizinische Behandlungen erkennbar erforderlich oder benötigt der Betroffene Medikamente, sind unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, die auch die ärztliche Begutachtung der Gewahrsamfähigkeit umfassen.

§ 22.

Dauer der Freiheitsentziehung

(1) Die festgehaltene Person ist zu entlassen,

1. sobald der Grund für die Maßnahme der Reichspolizei weggefallen ist,

2. wenn die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch richterliche Entscheidung für unzulässig erklärt wird oder

3. in jedem Fall spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen, wenn nicht vorher die Fortdauer der Freiheitsentziehung aufgrund dieses oder eines anderen Gesetzes durch richterliche Entscheidung angeordnet ist. Über das Ende des Tages nach dem Ergreifen hinaus kann die Fortdauer der Freiheitsentziehung aufgrund dieses Gesetzes durch richterliche Entscheidung nur angeordnet werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Betroffene Straftaten gegen Leib oder Leben oder Straftaten nach den §§ 125, 127 des Strafgesetzbuches (StGB) begehen oder sich hieran beteiligen wird. In der Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer der Freiheitsentziehung zu bestimmen; die Dauer der Freiheitsentziehung aufgrund dieses Gesetzes darf vierzehn Tage nicht überschreiten.

(2) Eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Feststellung der Identität darf die Dauer von insgesamt vierundzwanzig Stunden nicht überschreiten.

§ 23.

Durchsuchung von Personen

(1) Die Reichspolizei kann außer in den Fällen des § 13 eine Person durchsuchen, wenn

1. sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten werden kann,

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen,

3. sie sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet.

(2) Die Reichspolizei kann eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, gefährlichen Werkzeugen, Gegenständen, Explosivmitteln und anderen gefährdenden Stoffen durchsuchen, wenn das nach den Umständen zum Schutz des Reichspolizeivollzugsbeamten oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint. Dasselbe gilt, wenn eine Person nach anderen Rechtsvorschriften vorgeführt oder zur Durchführung einer Maßnahme an einen anderen Ort gebracht werden soll.

(3) Personen dürfen nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchsucht werden. Das gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 24.

Durchsuchung von Sachen

(1) Die Reichspolizei kann außer in den Fällen des § 13 eine Sache durchsuchen, wenn

1. sie von einer Person mitgeführt wird, die nach § 23 durchsucht werden darf,

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich in ihr eine Person befindet, die

a) in Gewahrsam genommen werden darf,

b) widerrechtlich festgehalten wird oder

c) hilflos ist,

3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich in ihr eine andere Sache befindet, die sichergestellt werden darf,

4. es sich um ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug handelt, in dem sich eine Person befindet, deren Identität nach § 13 festgestellt werden darf. Die Durchsuchung kann sich auch auf die in dem Fahrzeug enthaltenen Sachen erstrecken.

(2) Bei der Durchsuchung von Sachen hat der Inhaber der tatsächlichen Gewalt das Recht, anwesend zu sein. Ist er abwesend, so sollen sein Vertreter oder ein anderer Zeuge hinzugezogen werden. Dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist auf Verlangen eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund zu erteilen.

§ 25.

Betreten und Durchsuchung von Wohnungen

(1) Die Wohnung ist unverletzlich, eine Betretung und Durchsuchung ist nur möglich

a) wenn ein richterlicher Beschluß im Original vorliegt,

b) im Falle der Verfolgung auf frischer Tat oder bei Verdacht eines Verbrechens,

c) im Falle der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person,

d) sich dort gesuchte Straftäter verbergen, es gilt(?) § 104 Abs. 3 der Strafprozeßordnung (StPO).

Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(2) Während der Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 der Strafprozessordnung) ist das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung nur in den Fällen des Absatzes 1 b) und c) zulässig.

§ 26.

Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen

(1) Durchsuchungen dürfen gemäß § 25 nur durch den Richter oder auf Grund richterlicher Entscheidung angeordnet werden. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Wohnung liegt.

(2) Bei der Durchsuchung einer Wohnung hat der Wohnungsinhaber das Recht, anwesend zu sein. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Mitbewohner oder Nachbar hinzuzuziehen.

(3) Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist der Grund der Durchsuchung bekanntzugeben.

(4) Über die Durchsuchung ist ein Protokoll zu fertigen. Sie muß die verantwortliche Amtsstelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung enthalten. Dieses Protokoll ist von einem durchsuchenden Beamten und dem Wohnungsinhaber oder der zugezogenen Person zu unterzeichnen. Wird die Unterschrift verweigert, so ist hierüber ein Vermerk aufzunehmen. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist eine Abschrift des Protokolles auszuhändigen bzw. nachzureichen.

(5) Ist die Anfertigung des Protokolls oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Betroffenen lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Amtsstelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

§ 27.

Sicherstellung

Die Reichspolizei kann eine Sache sicherstellen,

1. um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren

2. um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen oder

3. wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften fest- oder angehalten wird und die Sache verwendet werden kann, um

a) sich zu töten oder zu verletzen,

b) Leben oder Gesundheit anderer zu schädigen,

c) fremde Sachen zu beschädigen oder

d) die Flucht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

§ 28.

Verwahrung

(1) Sichergestellte Sachen sind in Verwahrung zu nehmen. Läßt die Beschaffenheit der Sachen das nicht zu oder erscheint die Verwahrung bei der Reichspolizei unzweckmäßig, sind die Sachen auf andere geeignete Weise aufzubewahren oder zu sichern. In diesem Fall kann die Verwahrung auch einem Dritten übertragen werden.

(2) Dem Betroffenen ist eine Bescheinigung auszustellen, die den Grund der Sicherstellung erkennen läßt und die sichergestellten Sachen bezeichnet. Kann nach den Umständen des Falles eine Bescheinigung nicht ausgestellt werden, so ist über die Sicherstellung eine Niederschrift aufzunehmen, die auch erkennen läßt, warum eine Bescheinigung nicht ausgestellt worden ist. Der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist unverzüglich zu unterrichten.

(3) Wird eine sichergestellte Sache verwahrt, so hat die Reichspolizei nach Möglichkeit Wertminderungen vorzubeugen. Das gilt nicht, wenn die Sache durch einen Dritten verwahrt wird.

(4) Die verwahrten Sachen sind zu verzeichnen und so zu kennzeichnen, daß Verwechslungen vermieden werden.

§ 29.

Verwertung, Vernichtung

(1) Die Verwertung einer sichergestellten Sache ist zulässig, wenn

1. ihr Verderb oder eine wesentliche Wertminderung droht,

2. ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist,

3. sie infolge ihrer Beschaffenheit nicht so verwahrt werden kann, daß weitere Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgeschlossen sind,

4. sie nach einer Frist von einem Jahr nicht an einen Berechtigten herausgegeben werden kann, ohne daß die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden oder

5. der Berechtigte sie nicht innerhalb einer ausreichend bemessenen Frist abholt, obwohl ihm eine amtliche Mitteilung über die Frist mit dem Hinweis zugestellt worden ist, daß die Sache verwertet wird, wenn sie nicht innerhalb der Frist abgeholt wird.

(2) Die Anordnung der Verwertung ist dem Berechtigten durch die Aufbewahrungsstelle bekannt zu geben. Zeit und Ort der Verwertung ist mitzuteilen, soweit die Umstände und der Zweck der Maßnahme es erlauben.

(3) Die Sache wird durch öffentliche Versteigerung verwertet. § 979 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gilt entsprechend. Der Erlös tritt an die Stelle der verwerteten Sache. Läßt sich innerhalb angemessener Frist kein Käufer bzw. Ersteigerer finden, so kann die Sache einem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden.

§ 30.

Herausgabe sichergestellter Sachen oder des Erlöses, Kosten

Sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, sind die Sachen an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind. Die Herausgabe ist ausgeschlossen, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen für eine Sicherstellung eintreten würden. Alles weitere bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

§ 31.

Grundsätze der Datenerhebung

Die Reichspolizei darf personenbezogene Daten nur erheben, soweit dies durch dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften und die Durchführungsverordnung über die Datenerhebung der Reichspolizei
zugelassen ist.

Kapitel 3

Vollzugshilfe

§ 32.

Vollzugshilfe

(1) Die Reichspolizei leistet anderen Ämtern auf Ersuchen Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die anderen Ämter nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügen oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise selbst durchsetzen können.
Hierzu bedarf es einer richterlichen Anordnung.

(2) Die Reichspolizei ist nur für die Art und Weise der Durchführung verantwortlich. Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

§ 33.

Verfahren

(1) Vollzugshilfeersuchen sind auf dem schriftlichen Wege zu stellen; sie haben den Grund und die Rechtsgrundlage der Maßnahmen anzugeben.

(2) In Eilfällen kann das Ersuchen formlos gestellt werden. Es ist jedoch auf Verlangen unverzüglich schriftlich zu bestätigen.

§ 34.

Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung

(1) Hat das Vollzugshilfeersuchen eine Freiheitsentziehung zum Inhalt, ist die richterliche Entscheidung im Original über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung vorzulegen. Die §§ 21 und 22 dieses Gesetzes gelten entsprechend.

(2) Ist eine vorherige richterliche Entscheidung nicht ergangen, hat die Reichspolizei die festgehaltene Person zu entlassen, wenn das ersuchende Amt die richterliche Entscheidung nicht unverzüglich nachträglich beantragt.

Kapitel 4

Zwang

Abschnitt 1
Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen

§ 35.

Zulässigkeit des Verwaltungszwanges

(1) Der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein
Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.

(2) Der Verwaltungszwang kann ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dieses zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Reichspolizei hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt.

§ 36.

Androhung der Zwangsmittel

(1) Zwangsmittel sind situationsbedingt anzudrohen. Von der Androhung wird abgesehen, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist.

(2) Die Androhung kann mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Sie soll mit ihm verbunden werden, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.

Abschnitt 2

Anwendung unmittelbaren Zwanges

§ 37.

Rechtliche Grundlagen

(1) Die Reichspolizei ist nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt.

(2) Die Vorschriften über Notwehr und Notstand bleiben unberührt.

§ 38.

Begriffsbestimmungen, zugelassene Waffen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Hilfsmittel sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reiz- und Betäubungsstoffe sowie zum Sprengen bestimmte explosionsfähige Stoffe (Sprengmittel).

(3) Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen.

§ 39.

Handeln auf Anordnung

(1) Die Reichspolizeivollzugsbeamten sind verpflichtet, unmittelbaren Zwang anzuwenden, der von einem Weisungsberechtigten angeordnet wird. Das gilt nicht, wenn die Anordnung die Menschenwürde verletzt oder nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist.

(2) Eine Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Reichspolizeivollzugsbeamte die Anordnung trotzdem, so begeht er eine Straftat.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung hat der Reichspolizeivollzugsbeamte dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist.

Die beamtenrechtliche Vorschriften zum Remonstrationsrecht finden ihre Anwendung.

§ 40.

Hilfeleistung für Verletzte

Wird unmittelbarer Zwang angewendet, ist Verletzten, soweit es nötig ist und die Lage es zuläßt, Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen.

§ 41.

Androhung unmittelbaren Zwanges

(1) Unmittelbarer Zwang ist vor seiner Anwendung anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Als Androhung des Schußwaffengebrauchs gilt auch die Abgabe eines Warnschusses.

(2) Schußwaffen dürfen nur dann ohne Androhung gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(3) Gegenüber einer Menschenmenge ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges möglichst so rechtzeitig anzudrohen, daß sich Unbeteiligte noch entfernen können. Der Gebrauch von Schußwaffen gegen Personen in einer Menschenmenge ist stets anzudrohen. Die Androhung ist vor dem Gebrauch zu wiederholen. Der Gebrauch von technischen Sperren und der Einsatz von Dienstpferden kann ohne Androhung erfolgen.

§ 42.

Fesselung von Personen

Eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, kann gefesselt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

1. Reichspolizeivollzugsbeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen von nicht geringem Wert beschädigen wird,

2. fliehen wird oder befreit werden soll oder

3. sich töten oder verletzen wird.

Dasselbe gilt, wenn eine Person nach anderen Rechtsvorschriften vorgeführt oder zur Durchführung einer Maßnahme an einen anderen Ort gebracht wird.

§ 43.

Allgemeine Vorschriften für den Schußwaffengebrauch

(1) Schußwaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet wurden oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Schußwaffengebrauch gegen Sachen erreicht werden kann.

(2) Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um sie angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.

(3) Gegen Personen, die dem äußeren Eindruck oder der Kenntnis nach noch nicht vierzehn Jahre alt oder erkennbar oder der Kenntnis nach schwanger sind, dürfen Schußwaffen nicht gebraucht werden. Das gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist.

§ 44.

Schußwaffengebrauch gegen Personen

(1) Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um

1. eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren,

2. die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung eines Verbrechens oder einer Straftat unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Explosivmitteln zu verhindern,

3. eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie

a) eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder

b) eines Vergehens dringend verdächtig ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Schußwaffen oder Explosivmittel mit sich führt,

4. zur Vereitlung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, die in amtlichem Gewahrsam zu halten oder ihm zuzuführen ist

a) auf Grund richterlicher Entscheidung wegen eines Verbrechens oder

b) auf Grund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder

c) auf Grund richterlicher Entscheidung wegen eines Vergehens oder

d) auf Grund des dringenden Verdachts eines Vergehens, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Schußwaffen oder Explosivmittel mit sich führt oder

e) um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern.

§ 45.

Sprengmittel

Sprengmittel dürfen gegen Personen nicht angewendet werden.

Kapitel 5

Organisation und Zuständigkeit der Reichspolizei

§ 46.

Reichspolizeiamt

(1) Das Reichspolizeiamt ist die oberste Behörde der Reichspolizei.

(2) Alle polizeilichen Einrichtungen auf dem Staatsgebiet des Deutschen Reiches in seinen völkerrechtlichen Grenzen vom 31. Juli 1914 sind dem Reichspolizeiamt weisungsgebunden untergeordnet.

(3) Reichspolizeieinrichtungen sind auch die Fachhochschulen der Reichspolizei.

§ 47.

Verwaltungsvorschriften

Der Staatssekretär des Innern erläßt zur Ausführung dieses Gesetzes die erforderlichen Verwaltungsvorschriften in Abstimmung mit dem Polizeidirektor der Reichspolizei.

Reichsgesetzblatt „RGBl-1109111-Nr18-Gesetz-Polizeiaufgabengesetz“ Amtsschrift

Reichsgesetzblatt „RGBl-1109111-Nr18-Gesetz-Polizeiaufgabengesetz“

siehe hierzu auch http://deutsche-reichspolizei.de